INTERVIEW

Vom Schmied zum Ammersee-Kapitän

von Redaktion

Helmut Diller hat seinen Traumberuf gefunden – der immer an Ostern neu beginnt

Ein Bild von früher: Kapitän Helmut Diller fährt seit 35 Jahren auf dem Ammersee. © Bayer. Schlösserverwaltung

Im Winter arbeitet Diller auf der Werft, denn er kennt sich auch mit den Maschinen der Ammersee-Flotte aus. © S. Greiner

Endlich wieder Wasser unterm Kiel: Ammersee-Kapitän Helmut Diller freut sich auf den Saisonstart. © Hörhager/dpa

Helmut Diller (62) ist sozusagen Saisonarbeiter. Im Sommer ist er Kapitän auf dem Ammersee, im Winter macht er als Schmiedemeister die Schiffe in der Werft flott für die nächste Saison. An Ostern tauscht er den Blaumann wieder gegen seine Kapitänsuniform – heuer zum 36. Mal! Dann steht er wieder am Steuer eines der Ammersee-Schiffe und legt ab. Zeit, um über Stammgäste, Trauungen an Bord und Schwimmer zu ratschen.

Herr Diller, jetzt tauschen Sie den Blaumann wieder gegen die Kapitäns-Uniform. Freuen Sie sich auf den Saisonstart?

Und wie! Es wird wirklich Zeit, endlich wieder Wasser unter den Kiel zu bekommen. Ich freue mich auch auf die Gäste. Es gibt viele Stammgäste, die kommen bei der ersten Fahrt zu mir, um mich zu begrüßen. Das ist einfach schee. Auch mit Kindern an Bord ist es immer sehr nett.

Womit waren Sie denn in den kalten Monaten so beschäftigt?

Alles aus Metall, das ist an Bord meine Arbeit. Da geht es um ein verrostetes Abgasrohr, das ausgetauscht werden muss, ebenso wie um eine komplette Küche für die RMS Herrsching, die ganz neu gemacht wird. Das RMS steht übrigens für Radmotorschiff. Wenn die Boote mal so 20, 30 Jahre alt sind, dann sind einfach die ersten Umbau- und Modernisierungsarbeiten fällig. Nach einigen Probefahrten ohne Gäste, um zu sehen, ob alles passt, sind wir nun bereit für die Saison! Aber im Herbst denken wir uns: Ach, jetzt wird es auch wieder schön, an Land zu sein.

War Schiffskapitän schon Ihr Berufswunsch als Bub?

Überhaupt nicht. Gelernt habe ich Schmied und anschließend meinen Meister gemacht. Dann bin ich mehr durch Zufall zur Schifffahrt an den Ammersee gekommen. Im Schiffsbau ist es ja sehr hilfreich, wenn man sich mit Metallbau auskennt. An Bord habe ich erst als Matrose und Kassierer angefangen, dann meine Bootsführerscheine absolviert und darf seitdem Arbeitsschiffe und Fahrgastschiffe auf bayerischen Binnengewässern steuern. Auf hohe See hat es mich übrigens nie gezogen, aber im Urlaub bin ich ganz gern mal mit Ausflugsschiffen oder auf Fähren unterwegs.

Gehen Sie dann zum Kollegen, um ein bisschen fachzusimpeln?

Ich brauche nicht mal ins Steuerhaus zu gehen, ich weiß auch so, was der Kapitän macht. Ich höre das ja zum Teil.

Welche Herausforderungen gibt es auf dem Ammersee?

Der Ammersee ist meist sehr friedlich, kann aber auch richtig ungemütlich werden. Wenn plötzlich ein Gewitter aufzieht und das Wasser in Herrsching am Dampfersteg an der Mauer beim Seehof drei Meter senkrecht in die Höhe schießt, wird es interessant. Denn dann haben wir Wellen von einem Meter auf dem See.

Aber dann fahren Sie nicht, da werden ja alle Passagiere seekrank!

Doch, wir fahren schon, aber manchmal warten wir eine halbe Stunde, bis das Unwetter durch ist, einfach, weil es sonst für die Passagiere beim Ein- und Aussteigen am Steg zu gefährlich wäre. Wer leicht seekrank wird, dem empfehle ich die südliche Rundfahrt mit der Herrsching. Dieses Schiff bewegt sich auch bei einem mittleren Wellengang eigentlich so gut wie gar nicht seitlich.

Fahren sich die RMS Herrsching und RMS Diessen wegen ihrer Schaufelräder anders?

Durch den seitlichen Antrieb fahren sie sich eher wie ein Panzer. Die Schrauben- bzw. Motorschiffe, also die MS Augsburg und die MS Utting, haben den Antrieb ja ganz hinten, daher ist das Kurvenfahren, Bremsen und Anfahren schon sehr unterschiedlich.

Haben Sie ein Lieblingsschiff?

Die alte Diessen, die ist einfach für den Kapitän am gemütlichsten. Wenn man behutsam mit ihr umgeht, dann macht sie alles. Man kann nicht erwarten, dass sie sich auf der Stelle in einer Minute um 180 Grad dreht. Sie braucht eben Zeit, ist ja auch schon eine ältere Dame. Gibt man ihr drei Minuten, dann hat sie das auch geschafft.

Gibt es einen Steg, den Sie gar nicht gerne anfahren?

Breitbrunn an einem sonnigen Sonntag, wenn viele Badende im Wasser sind. Es gibt Schwimmer, die noch schnell am Schiff vorbeischwimmen wollen – oder es berühren. Wenn ich dann runter rufe „Warum machst du das?“, kommt zur Antwort: Ich wollte nur einmal das Schiff von unten berühren. So was erleben wir.

Wer hat Vorfahrt auf dem See?

Wir haben Vorfahrt, nur Booten mit Blaulicht und der Wasserwacht gegenüber sind wir ausweichpflichtig. Der Rest muss uns ausweichen. Das ist auch mit einer orangenen Flagge am Bug gekennzeichnet.

Ich könnte mir vorstellen, dass viele, die sich zum Beispiel ein Elektroboot ausleihen, das Signal gar nicht kennen …

Das sollte der Bootsverleiher schon sagen. Allein wegen unserer Größe sollte man uns möglichst nicht in die Quere kommen. Aber es gibt tatsächlich Leute, die fahren extra nah an uns hin. Es gibt sogar Mutproben. Das ist natürlich richtig gemein, denn wir haben ja eine große Verantwortung für unser Schiff und die Gäste. Wenn man von der Überfahrt von Utting nach Herrsching fünf Mal bremsen muss, weil da ein Surfer ist, dort ein Segler – und alle meinen, ich weiche schon aus. Manchmal rufe ich einen Kollegen, wenn es mir zu wuselig wird, dass der mitschaut. Schließlich haben wir einen Bremsweg von 250 Metern!

Wie schnell fahren Sie denn?

Unterwegs sind wir mit maximal 21 Stundenkilometern. Darauf sind die Schiffe eingestellt. Aber wenn die RMS Herrsching jetzt aus dem Trockendock kommt, kann es schon sein, dass sie vielleicht Tempo 22 läuft.

Warum?

Weil der komplette Rumpf wieder picobello sauber ist. Sie hat einfach weniger Widerstand, wenn der Bewuchs von Algen und Muscheln entfernt ist.

Hatten Sie schon einmal einen Unfall?

Vor vielen Jahren, da war ich als Kassierer an Bord. Ein Surfer ist in uns reingefahren. Da gab es noch keine Handys und die Alarmierung der Rettung war schwieriger. Aber wir haben das alles hingekriegt.

Mussten Sie schon mal gerettet werden?

Mich musste mal einer abholen. In den ersten Jahren war die Herrsching so ein Kandidat, sie hatte häufiger Maschinenausfall. Mittlerweile ist die Hydraulik komplett erneuert und das Problem gibt es nicht mehr.

Auf der RMS Diessen kann man heiraten, aber Sie selbst dürfen nicht trauen, oder?

Das ist Kapitänen nur auf hoher See mit einer bestimmten Entfernung zum Festland erlaubt. Bei uns traut eine Standesbeamtin, das Schiff ist am Steg vertäut. Aber das Hochzeitspaar wünscht sich oft, dass der Kapitän in die Zeremonie einbezogen wird. Dann halte ich zum Beispiel die Ringe. Ich hatte ein Paar, das hat vor 25 Jahren auf meinem Schiff geheiratet – und zur Silberhochzeit haben sie bei uns wieder gefeiert. Hochzeiten sind schon immer etwas ganz Besonderes.

Haben Sie eigentlich ein großes Steuerrad?

Nur zum Teil, bei manchen Schiffen wie der Augsburg oder der Utting ist es so ein Hebelchen. Am liebsten habe ich natürlich das Steuerrad fest im Griff.

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