Ärzte klären Schüler über Krebsrisiken auf

von Redaktion

Gynäkologin Stephanie Töpfer in der Erich-Kästner-Realschule. © Jens Schulze/epd

Tostedt – Die Pausenglocke schrillt, Stephanie Töpfer eilt über die Flure der Erich-Kästner-Realschule in Tostedt im niedersächsischen Landkreis Harburg. „Eben hatte ich eine Doppelstunde bei den Jungen, jetzt gehe ich zu den Mädchen“, sagt die Ärztin und schultert ihre große Tasche mit Anschauungsmaterialien, die sie gleich ausbreiten wird: eine Gebärmutter, ein Vulvamodell, Eizellen, einen Penis und Spermien aus weichem Stoff, Kondome. Seit 20 Jahren arbeitet Töpfer als Gynäkologin, seit drei Jahren ist sie als Ärztin bei der „Ärztlichen Gesellschaft zur Gesundheitsförderung“ (ÄGGF) tätig. Diese Gesellschaft ist an dem Schulprojekt beteiligt. 765 Informationsveranstaltungen an 70 niedersächsischen Schulen, von der vierten bis zur zehnten Klasse, haben die Verantwortlichen bislang angeboten.

Wie nötig die Aufklärung über Krebsprävention ist, zeigt die steigende Krebsrate weltweit. Der Internationalen Agentur für Krebsforschung (IARC) der WHO zufolge wurden 2022 rund 20 Millionen neue Krebsdiagnosen gestellt. Die Zahl wird, so die Prognose, bis 2050 um 77 Prozent auf 35 Millionen pro Jahr zunehmen. In Deutschland erhalten aktuell jedes Jahr mehr als 500 000 Menschen die Diagnose Krebs. Bei den Todesfällen ist es die zweithäufigste Ursache nach Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

Das Interesse an den ärztlichen Informationsstunden sei in den Schulen groß, sagt Töpfer. Zumindest seitens der Lehrkräfte. Die Achtklässlerinnen, die jetzt zögerlich den Klassenraum betreten, schauen dagegen skeptisch. Töpfer kennt diesen Blick. „Es geht um ihren Körper, um Pubertät, Sexualität, Geschlechtskrankheiten, Hoden- und Brustkrebs – da dauert es natürlich, bis sich Hemmungen abbauen.“

Doch genau das gelingt der Mutter dreier Kinder mit ihrer zugewandten, fröhlichen Art. „Man kann gegen ganz viele Krankheiten etwas tun, Voraussetzung ist, dass ihr rechtzeitig zum Arzt geht, wenn ihr eine Veränderung an eurem Körper bemerkt, die euch seltsam vorkommt“, ermuntert Töpfer. In den Arztpraxen geschehe nichts gegen den Willen der Patienten. „Ärzte unterliegen der Schweigepflicht.“

Die 13- bis 15-Jährigen tauen auf. Krebsfälle kennen die Mädchen aus ihren eigenen Familien. Angst mache ihnen das schon ein wenig, sagen sie. Zum Glück seien die Familienmitglieder inzwischen geheilt. „Was glaubt ihr denn, kann man durch ein gesundes Leben sein Krebsrisiko senken?“, fragt Töpfer. Der Arm eines Mädchens schnellt hoch. „Ja“, sagt sie, „man sollte nicht rauchen.“ Töpfer nickt. „Ja, am besten nie damit anfangen.“

Studien zufolge ließen sich rund 37 Prozent aller Krebsfälle durch Impfungen und gesunde Lebensweise vermeiden, sagt Töpfer. Wichtig sei auch, sich regelmäßig selbst abzutasten. Das gelte für die Brust der Mädchen ebenso wie für die Hoden der Jungen. „Hodenkrebs ist die häufigste Krebserkrankung bei jungen Männern und früh erkannt fast immer heilbar.“
JULIA PENNIGSDORF

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