INTERVIEW

Vorsicht vor der Weimarer Zange

von Redaktion

Söder über seine Minister, die Fernbeziehung mit Merz und den Ärger mit der AfD

Im Kreuzverhör: Söder mit Sebastian Arbinger, Christian Deutschländer, Mike Schier, Georg Anastasiadis und Leonie Hudelmaier (v.li.). © Oliver Bodmer

Der Zeigefinger aus dem Süden: Markus Söder will von Bayern aus in Berlin mitdirigieren. © Oliver Bodmer

Der Koalitionsvertrag steht, die meisten Minister sind benannt – kommt jetzt endlich die versprochene Politikwende? Kurz nach der Präsentation des Unions-Personals für die Merz-Regierung haben wir uns mit Markus Söder zum Interview verabredet. Was verlangt der CSU-Chef von seinen neuen Bundesministern, warum hat er sie ausgewählt und keine Münchner in den Norden geschickt? 90 Minuten stand er in unserer Redaktion Rede und Antwort.

Herr Söder, Sie schicken zur allgemeinen Überraschung keinen Ihrer Münchner Minister nach Berlin. Sind die so schwach?

Wir sind mit unseren Teams in Bayern und in Berlin stark aufgestellt. Deshalb war ich von Anfang an überzeugt, dass ich das erfolgreiche Kabinett in München nicht auseinanderreiße. Wir bekommen jetzt drei exzellente Bundesminister: Alexander Dobrindt ist ein kluger Stratege, der die innere Sicherheit voranbringen wird. Er steht für Law and Order und einen echten Richtungswechsel in der Migrationspolitik. Doro Bär ist eine moderne, innovative Frau für Technologie, Hightech und Raumfahrt…

…aber keiner kennt Alois Rainer.

Er ist ein Mann vom Fach. Alois Rainer ist ein bodenständiger Metzgermeister für Heimat, Ernährung und Landwirtschaft – das passt übrigens viel besser als der grüne Tofuliebhaber Cem Özdemir. Auch hier gibt es einen Kulturwandel.

Merz bringt etliche Quereinsteiger wie Katherina Reiche und den MediaSaturn-Chef Karsten Wildberger. Warum trauen Sie sich das nicht?

Wir haben exzellente Fachleute in Berlin, die von der Bevölkerung gewählt wurden und politische Profis sind. Einen einzigen Seiteneinsteiger hätte ich allerdings genommen, der ja auch auf unserer Liste kandidiert hat: Bauernpräsident Günther Felßner für die Landwirtschaft. Das ist durch persönliche Hetze und Angriffe sogenannter Aktivisten leider verhindert worden.

Wir hören: Michaela Kaniber und Markus Blume glauben, wenn sie jetzt in München bleiben, könnten sie leichter mal Ihre Nachfolge antreten. So in 25 Jahren…

Wenn ich gebeten hätte, wären sicher alle für einen Einsatz in Berlin bereit gewesen. In Bayern zeigt sich aber gerade, was Edmund Stoiber immer wusste: Kabinette werden immer stärker, je länger Minister reifen. Und wir müssen daran denken: Die nächste Bundes- und Landtagswahl liegen dicht beieinander. Die Zusammenarbeit zwischen allen Ebenen muss perfekt laufen.

Ach! Kein ständiges Schimpfen mehr auf diese schlimmen Berliner?

Wir mussten uns gegen die massiven Benachteiligungen der Ampel wehren. Es ist unsere Pflicht, für bayerische Interessen zu kämpfen. Jetzt haben wir einen Koalitionsvertrag, in dem drei Viertel unseres Bayernplans stehen: Mütterrente, große Erleichterungen für die Landwirtschaft, Gastro-Mehrwertsteuer dauerhaft runter auf sieben Prozent, höhere Pendlerpauschale, die Autoindustrie gestärkt, Energiekosten gesenkt, Milliarden für Forschung…

Aber irgendwas läuft grob falsch. Die AfD klettert und klettert, dabei ist Merz noch nicht mal gewählt. Warum ist die Stimmung schon so im Eimer?

Erinnern Sie sich an die Fernsehsendung „Warten aufs Christkind“? Da ist die Stimmung zunächst auch immer nervöser geworden. Im Ernst: Wochenlang wurde behauptet, es werde Steuererhöhungen geben und bei der Migration ändere sich ohnehin nichts. Deshalb stiegen die Umfragewerte der AfD. Wir werden diese Falschbehauptungen durch gutes Regieren widerlegen. Zur AfD haben wir einen klaren Kurs: keine Dämonisierung, kein Hyperventilieren, aber auch keine Relativierung. Diese Partei will die Union zerstören. Ich habe für die CSU entschieden: Wir werden keine AfDler in Spitzenfunktionen wählen.

Jens Spahn, Ihr neuer Unions-Fraktionschef, rät zu einem „normaleren“ Umgang mit der AfD, Sie haben scharf widersprochen. Das geht ja gleich gut los!

Das wurde medial überinterpretiert. Jens Spahn ist erklärter Gegner der AfD. Er wurde während der Corona-Zeit massivst attackiert mit Hass und Hetzparolen. Was er zu Recht gesagt hat: Lasst uns nicht den ganzen Tag über die AfD reden, sondern die Probleme lösen.

Der Mann, der’s richten soll für die CSU in Berlin, ist Dobrindt als Innenminister. Was erwarten Sie von ihm an Tag eins? Seehofer hat im Amt nicht geliefert…

Der neue Koalitionsvertrag und die Einigkeit in der Union helfen. Das heißt: Zurückweisungen an den Grenzen, verstärkte Kontrollen, Flüge aus Afghanistan nach Deutschland werden beendet und dafür Flüge mit Straftätern nach Afghanistan geplant. Auch die Lockerung des Staatsbürgerschaftsrechts wird zurückgedreht. Wir kehren zu einer Politik vor 2015 zurück.

Rückkehr zur Politik vor Merkel 2015?

Das wird so umgesetzt. Die Absprachen mit Polen, Tschechien und Österreich laufen bereits, ich werde selbst in ein paar Wochen zum neuen Bundeskanzler nach Wien fahren.

Die CSU trägt nun auch das volle Asyl-Risiko, wenn diese Politik floppt, oder?

Wer sich nicht traut, den entscheidenden Elfmeter zu schießen, bleibt besser daheim.

Also versprechen Sie: Wir merken an Tag eins, dass sich was geändert hat?

Sie merken an Tag eins: Die Richtung ist eine andere. Es ändert sich was.

Falls die Regierung nicht vier Jahre hält: Könnte als Ultima Ratio auch eine CDU/CSU-Minderheitsregierung kommen?

Was sollte das bringen? Wir können nicht mit täglichen Zufallsmehrheiten regieren. Unser Land braucht Stabilität. Jeder muss wissen: Es gibt starke radikal linke und starke radikal rechte Kräfte im Bundestag – das ist die Weimarer Zange. Die Radikalen finden gerne zusammen, um die Mitte zu zertrümmern. Das ist eine entscheidende Lehre aus der Weimarer Republik und darf sich niemals wiederholen.

Sie duzen Frau Esken. Warum ausgerechnet sie und nicht Klingbeil?

Wir kennen uns noch aus der früheren Groko. Sie hatte mir damals das Du nach längerer Zusammenarbeit angeboten. Ich bin aber kein großer Duz-Freund, ich schätze professionelle Distanz. Wir sind nicht beste Freunde in einer Koalition, sondern Partner auf Zeit, um unser Land voranzubringen.

Sie wollen im Koalitionsausschuss mitregieren. Freut sich Friedrich Merz schon sehr auf den Besuch aus München, der alle zwei Wochen bei ihm aufschlägt?

Wir haben in den letzten Monaten bewiesen, wie gut unsere Zusammenarbeit ist. Trotz aller journalistischen Zweifel haben wir gemeinsam die K-Frage gut gelöst, den Wahlkampf gemanagt, die Koalition verhandelt. Ich schätze Friedrich Merz sehr. Er ist ein Konservativer und steht der CSU nahe. Wir pflegen eine stabile Fernbeziehung und müssen nicht täglich zusammen sein. (lacht)

Unser Eindruck ist: Sie haben Geschmack gefunden an Berlin und der Bundespolitik. 2027 wird ein neuer Bundespräsident gesucht. Wäre es nicht mal Zeit für einen aus der CSU, für Sie?

Ganz ehrlich: Der schönste Moment in Berlin ist für mich jedes Mal, die Stadt wieder in Richtung Bayern zu verlassen. Das Amt des Bundespräsidenten ist sicher sehr wichtig, aber nichts für mich. Ich bin gerne Ministerpräsident und Parteivorsitzender und präge so die aktive Politik.

Aber vielleicht für andere, Ilse Aigner etwa?

Bis 2027 ist noch lange hin. Es ist völlig offen, wie dann die Mehrheiten in der Bundesversammlung sind. Vielleicht gibt es dann kaum noch Mehrheiten für einen Parteipolitiker und es müssten andere Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens gefunden werden.

In Bayern wollten Sie mal nur für zehn Jahre antreten, das würde 2028 enden. Haben Sie einen Plan, wen Sie als Nachfolger aufbauen wollen?

Franz Josef Strauß hat einmal gesagt: An der Spitze meiner Nachfolger stehe ich selbst an erster Stelle. Und wenn die Wähler und meine Partei es wollen, werde ich auch 2028 bereit sein.

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