Bayern, die Waffenschmiede der Republik

von Redaktion

Ein Multifunktionsradar von Hensoldt, gezeigt bei der Internationalen Luft- und Raumfahrtausstellung Berlin. © IMAGO

Der Eurofighter Typhoon kurz vor dem Abheben in Manching. Airbus baut an dem Kampfjet mit. © imago stock&people

München – Die Ankündigung von US-Präsident Trump für den künftigen Boeing-Kampfjet F47 hatte es in sich. Man werde Verbündeten nur eine um zehn Prozent weniger leistungsfähige Version anbieten. „Vielleicht werden sie ja eines Tages keine Verbündeten mehr sein.“ Die Äußerung zeigt den Weg auf: Europa will in Rüstungsfragen unabhängiger von den USA werden. Zum atomaren Schutzschirm im Rahmen der Nato gibt es keine angemessene Alternative. Auch viel Rüstungs-Elektronik ist amerikanischen Ursprungs. Können die Europäer also überhaupt unabhängiger werden?

In vielen Bereichen schon – wenn sie es richtig anstellen. Eurofighter und Rafale sind erstklassige Kampfflugzeuge, deutsche U-Boote für viele Länder die erste Wahl. Und der nicht mehr ganz taufrische Leopard 2 ist offensichtlich in der Welt der Kampfpanzer nach wie vor das Maß der Dinge. Ringen sich die europäischen Staaten dazu durch, Milliarden in das Projekt FCAS (Future Combat Air System – künftiges Luftkampfsystem) zu investieren, könnte das Ergebnis konkurrenzfähig sein. Auch FCAS soll von Drohnenschwärmen begleitet werden. Und künftige Bodenkampfsysteme sollen teilweise mit unbemannten Begleitern agieren. Bisher mangelt es einfach an Geld. Das Silicon Valley ist auch die Folge von Milliarden-Investitionen des Pentagon in Hightech.

Von der Militarisierung des Weltraums hat Europa im Gegensatz zu den Supermächten die Finger gelassen. Will Europa hier aufholen, ist deutlich mehr Mut zum Risiko erforderlich. Viele Start-ups hängen noch auf Gedeih und Verderb an amerikanischen Geldgebern. Künstliche Intelligenz und Drohnentechnologie sind Bereiche, wo Start-ups gute Chancen haben, sich zu etablieren. Auch für die deutsche Krisenbranche der Autozulieferer liegt Hoffnung in der Lieferkette für Militärprodukte.

Blickt man auf die klassische Rüstungsindustrie, sitzt sie zu einem großen Teil in Bayern. Hierher könnten also bald viele neue Milliarden aus dem Bundesverteidigungsetat fließen.

Airbus, der größte europäische Rüstungskonzern, ist gleich mehrfach für das Militär unterwegs: Die Hubschraubersparte, mit 20 000 Mitarbeitern und wichtigen Standorten in Marignane bei Marseille und in Donauwörth, stellt nicht nur spezifische Drehflügler für militärische Zwecke her, sondern auch vergleichsweise günstige Militärvarianten ihrer zivilen Erfolgsmodelle H135 und H145 oder auch des H225 Super Puma. Die eigentliche Militärsparte des Europäischen Konzerns ist schwerpunktmäßig eine deutsche Angelegenheit. Die sonst dominierenden Franzosen sind beim Eurofighter Typhoon nicht beteiligt. Sie gehen mit der Rafale von Dassault eigene Wege. Allerdings will die Politik für die Entwicklung des FCAS möglichst alle Kapazitäten bündeln.

KNDS ist der deutsche Ableger des deutsch-französischen Zusammenschlusses aus Krauss Maffei Wegmann und Nexter mit über 9000 Mitarbeitern. Das Unternehmen mit der Panzerproduktion in München ist derzeit der einzige aktive Kampfpanzerbauer in der westlichen Welt. Der Leopard wird gemeinsam mit Rheinmetall gebaut. Doch der Düsseldorfer Rüstungskonzern könnte künftig eigene Wege gehen, sodass sich zwei Konsortien bei den Panzern der nächsten Generation gegenüberstehen. Der Leopard ist weltweit begehrt und es dürfte schwer werden, zusätzliche Aufträge abzuwickeln. Nadelöhr ist die begrenzte Anzahl an Schweißern, die in der Lage sind, zentimeterdicke Platten sicher zu verbinden. Die Gehälter übertreffen teilweise die von Ingenieuren. Inwieweit Roboter wirtschaftlich einsetzbar sind, muss sich zeigen.

MTU mit Hauptsitz in München und über 12 000 Mitarbeitern ist Triebwerksbauer. Sein Hauptgeschäft sind die mit dem US-Hersteller Pratt & Whitney entwickelten hocheffizienten Triebwerke unter anderem für die kleinen Airbus-Reihen. Das Militärgeschäft ist vergleichsweise bescheiden. Doch ist MTU maßgeblich an rein europäischen Konsortien für die Triebwerke des Eurofighter Typhoon und den Militär-Airbus A400M beteiligt. Vor allem die Entwicklung der Turboprop-Triebwerke für den Transporter war für jahrelange Verzögerungen und Fehlschläge verantwortlich. Schließlich mussten die Hersteller bei der Entwicklung praktisch bei null anfangen. Doch langfristig könnte es sich auszahlen, nicht auf ein US-Triebwerk von der Stange gesetzt zu haben. Immerhin handelt es sich beim TP 400 um das weltweit größte derzeit noch gebaute Turboprop-Triebwerk der Welt. Nicht mehr zum Münchner Triebwerkskonzern gehört der gleichnamige Friedrichshafener Motorenbauer, der inzwischen Teil von Rolls-Royce ist. Er liefert auch die Motoren für den Leopard 2.

Renk,die frühere Ertragsperle des MAN-Konzerns, der in den Nebenwerte-Index M-Dax aufgestiegen ist, gilt in erster Linie als Lieferant für Panzergetriebe. Das Unternehmen mit Hauptsitz in Augsburg und über 3700 Mitarbeitern liefert aber Getriebe auch für viele Arten von Kraftwerken sowie Schiffen und mit einem Standort in den USA auch Motoren für US-Militärfahrzeuge.

MBDA hat seine deutsche Zentrale etwas versteckt in einem Wald bei Schrobenhausen. Das Gemeinschaftsunternehmen europäischer Partner ist auf Lenkflugkörper spezialisiert. Es könnte eine Schlüsselrolle bei der Abwehr von Hyperschallwaffen spielen. Denn zum Unternehmen gehört die ehemalige MBB- und Dasa-Tochter Bayern Chemie, die bereits seit den 1980er-Jahren mit Staustrahltriebwerken experimentiert, die als Schlüsseltechnologie für die Entwicklung von Hyperschallwaffen gelten. Die derzeit als Hyperschallwaffen firmierenden russischen Raketen verfügen nicht über diese Technik.

Diehl, ein Nürnberger Familienunternehmen mit 16 000 Mitarbeitern, ist ein Mischkonzern mit einer starken Verteidigungssparte. Diese fertigt Lenkflugkörper, unter anderem als Lizenzprodukt US-amerikanische Sidewinder-Raketen. Als Nachfolge-System wurde IRIS-T entwickelt, das erfolgreich in der Ukraine im Einsatz ist. Auch Diehl arbeitet an der Abwehr von Hyperschallbedrohungen.

Hensoldt in Taufkirchen war eine Ausgründung von Airbus Defence. Seine Spezialität sind Radar, Zielerkennungssysteme, Avionik. In der Ukraine ist besonders das Radar-System für IRIS-T von Bedeutung. Hensoldt ist im M-Dax notiert und hat 6000 Mitarbeiter.

Die meisten dieser Unternehmen werden in den kommenden Jahren stark von Rüstungsaufträgen profitieren und wohl weiter wachsen. Ob der Arbeitsplatzaufbau überwiegend in Deutschland geschieht, ist allerdings fraglich. Denn die meisten investieren in Produktions- und Wartungsbetriebe in Osteuropa, wozu künftig auch die Ukraine gehören wird. Der Ausbildungsstand der Beschäftigten dort ist gut, die Kosten verglichen mit Westeuropa sind niedrig.