Abschied vom Papst: „Grazie Francecso“

von Redaktion

Joe und Jill Biden am Samstag am Petersdom. © API (2)

Auch da: Wikileaks-Gründer Julian Assange mit Familie.

Auf dem Weg zum Grab: Die Menschen drängten am Sonntag in die Basilika Santa Maria Maggiore, um die letzte Ruhestätte von Franziskus zu besuchen. Es ist ein schlichtes Grab, auf der Platte lag gestern eine weiße Rose. © Christoph Reichwein/dpa

Sargträger bringen Papst Franziskus in die Basilika Santa Maria Maggiore zur letzten Ruhe. © Antonietta Baldassarre/dpa

Eine Berührung zum Abschied: Auch in seiner Heimatstadt Buenos Aires feierten die Menschen am Samstag Franziskus. © dpa

Alle Wege führen nach Rom: Zehntausende strömten am Samstag zur Trauerfeier auf den Petersplatz. Menschenmassen säumten anschließend die Straßen, auf denen der Sarg in die Basilika Santa Maria Maggiore überführt wurde. © epd

Rom – Die Fahrt im Papamobil vom Petersdom durch die Stadt, vorbei am Kolosseum und an zehntausenden von winkenden Zaungästen, war das letzte Mal, dass der Papst seine sprichwörtliche Nähe zu den Menschen zeigen konnte. Franziskus hat Abschied von der Welt genommen, und die Menschen haben ihm mit einem großen Beweis ihrer Zuneigung „addio“ gesagt. Sie werfen Blumen auf den Weg und rufen „Grazie Francesco!“

Prozession durch das antike Rom

Die „Prozession“ vom Vatikan zu Franziskus‘ Lieblingskirche im Bahnhofsviertel ist nur eines von vielen Symbolen in der eindrucksvollen Trauerfeier, die 250 000 Menschen auf dem Petersplatz, zigtausende an den Straßen, Millionen an Bildschirmen und Vertreter von über 150 Staaten bei strahlendem Sonnenschein bewegt verfolgen. Das Papstbegräbnis ist auch ein weltpolitisches Gipfeltreffen. US-Präsident Donald Trump, der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, aber auch die Präsidenten von Brasilien, Polen, Deutschland und Franziskus‘ Heimatland Argentinien sind vor dem Petersdom versammelt. Der ehrwürdige Kardinaldekan Giovanni Battista Re (91) hält eine eindrucksvolle Predigt, in der er mit sehr persönlichen Worten das Pontifikat von Franziskus würdigt. „Er war ein Papst, der mitten unter den Menschen war und für alle ein offenes Herz hatte“, sagt er vor dem Holzsarg, auf dem ein Evangelienbuch liegt. Hin und wieder blättert der Wind wie von Geisterhand die Seiten um.

Papst Franziskus wollte eine schlichte Feier. Doch die Wucht der Bilder, die vom Petersplatz in alle Welt ausgestrahlt werden, zeigen den ganzen Reichtum der katholischen Weltkirche: optisch und liturgisch. Links von der Altarinsel die 220 Kardinäle in ihren roten Gewändern (darunter auch der Münchner Erzbischof Reinhard Marx), rechts die fast durchweg in Schwarz gekleideten Trauergäste aus Politik und Gesellschaft. Nur US-Präsident Trump fällt einmal mehr aus der Rolle: Sein blauer Anzug entspricht keineswegs der Kleiderordnung.

Tausende Priester in weißen Gewändern mit roten Stolen vermitteln den Eindruck einer starken Gemeinschaft. An ihre Reihen schließen sich auf dem Petersplatz die zahllosen Gläubigen aus aller Herren Länder an. Auffallend viele junge Menschen sind darunter. Gerade sie haben den unkonventionellen Papst geliebt. Diesen Franziskus, der schon mal aus dem Vatikan verschwand, um persönlich zum Optiker zu gehen, der seine Aktentasche selber trug und nicht im Apostolischen Palast leben wollte. Der bei jeder Gelegenheit die Ungerechtigkeiten in der Welt und die Ausbeutung des Planeten angeprangert hatte.

Nicht nur am Tag der Trauerfeier zieht der tote Papst die Massen an: Bis am Freitagabend der offene Sarg mit dem Leichnam des Papstes geschlossen wurde, sind 250 000 Menschen in den Petersdom gekommen, um einen letzten Blick auf Franziskus zu werfen.

Applaus für den volksnahen Papst

Die Trauergemeinde auf dem Petersplatz applaudiert, als Kardinal Re an die erste Reise von Franziskus nach seiner Wahl 2013 erinnert. Sie führte zur Insel Lampedusa, wo tausende Flüchtlinge im Meer ertrunken waren. Jorge Maria Bergoglio, so der Geburtsname des Papstes, stammte selber aus einer italienischen Migrantenfamilie. Beifall gibt es auch, als Re die Grundbotschaften des verstorbenen Papstes benennt: seine Bescheidenheit, die Volksnähe, seinen Kampf gegen Krieg und Waffen, sein Einsatz für die Rettung des bedrohten Planeten und seine angestoßenen Reformen in der Kirche.

Für Bischof Georg Bätzing, den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, ist mit dieser Predigt ein Zeichen für das bevorstehende Konklave gesetzt worden. Und er hofft auch, „dass so mancher Politiker diese Worte genau gehört hat“. Damit meint er wohl vor allem die von Kardinal Re zitierte Aufforderung des Papstes, Brücken zu bauen und keine Mauern zu errichten. Ob Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni, US-Präsident Trump, Argentiniens ultraliberaler Präsident Milei oder Ungarns Präsident Viktor Orban sich angesprochen gefühlt haben? Vor seiner Wahl zum Präsidenten hatte Milei den Papst noch als „linken Hurensohn“ beschimpft.

Der Münchner Kardinal Reinhard Marx zeigt sich wenige Stunden nach der Beerdigung sichtbar bewegt vom Tod des Papstes. Er habe an Franziskus stets dessen Offenheit geschätzt. „Wir waren nicht immer einer Meinung, aber ich konnte meine Meinung immer sagen.“ Am beeindruckendsten sei gewesen, wie Franziskus mit Gesten wie den Fußwaschungen im Gefängnis „starke Zeichen gesetzt hat: Das ist Christentum“. Marx erhofft sich einen neuen Papst mit einer mutigen, freien, glaubwürdigen und kommunikativen Persönlichkeit. Diese müsse tief im Glauben verwurzelt sein. So könne die Art des Pontifikats von Franziskus fortgesetzt werden, sagt Marx. „Ich hoffe, wir finden einen, der das auch kann: die ganze Menschheit in den Blick nehmen.“ Gerade weil es zunehmend normal werde, von Krieg zu reden, brauche es Stimmen, die dagegen sprechen. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier rühmt die Barmherzigkeit, die Spontaneität, den Humor und den tiefen Glauben des verstorbenen Papstes. „Die Ausgegrenzten durften seiner Sorge und Liebe sicher sein.“

Ergreifende Dramaturgie

Dass der Sarg von Franziskus nicht in einem schwarzen Leichenwagen, sondern im weißen Papamobil zur Basilika Santa Maria Maggiore gefahren wird, ist eine weitere Überraschung. Am Ostersonntag hatte sich der schwer kranke Papst darin noch über den Petersplatz fahren lassen. Am nächsten Morgen, dem Ostermontag, war er gestorben. Aber nicht die schwarze Trauer bleibt am Schluss, sondern mit dem weißen Fahrzeug die Farbe der Hoffnung.

Die Dramaturgie des Abschieds bewegt die Herzen der Menschen. Als der Sarg in die Marienbasilika getragen wird, halten die 14 Sargträger vor der Ikone der „Maria salus populi romani“. Vor diesem Marienbild hatte Franziskus vor und nach jeder Reise gebetet. Oder in schwierigen Situationen. Zuletzt war Franziskus in seine Lieblingskirche gefahren, nachdem er das Gemelli-Krankenhaus wegen seiner schweren Lungenentzündung hatte verlassen können. Eine Woche vor Ostern war das.

Die Träger drehen den Sarg in Richtung der Ikone und halten ihn ein wenig schräg, als würde Franziskus ein letztes Mal Auge in Auge mit dem Marienbild sein. Dann wird der Sarg in einer Seitennische unter Ausschluss der Öffentlichkeit bestattet. Auf seiner Grabplatte steht nur Franciscus. Nicht mehr und nicht weniger. Sein Name war Programm.

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