Oleksii Makeiev, Botschafter der Ukraine. © Jens Hartmann
Berlin – Die Ukraine hat einem Waffenstillstand zugestimmt. Aber wird Russlands Präsident Wladimir Putin das auch? Ein Gespräch mit dem ukrainischen Botschafter in Deutschland, Oleksii Makeiev über den Weg zum Frieden und seine Erwartungen an die neue Bundesregierung.
Herr Makeiev,was sagen Sie über die Friedens-Perspektive, die sich jetzt in Saudi-Arabien auftut?
Klar ist: Kriege werden nicht beendet, Kriege werden entweder gewonnen oder verloren. Und wir sind seit elf Jahren in so einem Krieg. Bisher konnten wir uns verteidigen. Wir haben sehr viele Menschen verloren, über 140 000 Kriegsverbrechen sind auf unserem Territorium geschehen. Deswegen reagiere ich immer so vehement auf das Beenden. Nur die Russen können diesen Krieg von heute auf morgen beenden, indem sie sagen, okay, wir ziehen uns zurück, wir beschießen die Ukraine nicht mehr. Die Gespräche in Saudi-Arabien sind entscheidend, weil in diesem Krieg sehr viel davon abhängt, ob die Ukraine alleine auf dem Kampffeld steht oder unterstützt wird. Die USA waren und sind unser wichtigster Verbündeter, nichtsdestoweniger müssen wir uns auch im Klaren sein, dass es in diesem Krieg in erster Linie um Europa geht.
Wagen Sie eine Prognose, wann es zu einem Waffenstillstand kommt?
Nein, das kann ich nicht. Das kann nur Russland machen. Wir Ukrainer wollen den Frieden mehr als irgendwer sonst auf der Welt. Aber das muss ein gerechter Frieden sein und ein dauerhafter Frieden, damit den Russen die Möglichkeit genommen wird, übermorgen einen neuen Krieg anzufangen.
Sie sagen, die USA bleiben Ihr wichtigster Verbündeter. Das ist optimistisch…
Wir bleiben immer Optimisten. Aber es ist an der Zeit, dass die Europäer begreifen, dass es um ihre eigene Sicherheit geht. Wir sind über 500 Millionen Europäer. Zusammengenommen sind wir viel stärker als Russland. Und wir Ukrainer haben gezeigt, dass wir mit unserem Militär, das heute viel besser ausgestattet ist als am Anfang der Großinvasion, den Russen Paroli bieten können.
Warum war es nicht früher möglich, Friedensverhandlungen zu beginnen?
Stellen Sie sich vor, 20 Prozent des Territoriums Deutschlands sind besetzt. Würden die Deutschen jetzt sagen, Sachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen sind besetzt, wir hören auf zurückzuschießen? Russland will uns als Nation und Staat auslöschen. Natürlich werden Diplomaten eine Rolle spielen, aber jeder Diplomat kann nur dann erfolgreich sein, wenn er in einer Position der Stärke ist.
Wie groß ist Ihre Sorge, dass die deutsche Öffentlichkeit die Militärhilfen infrage stellt?
Ich beobachte, dass die Unterstützung der deutschen Bevölkerung seit drei Jahren kaum nachlässt. Und das ist ein gutes Zeichen. Kriegsmüde mögen die Ukrainer sein, die jeden Tag den Krieg erleben. Ich bin den Deutschen für ihre Solidarität sehr dankbar.
Rechnen Sie jetzt mit dem Taurus-System?
Friedrich Merz hat im Wahlkampf klar gesagt, dass er das in Erwägung zieht. Argumente für die Taurus-Lieferung sind einfach. Es gibt militärische Ziele in den besetzten Gebieten und auch in Russland, von wo aus die Russen ihre Raketen auf die Ukraine abfeuern. Mit anderen Waffen als dem Taurus könnten wir diese Ziele nicht erreichen. Wir führen einen Verteidigungskrieg. Wenn jemand hinter deinem Zaun steht und mit Steinen deine Fenster zerstört, wäre es doch besser, den Steinewerfer hinter deinem Zaun zu vertreiben.
Hat sich der Blick der Deutschen auf die Rüstungsindustrie gewandelt?
Ja, ich sehe eine Kehrtwende in Deutschland. Die Rüstungsindustrie gilt nicht mehr als jemand, der nur aus Gier etwas tut. Richtig begreift man das erst an dem Tag, an dem du Waffen bräuchtest, um deine Familie zu schützen.
Können die europäischen Rüstungshersteller überhaupt schnell aufrüsten?
Dafür muss die Politik sorgen, indem sie sagt, was produziert werden muss. Nicht hunderte verschiedene Panzerarten, sondern man muss sich einigen. Diese Unternehmen sind die besten hier, darauf konzentrieren wir uns. Das ist auch für deutsche Unternehmen wichtig, zum Beispiel Diehl Defence mit dem Flugabwehrsystem IRIS-T. Und was Drohnen angeht, hat das bayerische Unternehmen Quantum Systems sogar noch vor Berlin ein Büro in Kiew eröffnet und die Produktion in der Ukraine gestartet.
Die nächste Bundesregierung wird den Wählern erklären müssen, dass es für Rüstung kein Limit gibt, bei anderen Dingen, etwa Soziales, schon.
Dass im Wahlkampf einige versucht haben, Waffenlieferungen an die Ukraine gegen Sozialpakete und Renten auszuspielen, dafür habe ich kein Verständnis. Ohne Sicherheit ist alles andere nichts. Deshalb braucht es eine klare Vorstellung, wie man sich verteidigt, aber auch, wie man in die Infrastruktur investiert. Ich hoffe, dass der Deutsche Bundestag diesen wichtigen Schritt geht, um über ein Sondervermögen oder eine Reform der Schuldenbremse weitere Unterstützung für die Ukraine auf den Weg zu bringen. Ich bin mir sicher, dass die richtige Entscheidung fallen wird.