Roboter-Präzision fürs künstliche Gelenk

von Redaktion

Schon am Tag nach der OP war Wilpernig auf den Beinen. © ms

Im Auge des Manta: Nahe der Insel Socorro vor Mexiko begegnete der Profi-Taucher dem beeindruckenden Fisch. Seine Flossen haben eine Spannweite von fünf Metern. © Foto: Wilpernig

OP mithilfe von Robotik: Spezialisten des TUM Universitäts-Klinikums setzen einem Patienten ein künstliches Kniegelenk ein. © Foto: K. Czoppelt

Zwei Spezialisten – einer für künstliche Knie, der andere für große Tiere: Professor Rüdiger von Eisenhart-Rothe (l.) untersucht seinen Patienten Wilpernig. © Foto: Marcus Schlaf

Verbrachte mehr als 7500 Stunden unter Wasser: Profi-Taucher und Unterwasser-Fotograf Robert Wilpernig (62). © Foto: privat

München – So ein männlicher Pottwal wiegt schon mal 41 Tonnen und kann mehr als 1000 Meter tief tauchen. Ganz so weit ist Robert Wilpernig einem zwölf Meter langen Exemplar nicht gefolgt, aber der Spezialist für große Tiere treibt sich mit seiner Unterwasserkamera auch schon mal mehr als 100 Meter unter dem Meeresspiegel herum. Seine spektakulären Aufnahmen zieren unter anderem Kult-Dokus wie Der blaue Planet. „Ich bin auch schon mal mit einem weißen Hai geschwommen“, erzählt der gebürtige Münchner. „Das war kein Problem, Haie sind ja scheu. Man muss ihnen nur zeigen, dass man keine Gefahr für sie ist. Dann passiert nichts.“

Diagnose: Arthrose im Endstadium

Keine Frage: Wilpernig hat Nerven aus Stahl, aber er ist kein Draufgänger, überlässt nichts dem Zufall. „Ich bereite mich immer akribisch vor, checke alles doppelt und dreifach.“ Genau nach dieser Philosophie hat sich der 62-Jährige auch um sein Knie gekümmert. Das hat vor allem in jungen Jahren schwer gelitten, als er in der Jugend des EV Landshut Eishockey spielte. Nach Verletzungen musste er mehrere Operationen über sich ergehen lassen, unter anderem am Meniskus. Die schützende Knorpelschicht auf den Gelenkflächen schwand immer mehr, zuletzt rieb Knochen auf Knochen. Die Folge: Chronische Entzündungsprozesse und immer stärkere Schmerzen, auch nachts im Ruhezustand. Sein Orthopäde diagnostizierte Arthrose im Endstadium und riet ihm zu einer Endoprothese. So nennt man ein künstliches Gelenk, das im Inneren des Körpers verbleibt, daher die Silbe endo.

Eineinhalb Jahre lang hat Wilpernig nach dem für ihn besten Spezialisten gesucht und letztlich Professor Rüdiger von Eisenhart-Rothe herausgetaucht. Der 53-Jährige leitet schon seit vielen Jahren das Endoprothesenzentrum im TUM Universitätsklinikum in München. Und von Eisenhart-Rothe hat – was den Technik-Freak Wilpernig doppelt überzeugte – deutschlandweit mit die meiste Erfahrung im Umgang mit einem Gelenkersatz-OP-Roboter. Genauer gesagt mit dem Mako. „Die Robotik war für mich ein wesentlicher Faktor. Denn für mich wirkte es von Anfang an schlüssig, dass der Operateur damit eine noch größere Präzision erreichen kann.“ Während Wilpernigs Operation war der Hightech-Assistent bereits zum 1000. Mal im Klinikum rechts der Isar bei einer Knieprothesen-OP im Einsatz. Das ist Makos Spezialgebiet, auch wenn er gelegentlich an der Hüfte eingesetzt wird.

Operation mit dem Roboter

Die Vorteile kommen vor allem am Kniegelenk zum Tragen – vorausgesetzt, der Operateur setzt den OP-Roboter richtig ein. Der Mako ermöglicht eine neue, noch effektivere OP-Strategie. Damit soll jeder Patient individuell operiert werden. „Es geht vor allem darum, die jeweilige patientenspezifische Biomechanik des betroffenen Gelenks wiederherzustellen. Die Prothese wird mithilfe des Roboters in einem bestimmten, zuvor genau berechneten Neigungswinkel positioniert, um das Bein des Patienten so exakt und so natürlich wie möglich nachzuempfinden“, erklärt von Eisenhart-Rothe. Der Fachbegriff für diese Behandlungsstrategie heißt „patient-specific-alignment“. Damit verbessert sich die Funktion des neuen Knies. Neben den viel exakteren Sägeschnitten, die zudem knochensparendes Operieren ermöglichen, misst der Roboter während der OP auch die Spannung der Bänder. „Dadurch können wir die Prothese feinjustieren.“ Der Roboter macht keinen Arbeitsschritt von allein.

Unterm Strich profitieren die Patienten bereits in den ersten drei Monaten nach ihrer OP, wie sich bei Befragungen und Analysen der TUM-Ärzte herauskristallisierte. „Sie haben weniger Schmerzen und eine bessere Funktion“, sagt von Eisenhart-Rothe und nennt den zentralen Grund: „Mithilfe der Robotik können wir das Weichteilgewebe im Vergleich zu herkömmlichen OP-Methoden besser schonen.“ Gerade nach dem Einsetzen von halbseitigen künstlichen Kniegelenken, sogenannten Schlittenprothesen, komme es seltener zu Komplikationen.

Das geht übrigens auch aus den Daten australischer Prothesenregister hervor. Dort wird bereits jede zweite Schlittenprothese mit Roboterunterstützung eingesetzt. Bezogen auf alle künstlichen Kniegelenke ist die Revisionsrate geringer. So müssen nach acht Jahren 6,2 Prozent aller Roboter-Prothesen wieder ausgebaut werden – im Vergleich zu 7,2 Prozent der herkömmlich eingesetzten künstlichen Knie. „Der Unterschied erscheint auf den ersten Blick gering, bedeutet aber auf den zweiten Blick eine relative Verringerung der Folgeoperationen um 14 Prozent“, so von Eisenhart-Rothe. Und die Mako-Schlittenprothese zeigt mit einer Revisionsrate von 4,4 Prozent nach fünf Jahren die besten Ergebnisse im australischen Register.

Patienten kommen schnell auf die Beine

„Dank der Unterstützung durch die Robotik kommen viele Patienten einfach schneller wieder auf die Beine – und sein Patient Wilpernig kann dies bestätigen. „Ich hatte kaum Schmerzen, konnte sofort wieder laufen und fühle mich schon wieder ziemlich fit“, erzählt der Familienvater wenige Wochen nach der OP. Seine Kinder Lennox (5) und Liam (11) halten ihn auf Trab. „Die wollen halt einen aktiven Papa haben, der mit ihnen Trampolin springt oder Mountainbike fährt. In der Vergangenheit war ich immer mehr eingeschränkt. Jetzt freue ich mich darauf, dass wir bald wieder coole Dinge zusammen unternehmen können.“

Zudem unterstützt er seine Frau Denise (44) in ihrer Tauchreise-Agentur Wirodive, begleitet Gruppen zu besonders schönen Revieren. Er ist nicht nur Tierfilmer, sondern auch ein erfahrener Tauchguide. Immerhin hat Wilpernig bereits mehr als 7500 Stunden unter Wasser verbracht.

Nächster Trip zu den Buckelwalen

Derzeit trainiert der Tauch-Profi aus Moosburg an der Isar (Kreis Freising) bereits fleißig für seinen nächsten Unterwasser-Einsatz. Ende März reist er auf die indonesische Insel Timor. „Vor der Küste treffen sich die Buckelwale zur Massenhochzeit – mit ihren Babys“, erzählt der Berufstaucher. Sein Arzt freut sich schon auf die spektakulären Unterwasser-Bilder – ist aber nicht unglücklich darüber, dass er die zwölf bis 16 Meter langen und bis zu 30 Tonnen schweren Meeressäuger nicht live miterleben wird. „Die Aufnahmen schaue ich mir dann lieber bei einem trockenen Rotwein vom Sofa aus an“, sagt Rüdiger von Eisenhart-Rothe augenzwinkernd.

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