Ein Rohrelement für Wasserstoff steht auf einem Baufeld in Niedersachsen. © Dittrich/Picture Alliance
Noch fehlt es an der Effizienz: Ein Mitarbeiter der Robert Bosch GmbH montiert in der Fertigung ein Brennstoffzellen-Antriebssystem für die Stromerzeugung aus Wasserstoff in Fahrzeugen. © Marijan Murat/Picture Alliance
München – Noch vor fünf Jahren schien die Frage der Arbeitsteilung beim emissionsfreien Transport geklärt: In der Stadt und auf der Kurzstrecke galten Batterien als Lösung. Auf der Langstrecke Wasserstoff und Brennstoffzelle. Daimler, Volvo, OMV und Shell hatten sich dafür zusammengetan. Mit Wasserstoff angetriebene Lkw seien „der Schlüssel für einen CO2-neutralen Transport der Zukunft“, sagte Martin Daum, Chef von Daimler Trucks, noch 2021. Und Dirk Engelhardt, Vorstandssprecher des Bundesverbands Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung, lobte: „Es wird Richtung Wasserstoff gehen.“
Inzwischen hat sich da etwas verschoben: Vor Aktionären lobte Daum Mitte vergangenen Jahres den eActros 600 als den „aktuell hellsten Stern auf dem Weg zum nachhaltigen Transport“. Der eActros 600 ist eine von einer Batterie getriebene Elektro-Sattelzugmaschine.
Nach MAN setzen nun auch die Konkurrenten verstärkt auf Batterien. Was ist da passiert? Gegen den Batterie-Brummi sprachen die bis zu vier Tonnen schweren Batterien und lange Ladezeiten. Vorbei. Für Batterie-Lkw wurden zwei Tonnen mehr zulässiges Gesamtgewicht erlaubt. Weil der Rest des Antriebs leichter ist, liegt die Zuladung kaum mehr unter der eines entsprechenden Diesel-Lkws. Und die Ladezeiten?
Hersteller testen Leistungen von einem Megawatt und mehr. In einer halben Stunde holt man sich Schub für 300 bis 400 Kilometer an Bord. Dafür reichen die ohnehin verpflichtenden Pausen für die Lkw-Fahrer – wenn die Akteure es schaffen, die Lade-Infrastruktur flächendeckend aufzubauen.
Umgekehrt hat sich bei der Wasserstoff-Elektrolyse und Brennstoffzellen weniger getan als erwartet. Rund ein Drittel der Energie geht beim ersten Schritt verloren, wenn man mit Strom aus Wasser den Wasserstoff gewinnt. Und auch die Brennstoffzelle, die den Strom fürs Fahren liefert, ist kein Wirkungsgradwunder. Rund die Hälfte der gespeicherten Energie geht bei der Rückumwandlung in Strom verloren.
Auch die Hoffnung, Solar- und Windstrom zu nutzen und in Form von Wasserstoff zu speichern, hat sich in Luft aufgelöst. Elektrolyseure sind teuer. Also müssen sie rund um die Uhr laufen und nicht nur dann, wenn die Sonne scheint oder der Wind weht. Ein Dauerbetrieb ist nur in anderen Klimazonen möglich, in Deutschland nicht. So bleibt grüner Wasserstoff – nur der ist klimaschonend – vorerst Mangelware.
Auch im Pkw-Segment ist ein Durchbruch nicht in Sicht. Derzeit werden zwei Modelle mit Brennstoffzelle angeboten: der Hyundai Nexo und der Toyota Mirai. Mercedes hat sein Brennstoffzellen-SUV vom Markt genommen. BMW kündigt ein Serienmodell bis 2028 an. Recht dünn ist zudem das Tankstellennetz. Bayern gehört mit neun Wasserstoff-Tankstellen noch zu den besser versorgten deutschen Regionen.
Die Industrie braucht viel mehr Wasserstoff
Aber was bedeutet das? Fährt der Hoffnungsträger Wasserstoff doch aufs Abstellgleis? Sicher nicht. Allein die Industrie braucht davon mehr, als derzeit verfügbar ist. Durch die Fähigkeit, Sauerstoff zu binden, ist Wasserstoff bei vielen Metallgewinnungs-Prozessen die Alternative zu Koks. Bei anderen Prozessen, etwa in der Glasindustrie, der Zementherstellung und vielen anderen gilt Wasserstoff als eine mögliche klimaschonende Alternative.
Wasserstoff (Kürzel H) ist das kleinste Element im Universum. Ein Proton, ein Elektron, mehr nicht. Er ist extrem leicht. Auch wenn er in der Praxis paarweise auftritt. Zwei Wasserstoffatome werden ein Molekül: H2. Vermischt man das mit dem Sauerstoff der Luft, entsteht ein teuflisches Gemisch, das verharmlosend Knallgas genannt wird.
Die Katastrophe des Zeppelins Hindenburg 1937 vor New York mit 36 Toten spricht Bände. Ein Funke, und Wasserstoff verbindet sich mit Sauerstoff zu Wasser (H2O), wodurch viel Energie frei wird. Das Problem gilt heute als gelöst. Das sehr leichte Gas muss mit enormem Druck oder niedrigen Temperaturen auf ein transporttaugliches Volumen gebracht werden. Das zehrt weiter an den Energiereserven. Und die nötigen extrem stabilen Tanks heben einen erheblichen Teil des Gewichtsvorteils wieder auf. Winzige Wasserstoffatome nutzen jede Gelegenheit, aus vermeintlich dichten Behältern auszubüxen. Fahrer des ersten Wasserstoff-BMW, ein 7er mit Verbrennungsmotor, erlebten deshalb häufig eine böse Überraschung: Tank leer.
Ist das Rennen um die Energiequelle des Zukunftsverkehrs also entschieden? Nein. Überraschungen sind zu erwarten. Technologieoffenheit sorgt langfristig für bessere Ergebnisse. Und die Architektur von Elektroautos erlaubt beides: Batterie und/oder Brennstoffzelle. Für beides gilt: Politik und Energiewirtschaft müssen Lade- und Tankmöglichkeiten bereitstellen, sonst hängen die Fahrzeuge an Raststätten oder Parkplätzen fest. Liefertermine verstreichen, Vertragsstrafen werden fällig. So oder so ist es eine Herkulesaufgabe.