INTERVIEW

„Es trifft den Kern der Jobs in Bayern“

von Redaktion

vbw-Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt über die Folgen der Zollentscheidung

Und Deutschland? 2024 lagen die Exporte in die USA bei 160,4 Milliarden US-Dollar, die Importe bei 75,6 Mrd.

Trumps mysteriöse Tabelle: Weiß hinterlegt die Zölle, die andere Länder nach Berechnungen der Trump-Regierung angeblich auf US-Produkte erheben, daneben in Gelb die Gegenzölle, die die USA künftig erheben. © Mark Schiefelbein/dpa

München – Donald Trumps Zollpläne treffen die bayerische Wirtschaft hart. Die USA sind im vergangenen Jahr das Top-Exportland für die Wirtschaft im Freistaat gewesen. Im Interview spricht Bertram Brossardt, Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw), über mögliche Folgen.

Hat Trumps Ankündigung Ihre schlimmsten Befürchtungen noch übertroffen?

Nein. Auf den Punkt vorhersagen konnte man es nicht, aber dass es in diese Richtung gehen würde, war eigentlich klar.

Wie hart treffen die Zölle die bayerische Wirtschaft?

In die USA gehen 12,8 Prozent aller unserer Exporte. Diese Zölle sind so ausgerichtet, dass sie den Kern der Beschäftigung in Bayern betreffen. Wir haben das schon bei der Automobilindustrie und der Zulieferindustrie gesehen mit den 25 Prozent. Verschärft hat es sich noch, weil die Zuliefererstrukturen über Kanada und Mexiko noch mal deutlicher betroffen sind. Es richtet sich aber auch gegen alle anderen Sparten: Pharma, EDV-Geräte, Elektronik, Luftfahrzeuge und -teile, der ganze Maschinenbau. Das sind alles Kernbranchen der bayerischen Industrie. Insofern ist der Bombeneinschlag sehr intensiv.

Die USA sind bisher das Top-Exportland Bayerns.

Der Export lag im vergangenen Jahr bei 28,886 Milliarden Euro. Die Importe betrugen 12,759 Milliarden. Über dieses Volumen reden wir.

Solche Zahlen wertet Trump als Beleg, wie sehr die USA benachteiligt würden.

Von Ungleichgewicht zu reden und sich auf die industriellen Güter zu fokussieren, ist deutlich zu kurz gegriffen. Man muss auch den ganzen Dienstleistungsbereich sehen, in dem die Amerikaner sehr stark sind. Der wird hier gar nicht erfasst. Da sind sie umgekehrt sicherlich auch angreifbar durch Zölle in der EU. Aber aus unserer Sicht, sowohl bayerisch als auch bundesweit, wäre das Ziel: Freihandel, Freihandel und noch einmal Freihandel. Man kann die eigenen Werkzeuge zur Abschreckung schon mal zeigen, aber hier geht es jetzt um eine politische Aufgabe für die EU und besonders die Leitnation Deutschland. Der künftige Bundeskanzler muss das Verhältnis zu Washington wieder besser gestalten.

Ausgerechnet jetzt befindet sich die Bundespolitik im Schwebezustand.

Bei den Koalitionsverhandlungen muss man zur Kenntnis nehmen, dass wir in unserer industriellen Basis bedroht sind. Die Frage, wie man den Unternehmen hilft oder ob man sie belastet, rückt noch mal in einen ganz anderen Blickwinkel. In Bayern ist das Bruttoinlandsprodukt im vergangenen Jahr um ein Prozent zurückgegangen. Da liegen wir bundesweit ganz weit oben. Man sieht, dass Bayern etwas mehr unter Druck steht, weil wir beim Export stark sind. Bei denen, die in Berlin auch bayerische Interessen zu vertreten haben, muss die Sensibilität jetzt noch einmal größer sein.

Lässt sich seriös abschätzen, wie viele Arbeitsplätze in Bayern gefährdet sein könnten?

Nein. Wir reden hier über Zölle, aber die gelten auch für Mitbewerber. Japan oder in der Halbleiterindustrienation Taiwan. Das lässt sich an dem Punkt nicht abschätzen. Es gibt Prognosen, dass die Zölle uns insgesamt im Bruttoinlandsprodukt um ein Prozent nach unten drücken. Am Anfang hatten wir zwischen 0,5 und einem Prozent erwartet, aber nach den Maßnahmen, die sich jetzt abzeichnen, können wir schon von einem Prozent ausgehen.

Welche Konsequenzen hat Trumps Entscheidung für Bayerns Automobilindustrie?

Die bayerischen Autohersteller bewegen sich – ohne den US-Herstellern zu nahe zu treten – in einem Segment, wo sie sich mehr als wacker schlagen. Da haben wir wenig Konkurrenz. Wir hätten nur eine, wenn Japan gar nichts oder weniger zahlen müsste. Aber da das in etwa ausgeglichen ist, wird unsere relative Wettbewerbsfähigkeit an dem Punkt nicht leiden.

Wie schwer treffen die Zölle kleinere und mittlere Unternehmen, die Einbußen in den USA nicht so einfach auffangen könnten?

Da beginnt die Abwägung schon an einer anderen Stelle: bei den Energiekosten. Wo ich dann investiere, da sind viele Unternehmen gerade am nachdenken. Logischerweise müssen sie jetzt umso mehr die Kosten aufgrund höherer Zölle berücksichtigen. Das wird meiner Ansicht nach dazu führen, dass zunächst einmal die Entscheidung über Investitionen aufgeschoben wird.

Haben Sie noch Hoffnung, dass am Ende in den Verhandlungen mit Washington alles nicht so schlimm wird?

Es wäre die schlechteste Reaktion, jetzt die Hoffnung zu verlieren. Auch der schlechteste Zeitpunkt. Das, was da steht, ist nicht in Stein gemeißelt. Das ist eine Grundidee, die Präsident Trump hat, die passt er immer mal wieder an. Die Frage ist jetzt, wie man das Verhältnis gestaltet und wie man sein eigenes Arsenal in Stellung bringt. Das sollte aber alles zügig gemacht werden, weil es die Stimmung belastet. Und ohne gute Stimmung kriegen wir den Konsum nicht hoch und auch nicht die Investitionen.

Wie könnte ein Deal aussehen? Wo könnte man sich annähern?

Ein Beispiel wäre die Beschaffung beim Thema LNG. Es wäre gut, wenn wir da ein bisschen mehr auf Flüssiggas aus Amerika setzen würden. Brauchen tun wir es eh. Es könnte sich also lohnen, Trump zu signalisieren, dass er auch berechtigte Interessen hat.

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