Frankfurt/Main – Die deutschen und europäischen Behörden haben aus dem Germanwings-Vorfall einige Schlüsse gezogen und Vorschriften geändert. Frank Blanken, Sprecher der Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit (VC), findet das letztlich sinnvoll: „Jedes System kann mit einer gewissen negativen Energie ausgehebelt werden. Ein zweiter Fall Lubitz ist so aber aus meiner Sicht sehr unwahrscheinlich. Es bleibt unser Ziel, zusammen mit allen Beteiligten das System so sicher wie nur möglich zu machen“, sagte er.
■ Neue Datenbank
Um zu verhindern, dass erkrankte Piloten immer wieder andere Ärzte konsultieren, um doch noch ein Tauglichkeitszeugnis zu erhalten, wurde im Sommer 2016 per Luftverkehrsgesetz eine flugmedizinische Datenbank eingerichtet. Später wurde sie dann auch europaweit eingeführt. In der Datenbank haben die vom Luftfahrtbundesamt beauftragten Fliegerärzte Zugriff auf die Daten der sich vorstellenden Pilotinnen und Piloten und können so zum Beispiel auch erkennen, bei wie vielen Ärzten der Pilot schon war.
■ Tauglichkeitszeugnisse
Die Lufthansa hat ihre internen Vorschriften zum Umgang mit den Flugtauglichkeitszeugnissen (Medicals) verschärft. Sie verlangt nun von erkrankten Piloten bereits nach drei Wochen Arbeitsunfähigkeit zwingend ein neues Tauglichkeitszeugnis, auch wenn dies eigentlich nach Ablauf der Krankschreibung nicht notwendig wäre.
■ Substanzkontrollen
Neu sind seit 2016 auch verdachtsunabhängige Kontrollen der Crews auf Alkohol, Drogen und Medikamente (ADM) unmittelbar vor Flugeinsätzen. Das Luftverkehrsgesetz verpflichtet die Airlines zur Durchführung entsprechender Stichproben unter ärztlicher Aufsicht. Das Luftfahrtbundesamt kontrolliert wiederum stichprobenartig, ob diese Kontrollen tatsächlich stattfinden. Seit 2020 gelten die Vorschriften europaweit. Für die jährlichen Tauglichkeitszeugnisse hat die europäische Luftsicherheitsbehörde EASA zusätzliche Fragen zur psychischen Gesundheit verfügt. Auf einen expliziten Test wurde wegen der Gefahr von Falschantworten verzichtet.
■ Hilfsprogramme
Das Freiwilligen-Programm „AntiSkid“ wurde für psychische Probleme geöffnet, nachdem es ursprünglich nur für Suchtprobleme gedacht war. Nach Angaben des klinischen Psychologen Gerhard Bühringer werden jährlich bis zu 120 Piloten behandelt. Die Erfolgsquote mit wiedererlangter voller Flugtauglichkeit beziffert er auf etwa 90 Prozent.
■ Keine 2-Personen-Regel
Ziemlich schnell nach dem Absturz verfügte die EASA, dass zu jedem Zeitpunkt eines Fluges zwei Personen im Cockpit sein müssen. Wegen zusätzlicher Risiken, wenn die gepanzerte Tür häufiger geöffnet wird, wurde die Regel im Einvernehmen mit dem Bund wieder aufgehoben.
■ Schweigepflicht bleibt
Die Schweigepflicht der deutschen Fliegerärzte blieb unangetastet. Die Piloten bleiben verantwortlich für die eigene Flugtauglichkeit. Ohne vorliegendes Tauglichkeitszeugnis gebe es keinen Flugeinsatz, versichert die Lufthansa. Dies schützt allerdings nicht vor falschen Angaben von Betroffenen bei den Untersuchungen.