Söders Gruß an Merz: Ich werde es verhindern

von Redaktion

Nachspielzeit: Nach 65 Minuten Plauderei und harten Fragen posierte Söder noch geduldig für Selfies.

Volles (Presse)Haus: Markus Söder mit unseren Chefredakteuren Markus Knall (l.) und Georg Anastasiadis sowie den rund 200 Gästen, die aufmerksam zuhörten. © Alle Fotos: Marcus Schlaf

München – Das Gespräch hat noch gar nicht richtig begonnen, da macht Markus Söder etwas, was er sonst nur ungern macht. Er räumt eine Fehleinschätzung ein. Gerade ist er auf Friedrich Merz angesprochen worden und dessen jüngste Avancen in Richtung der Grünen, verbunden mit dem Satz „Herr Söder schreibt mir gar nichts vor“. Herr Söder tut überrascht. Sein Pressesprecher und er seien sich zwar sicher gewesen, dass dies gleich die dritte oder vierte Frage sein würde. Nun markiert sie aber schon den Einstieg ins Gespräch.

Das Thema hat halt Brisanz, auch Söder selbst kommt lieber früher als später darauf zu sprechen. Und auch in den folgenden 65 Minuten, die er beim Wahlforum im Münchner Pressehaus über so ziemlich alle Themen von Wirtschaftspolitik bis zu Essgewohnheiten spricht, lässt der Ministerpräsident immer wieder mehr als nur durchscheinen, für wie unvereinbar er Union und Ökopartei in einer gemeinsamen Regierung hält. Für Robert Habeck und Annalena Baerbock werde es nach der Wahl wichtige Rollen geben, sichert er zu: „In der Opposition.“

Der CSU-Chef markiert gestern den Schlusspunkt der vierteiligen Reihe von Spitzengesprächen. Fünf Tage sind es da noch bis zur Wahl, und auch wenn Söder viele Antworten im Plauderton gibt, lässt er keinen Zweifel daran, wie konkret und unbeirrbar er bereits eine schwarz-rote Koalition ins Auge fasst. Ein Vorteil an der SPD sei etwa, dass man ohne Olaf Scholz planen könne: „Diese Geschichte ist zu Ende.“ Zudem will er entdeckt haben, dass die Sozialdemokraten bei einem ihrer zentralen Themen umdenken: „Die SPD sieht selber, dass das Bürgergeld ein schwerer Fehler war.“ Und schließlich hegt er auch beim Personal gewisse Sympathien, anders als bei Habeck und Baerbock. Angesprochen auf die Vermutung, die CSU könne nach der Wahl Interesse am Verteidigungsministerium haben, äußert er sich vielsagend lobend über Boris Pistorius: „Der aktuelle Minister macht es nicht so schlecht.“

So viel Freundlichkeit hätte man sich auch bei der FDP gewünscht, doch bei ihr bleibt Söder kühl. Sicher, in Wirtschaftsfragen liegt man nahe beieinander, doch beim Thema Innere Sicherheit, etwa bei Vorratsdatenspeicherung oder der Kameraüberwachung des öffentlichen Raumes, gebe es starke Differenzen. Was die Union da erwarte, lehnten die Liberalen ab. Da beeindruckt es Söder auch nicht, als auf die Leinwand das neueste Plakatmotiv der FDP geworfen wird, auf dem Christian Lindner anbietet, er könne „Söder den Wortbruch ersparen“, weil nur mit der FDP die Union auf einen grünen Koalitionspartner verzichten könne. Trockene Antwort: „Mir kommen die Tränen.“

Rund 200 Gäste verfolgen den Auftritt im Pressehaus, dazu Zehntausende über die Onlinekanäle. Zu ihnen gehört der 17-jährige Joshua Betz, der wissen will, wie Bayern langfristig die Wirtschaft zu stärken gedenkt. „Die Grundlage ist Technologie“, sagt Söder da. Er verweist auf fast 40 Prozent höhere Forschungsleistungen seit seinem Amtsantritt und die sechs Milliarden Euro schwere Hightech-Agenda. Ebenso wichtig sei allerdings der Abbau von Bürokratie. Die habe sich „zu einer Würgeschlange entwickelt“. Stunden zuvor habe man in der Kabinettssitzung auf diesem Gebiet gerade Entlastungen beschlossen.

Die Würgeschlange taucht an diesem Nachmittag immer wieder auf. Zum Beispiel, als Stefan Linde vom Ministerpräsidenten wissen will, woher angesichts von Ausbildungsabbrechern und hohem Migrationsanteil an den Schulen das Personal für den Hightech-Standort kommen solle. Das sei für ihn „das größte Zukunftsproblem“. In Bayern stehe man besser da, antwortet Söder. Es gebe einen „relativ starken Leistungszuzug“, an die Universitäten strömten ebenfalls viele ausländische Studenten. Und auch an den Schulen mache man beim Thema Leistung keine Abstriche. Die unangekündigten Exen, eines seiner Lieblingsthemen, kommen da ebenso zur Sprache wie Söders offenkundiger Wille gegen Teilzeit im Lehrerberuf. Damit ist er auch bald wieder beim Thema Bürokratie. Die sei „unendlich“, auch im Bildungswesen und bei der Kinderbetreuung, zwei Schlüsselgebieten, wenn es um die Anwerbung von Fachkräften gehe.

Manche Fragen sind Steilvorlagen. Die von Elisabeth Niederhofer etwa, Mutter von zwei Kindern, die sich um eine auskömmliche Rente sorgt und nicht versteht, warum sie als Mutter von zwei Kindern, die vor 1992 geboren wurden, keine Mütterrente beziehen soll: „Sind diese Kinder weniger wert als Jüngere?“ Da fällt es Söder leicht, auf das CSU-Konzept einer eben solchen (frei)staatlichen Leistung zu verweisen.

Auch für Jonas Ristock, dem ein elternunabhängiges Bafög am Herzen liegt, hat der Ministerpräsident etwas im Köcher. Ihm gehe es bei Ausbildungshilfen nicht nur um die Unis und Fachhochschulen, sondern auch um die Meisterschule zum Nulltarif: „Wenn das Studium nichts kostet, soll das auch für die Handwerksausbildung gelten.“

Sicher, einige Antworten fallen erwartbar aus, aber häufig auch ziemlich schlagfertig. Das zeigt sich besonders am Ende, als Söder vorgegebene Sätze vervollständigen soll. In einem Restaurant für Veganer bestelle er „ein Taxi, damit ich wieder weg kann“, antwortet er da. Seit er Bart trage, müsse er sich „weniger rasieren“. Und seine Kinder bemängelten an seiner Instagram-Präsenz, dass er „zu viel Ungesundes“ esse.

Seine wichtigste Botschaft – die er in den vorangegangenen 65 Minuten schon ein halbes Dutzend Mal platziert hat – bemüht er ganz am Ende noch mal. Da stimmt das Publikum darüber ab, ob die Union mit den Grünen koalieren soll, wenn anders keine stabile Regierung zustande kommt. Das Ergebnis ist nahezu ausgeglichen, aber das beeindruckt Söder nicht. Sein Schlusswort: „Also, ich werde es verhindern.“

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