Bonn /München – Der Heimatschutz soll militärische und zivile Einrichtungen schützen. Doch ist die Truppe dazu in der Lage? Nein, sagt der Politikwissenschaftler und Sicherheitsexperte Frank Umbach (61) von der Universität Bonn. Deutschland brauche dringend eine andere Sicherheitskultur.
Herr Umbach, wie wichtig ist der Heimatschutz für Deutschland?
Wir sehen uns in Europa und in Deutschland mit massiven Bedrohungen konfrontiert: Russland führt einen offenen Krieg in der Ukraine, parallel dazu nimmt die hybride Kriegsführung mit Cyberangriffen und physischer Sabotage unserer kritischen Infrastruktur zu. Dazu gehören die Energieversorgung, Straßen und Brücken sowie transatlantische Untersee-Internet- und Stromkabel. Zum Schutz all dieser Dinge braucht es den Heimatschutz.
Im Moment stehen rund 6000 Frauen und Männer zur Verfügung. Reicht das für den Verteidigungsfall?
Nein. Wenn Russland die baltischen Staaten angreifen würde, wäre Deutschland als Transitland für den militärischen Nachschub von besonderer Bedeutung. Der Heimatschutz müsste dann Straßen und Brücken schützen und die kritische Infrastruktur wie Umspannwerke bewachen. Für diese Aufgaben brauchen wir mehr Kräfte, die wir derzeit nicht haben.
Wie viele Soldatinnen und Soldaten sind denn nötig?
Ich kann keine genauen Zahlen nennen. Aber sehen wir uns die Staaten an der Ostgrenze der Europäischen Union an: In Ländern wie Finnland ist jeder zweite oder dritte Erwachsene für die Sicherheit des Landes aktiv, sei es im Heimatschutz, im Rettungsdienst oder bei der Feuerwehr. Auch jedes Unternehmen hat eine besondere Rolle und Aufgabe in einem Krisen- oder Kriegsfall. Die Menschen wissen, was im Ernstfall zu tun ist. Es herrscht dort eine ganz andere Sicherheitskultur als bei uns.
Und die fordern Sie auch für Deutschland?
Man kann das Denken der Menschen nicht von heute auf morgen ändern. Aber man muss sich endlich klar werden, dass wir völlig verwundbar sind, weil wir sehr unvorbereitet dastehen. Nehmen Sie die LNG-Terminals, die für die Energieversorgung so wichtig sind: Die sind völlig unzureichend gesichert, ausländische Drohnen fliegen darüber und spionieren sie aus. Die Deutschen haben nicht verstanden, in welcher sicherheitspolitischen Lage wir stecken. Noch immer neigen wir zu einer kollektiven Realitätsverweigerung der globalen geopolitischen und geoökonomischen Umwälzungen.
Was muss sich ändern?
Wir müssen viel offener über diese neuen Risiken für unser Land, unsere Wirtschaft und Gesellschaft sprechen – auch an Schulen und Universitäten. Der Schutz unseres Landes ist nicht nur Sache des Staates, sondern eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Er betrifft jeden in unserer Gesellschaft.