München – Ihre Zukunft ist nicht zum ersten Mal ungewiss. Als Saskia Esken ihr Studium in Politik und Germanistik abbricht, tourt sie mit ihrer Gitarre durch Süddeutschland, spielt auf der Straße Songs von Neil Young. Sie kellnert in Kneipen und liefert Pakete aus, um über die Runden zu kommen. Erst Jahre später engagiert sie sich in der Politik, wird mit 52 Jahren Bundestagsabgeordnete, und auch da läuft es nicht immer glatt. Immer wieder verpasst sie den Wiedereinzug. Der Rückschlag von Anfang dieser Woche dürfte also nicht ihr erster sein: Am Montagabend hat der Landesvorstand der SPD Baden-Württemberg sie nicht erneut für den Bundesvorstand der Partei nominiert.
Es ist inzwischen eine hitzige Debatte innerhalb der SPD: Wie mit Esken umgehen? Die Parteichefin ist bei vielen in den eigenen Reihen unbeliebt. So sehr, dass nicht mal mehr ihr eigener Landesverband sie noch an der Spitze sehen will. Die 63-Jährige, die mit Merz, Söder, Klingbeil auf der Bühne eine schwarz-rote Koalition präsentiert hat, ist nicht nur offensichtliche Außenseiterin in dieser Männerrunde – sie wird auch in ihrer eigenen Partei öffentlich demontiert.
Sascha Binder, SPD-General in Baden-Württemberg, sagte kürzlich in einem Interview mit dem „Südkurier“, der Großteil der Kabinettsposten müsse an Frauen gehen, aber an die besten. Darunter sehe er Esken nicht. Parteigenossen in Bochum haben ihr sogar den Rücktritt nahegelegt. Dabei wurde Esken zuletzt noch als mögliche Entwicklungs- und Arbeitsministerin gehandelt.
Die Schwäbin hat sich selbst noch nicht öffentlich dazu geäußert, ob sie einen Posten im Kabinett anstrebt. Laut dem „Spiegel“ will sie erst noch den Ausgang des Mitgliedervotums über den neuen Koalitionsvertrag abwarten (die Abstimmung endete gestern um 23.59 Uhr) – erst danach soll geklärt werden, wie es mit ihr und Lars Klingbeil weitergeht.
Der Co-Chef wird derweil von vielen Genossen dafür verantwortlich gemacht, dass Esken immer mehr aufs Abstellgleis gerät. Vor allem vom linken Flügel und von den Frauen in der Partei. „Der eine vergrößert seine Macht, und die Frau an der Spitze wird abgesägt“, kritisiert etwa der bayerische Juso-Chef Benedict Lang in der „SZ“. „Lars Klingbeil zeigt bisher nicht, dass er diesen bodenlosen innerparteilichen Umgang mit Saskia Esken problematisch findet, er lässt das einfach laufen.“ Auch die Chefin der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen, Maria Noichl, sagt, es könne nicht sein, „eine Person stolpert nach oben, die andere Person stolpert nach unten“. Esken habe „große Verdienste, die wir ihr gar nicht hoch genug anrechnen können“.
Trotz des historisch schlechtesten Ergebnisses der SPD bei der Bundestagswahl hat Klingbeil gute Chancen für den Posten des Finanzministers und des Vizekanzlers. Die SPD will ihre Ministerriege kommenden Montag bekannt geben. Wer die Partei künftig führen wird, entscheidet sich allerdings erst auf dem Parteitag Ende Juni.
KATHRIN BRAUN