INTERVIEW

„Wir sind abgehängt, andere waren schneller als wir“

von Redaktion

Orsted-Deutschland-Chef Jörg Kubitza über Offshore-Windkraft und die Position Deutschlands in diesem Markt

München – Der dänische Konzern Orsted ist Marktführer bei Offshore-Windkraft – und hat in Deutschland den ersten Park ohne Subventionen gebaut. Im Interview erklärt Deutschland-Chef Jörg Kubitza, wie das funktioniert hat und welche Rolle Offshore-Windkraft in der Welt spielt.

Orsted war ein reiner Fossil-Konzern, macht heute hauptsächlich Offshore-Wind. Weshalb die Kehrtwende?

Orsted hat 1972 begonnen, die Öl- und Gasressourcen um Dänemark zu nutzen – das klassische staatliche Energieunternehmen. Leider gab es eine Ölkrise und das Geschäft ist eingebrochen. Dann hat man überlegt: In welchen Anlageklassen kann man sich platzieren, um zu überleben und das Geschäft wieder profitabel zu machen. Und Orsted hat sich Offshore-Wind ausgesucht.

Warum?

Man hatte zwar ein bisschen Wind an Land, aber hat schnell gemerkt: Das ersetzt weder die Kohlekraftwerke, noch bringt es stabile Einnahmen, noch lastet es die Ingenieure aus. Gerade früher war Onshore-Wind extrem kleingliedrig. Und weil man relevant bleiben wollte, hat man auf große Offshore-Parks gesetzt. Erst in Großbritannien und Dänemark, dann in den Niederlanden und Deutschland und jetzt global. Außerdem hat man gesagt, dass das Fossil-Geschäft gar nicht zu den Klimazielen passt. Dänemark, unser größter Gesellschafter, ist da Vorreiter.

„Borkum Riffgrund 3“ läuft zukünftig ohne Subventionierung. Wie kam es dazu?

In Deutschland gab es eine Einspeisevergütung. Die sollte den Hochlauf der neuen Technologie ermöglichen und es Herstellern wie Siemens ermöglichen, ihre Anlagen zu verkaufen. Anders wäre das nicht gegangen, niemand trägt das Technologie-Risiko einer neuen Anlageklasse. Wir haben uns dann 2017 entschieden: Wir schaffen das ohne Subventionen. Und wir müssen es auch ohne schaffen, wenn wir als Anlageklasse ernst genommen werden wollen.

Wie funktioniert das?

Wir haben frühzeitig mit großen Unternehmen wie BASF und Covestro gesprochen. Wir haben gesagt: Ihr habt Dekarbonisierungsziele, wir haben Grünstrom. Dann haben wir mit diesen Firmen langfristige Abnahmeverträge gemacht und damit den Bau finanziert. Das klingt trivial, ist es aber nicht, weil das davor noch niemand gemacht hat. Inzwischen funktioniert die Welt nur noch so. Ich finde das auch richtig. Der Staat darf Strom nicht subventionieren müssen, zumindest nicht an der falschen Stelle.

Deutschland gilt bei der Energiewende oft als Alleingänger. Stimmt das bei Offshore-Wind?

Schauen wir nach Großbritannien, wo man Erneuerbare lange nicht wollte. Die haben auf das AKW „Hinkley Point“ gesetzt, und auf Kohle und Gas, weil sie heimische Förderung haben. Und dann haben die Briten, von denen man es nicht erwartet hätte, auf einmal in großem Maßstab Windparks gebaut. Wer Angelsachsen kennt, weiß, die würden das nicht tun, wenn es sich nicht lohnt. Heute haben sie grünen Strom und lokale Wertschöpfung. Die Akzeptanz in der Bevölkerung ist fantastisch. Großbritannien ist Weltmarktführer.

Wie ging das?

Zum einen haben sie Differenzverträge angeboten: Liegt der Börsenstrompreis unter dem vereinbarten Niveau, zahlt der Staat die Differenz, liegt er darüber, geben wir die Mehrgewinne ab – eine sehr auskömmliche Finanzierung für Großkraftwerke. Dann haben die Briten gesagt, die heimische Industrie muss profitieren. Die hat eine eigene Blattfertigung, Turmfertigung, Kabelfertigung und Betriebshäfen bekommen. Das war sehr schlau, weil das gut bezahlte Arbeitsplätze sind. Auch Joe Bidens Inflation Reduction Act, mit dem die Windparks gefördert werden, ist an tarifgebundene Jobs geknüpft. Briten und Franzosen haben das schon vor zehn Jahren so gemacht. In Deutschland ist das nicht so, da beginnt man jetzt erst darüber zu diskutieren. Sie schaffen aber nur Akzeptanz, wenn alle an der Wertschöpfung teilhaben.

Und was macht der Rest der Welt?

Die USA bauen Offshore-Wind, weil die Bundesstaaten eigene Klimaschutzziele haben. China baut, weil die Industrie vor allem an der Küste sitzt. Australien hat riesige Landflächen, baut jetzt aber auch Offshore-Wind, weil der Strom öfter am Netz verfügbar ist. Auch kleine Länder wie Dänemark oder die Niederlande haben stark ausgebaut. Jetzt kann man sagen: Deutschland als Industrieland bräuchte den Strom dringender. Korrekt, haben wir aber nicht gemacht. Wir sind abgehängt, andere waren schneller als wir.

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