INTERVIEW

Zwischen Müdigkeit und Hochgefühlen

von Redaktion

Psychiater Peter Falkai erklärt, was der Frühling psychologisch und hormonell im Körper auslöst

München – Ob Frühlingsgefühle oder Frühjahrsmüdigkeit – dass Sonnenlicht und steigende Temperaturen sich auf Körper und Geist auswirken, kann fast jeder bestätigen. Was die psychologischen und hormonellen Ursachen dafür sind und wie man am besten damit umgeht, erklärt Professor Peter Falkai, Klinikdirektor der Psychiatrie und Psychotherapie am LMU Klinikum.

Woher kommen sogenannte Frühlingsgefühle?

Wenn es heller und wärmer wird, ist das evolutionär gesehen ein wichtiger Stimulus. Im Winter führen das Grau, die Kälte und das Frösteln zu einem durchgehend niedrigeren Blutdruck und einer schlechteren Durchblutung der Haut – es ist alles heruntergefahren. Dass die Gefühle bei mehr Wärme und Licht hochgefahren werden, geht auf eine Hochregulation der Hormone zurück. Außerdem gibt es psychologisch gesehen Schemata in den Köpfen der Menschen. Rausgehen, grüne Bäume, Wärme, Sonne – das sind alles positive Signale, die die Stimmung verbessern und die Lust auf soziale Kontakte steigern.

Einige Menschen klagen jedoch über Frühjahrsmüdigkeit. Gibt es dafür ebenfalls eine psychologische Erklärung?

Wenn im Frühjahr alles hochgefahren wird, wird gleichzeitig auch alles schneller. Im Winter bewegen sich die Leute nicht so viel und gehen auch weniger raus. Im Frühling ist plötzlich mehr los, man bewegt sich mehr, man redet mehr, es gibt mehr Informationen, die auf einen einprallen. Viele sind davon überwältigt. Das System muss sich erst aus einer Art Winterschlaf hochfahren und das dauert etwas.

Was ist das beste Mittel gegen die Müdigkeit?

Am besten ist es, mit Leuten, die man mag, spazieren zu gehen. Dann hat man Licht, frische Luft und – ganz wichtig – soziale Kontakte. So bekommt man mehr Energie.

Für Menschen mit psychischen Erkrankungen ist das Frühjahr häufig eine schwierige Zeit. Woran liegt das?

Zum einen ist es das Meer an Informationen, mit dem die Menschen im Frühling konfrontiert sind. Zum anderen fällt es im Winter auch nicht so stark auf, wenn zum Beispiel eine Depression beginnt. Da sitzen die Leute eher zu Hause. Im Frühling heißt es dann auf einmal, sie müssen das schöne Wetter nutzen und an der frischen Luft etwas unternehmen. Da merken viele erst: „Allen geht es gut, nur mir nicht.“ Das ist der Grund, warum Frühjahr und auch Herbst oft Gewitterecken für psychisch kranke Personen sind. Sie werden nämlich stärker gefordert und bemerken dabei, dass etwas nicht stimmt. Einige Menschen entwickeln dadurch Ängste oder Schlafstörungen.

Welche Verhaltensweisen empfehlen Sie, um gut in den Frühling zu starten?

Ich sage immer, das, was protektiv wirkt, sind vier Dinge: soziale Kontakte, mindestens 15 Minuten Bewegung pro Tag, acht Stunden Schlaf und gesunde Ernährung. Wer diese vier Säulen beachtet, kommt gut ins Frühjahr rein.

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