Der Weißwurst-König aus Neumarkt

von Redaktion

Die Moderatorin Verona Pooth (li.) posiert in Kitzbühel bei der Weißwurstparty im Stanglwirt mit Weißwurstkönigin Nadja Wittmann.. © Felix Hörhager/Picture Alliance

Mit so einer Metallspritze wurde früher das Brät in den Darm eingebracht. © mw

Das Weißwurstmuseum mit seinen vielen Exponaten ist Norbert Wittmanns ganzer Stolz. © Max Wochinger

Norbert Wittmann heute: Über die Weißwurst kann er stundenlang reden. © mw

Norbert Wittmann ist in seinem Element. Das Bild aus dem Jahr 2007 zeigt den Metzgermeister mit Teilnehmern eines Weißwurstseminars in seiner Heimat Neumarkt. © DIETHER ENDLICHER/Picture Alliance

Neumarkt – Im Leben von Metzgermeister Norbert Wittmann dreht sich fast alles um die Weißwurst. In seiner Metzgerei in Neumarkt in der Oberpfalz stellt er sie täglich her. Er ist Autor des „Königlichen Weißwurst-Kochbuchs”, gibt in seiner Akademie Weißwurstseminare. Die Weißwurst ist sein tägliches Frühstück, seine Tochter Nadja war schon mal bayerische Weißwurstkönigin. Und er betreibt ein besonderes Museum: das erste Weißwurstmuseum der Welt. „Die Weißwurst gehört einfach zum Leben dazu“, philosophiert Wittmann.

Dieser Mann ist vernarrt in die Wurst, das merkt man auf den ersten Blick: Im Verkaufsraum seiner Metzgerei wurde ein großes Gemälde an die Wand gemalt. Die Kunstikonen der Menschheitsgeschichte – weißwurstmäßig interpretiert: Salvador Dalí mit Weißwurst-Schnauzer, die Mona Lisa mit vollem Mund, auch die Erschaffung Adams von Michelangelo hat hier Platz gefunden – nur eben mit Weißwurst in der Hand. „Das haben wir von einem Maler anfertigen lassen“, sagt der Metzgermeister stolz.

Wittmann, 58, ist wohl der versierteste Weißwurstexperte Deutschlands – und dann ja auch der ganzen Welt. Er führt in Neumarkt einen Gastronomie-Tempel: Metzgerei, Restaurant, Hotel, Akademie. Der Leitspruch des Unternehmens lautet „Nice to meat you“. 200 Weißwürste gehen täglich über die Ladentheke, der Chef steht jeden Morgen um fünf Uhr in der Metzgerei und bereitet sie zu. „Ich liebe einfach die Weißwurst.“

Sie ist der kulinarische Identitätsnachweis einer ganzen Kultur – und ihr hat Wittmann das Museum gewidmet. Etwas unscheinbar, hinter einer schweren Holztür, verbirgt sich das erste und vermutlich einzige Weißwurstmuseum der Welt. Wittmann hat jahrhundertealte Geräte zur Herstellung gesammelt. „Ich bin durch Zufall in den Besitz einer kompletten, 150 Jahre alten Metzgereiausstattung gekommen. Da habe ich mir gedacht, dass ich neben meiner Weißwurstakademie noch ein Museum eröffnen kann.“

Im Museum finden sich Kutter, Fleischwölfe, Füllmaschinen, ein 400 Jahre alter Hackblock – und altertümliche Schlagwerkzeuge. Denn früher, als es noch keine Maschinen gab, wurden das Fleisch und der Speck mit einem Wiegemesser zerkleinert und dann mit Bratschlegeln geklopft, um das Brät noch feiner zu bekommen. Anschließend wurde das Brät mit einer Metallspritze in die Schweinsdärme gefüllt.

Wittmann ist Metzger durch und durch. Seit über 65 Jahren gibt es seine Metzgerei, er führt den Betrieb in zweiter Generation. Das hat auch auf seine Kinder abgefärbt: Tochter Nadja, die Weißwurstkönigin von 2013, hat einen Metzger geheiratet. Die andere Tochter ist Hotelfachfrau, der Sohn Metzgermeister und Fleischsommelier.

Dass junge Menschen Lust auf den Beruf des Metzgers haben, ist keine Selbstverständlichkeit. „Noch Ende der 60er-Jahre haben wir in Neumarkt 24 Metzgereien gehabt, bei 19 500 Einwohnern”, sagt Wittmann. „Jetzt haben wir 43 000 Einwohner – aber nur noch drei Metzgereien.“ In Deutschland wird immer weniger Fleisch gegessen und viele Verbraucher kaufen lieber im Supermarkt. „Fleisch ist Bestandteil unserer Ernährung, aber es ist auch zum Ramschartikel geworden.” Auch wegen dieser Entwicklung war es für Wittmann allerhöchste Eisenbahn, ein Museum zu eröffnen.

Die Weißwurst sei faszinierend, sagt er. „Es gibt kein anderes Lebensmittel, bei dem man sich schon vor dem Verzehren darüber unterhält, wie man sie isst.“ Zudem könne man die Weißwurst äußert vielseitig zubereiten, sagt er. Ein Blick in sein Kochbuch ist Bestätigung. Wie wäre es mit Weißwurst-Sushi? Oder einem Weißwurst-Schnitzel? Und zur Nachspeise Weißwurst-Mousse mit Zwetschgenröster? Wittmann hat sich über 60 Gerichte mit Weißwurst einfallen lassen.

Auch die Entstehungsgeschichte hat es ihm angetan. Die Weißwurst ist Münchnerin (siehe Kasten). Müsste sein Museum also nicht in München beheimatet sein? „Die Münchner haben es ein bisserl versäumt“, sagt Wittmann. Aber auch wenn das Weißwurst-Mekka nun in der Oberpfalz liegt: Mehr als 10 000 Besucher sind schon nach Neumarkt gepilgert; Gäste aus aller Welt, auch aus Fernost.

Bis nach Japan reicht Wittmanns Arm. Denn er ist auch Botschafter der Weißwurst: Um die Jahrtausendwende machte der japanische Jungkoch Masato Watanabe bei ihm ein Praktikum. Nach vier Jahren ging Watanabe zurück nach Japan – und verkaufte dort die Weißwürste nach bayerischem Rezept. Solche Geschichten kann Wittmann stundenlang erzählen. Gut, dass sie ein Zuhause gefunden haben – im ersten Weißwurstmuseum der Welt.

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