Joe mit Gattin Jill und Katze: Dieses Bild posteten die Bidens. © X
Die Prostata liegt direkt unterhalb der Harnblase. © dpa-infografik
Seit dem Tod ihres Sohnes Beau engagieren sich Joe Biden und seine Frau Jill stark für die Krebsforschung. Hier spricht er bei einer Veranstaltung der Initiative „Cancer Moonshot“ in New Orleans im August vergangenen Jahres. © Picture Alliance
Washington/München – Joe Biden gilt als Kämpfer, selbst seine Feinde attestieren ihm Nehmerqualitäten und die Kraft, nach Schicksalsschlägen wieder aufzustehen. Vor zehn Jahren hat ihm der Krebs seinen Sohn Beau genommen, der damals 46-Jährige erlag einem Hirntumor. Jetzt ist der 82-jährige Familienvater selbst schwer an einem Tumor erkrankt und eine Heilung nach menschlichem Ermessen ausgeschlossen.
Die Diagnose: ein Prostatakarzinom in einer hochaggressiven Variante mit Knochenmetastasen. Wie ernst es um Biden steht, lässt die Analyse des Krebsherds im Labor erahnen. Um die Bösartigkeit eines Prostatakarzinoms zu bewerten, verwenden Mediziner den sogenannten Gleason-Score. Bidens Tumor wird mit neun auf der zehnstufigen Bedrohungsskala eingestuft.
Trotzdem bewahrt der Ex-Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika Haltung. „Krebs betrifft uns alle“, erklärte er in einem Post auf der Online-Plattform X und bedankte sich für die vielen Genesungswünsche. Seine Ehefrau Jill Biden und er hätten wie so viele die Erfahrung gemacht, dass sie in den schwierigsten Zeiten am stärksten seien. „Danke, dass Sie uns mit Liebe und Unterstützung aufrichten“, schrieb Biden weiter. Dazu postete er ein Foto, auf dem er in die Kamera lächelt und neben seiner Ehefrau sitzt, die mit besorgtem Blick eine Katze im Arm hält.
Mit seinen Ärzten berät Biden nun über die Behandlung. Ist der Krebs bereits so weit fortgeschritten wie in seinem Fall, sind die Therapieoptionen begrenzt. Eine OP und eine Strahlentherapie kommen angesichts der Ausbreitung der Metastasen, weiterer Erkrankungen (Komorbiditäten) und des hohen Alters offenbar nicht mehr infrage. „Jüngere und fitte Patienten würden möglicherweise operiert, um zu verhindern, dass der Primärtumor in der Prostata weiter streut. Aber bei hochbetagten und insgesamt gesundheitlich angeschlagenen Patienten ist dies sehr schwierig“, sagt Professor Christian Stief, Direktor der Urologie im LMU Klinikum, der zu den erfahrensten Prostatakrebs-Spezialisten zählt. Leider ist auch die Prognose in solchen Fällen nicht gut. „In diesem Stadium von Prostatakrebs mit Metastasen liegt die mittlere Überlebensrate bei etwa 30 Monaten.“
Hoffnungen liegen auf Hormontherapie
Bidens Ärzte setzen auf eine Hormontherapie. Sie gilt als Standard bei Prostatakrebs-Patienten mit Metastasen, weil sie im gesamten Körper wirkt. „Dabei geht es darum, insbesondere die Bildung des Hormons Testosteron zu hemmen, das gutartige und bösartige Prostatazellen gleichermaßen für ihre Funktion benötigen“, erklärt Stief. „Wenn das Testosteron geblockt wird, wuchert die Krebszelle nicht mehr so schnell. Auch die Knochenmetastasen werden meist stabiler und die Gefahr von Knochenbrüchen nimmt etwas ab.“ Allerdings hat die Hormontherapie auch Nebenwirkungen: „Eine beginnende Demenz kann sich verstärken und Müdigkeit auftreten.“
Als unklar gilt, ob der Prostatakrebs bei Biden erst sehr spät erkannt wurde – und falls ja, warum. In den USA erreichen Patienten mit Prostatakrebs statistisch gesehen sogar eine höhere Fünf-Jahres-Überlebensrate als in Europa von deutlich über 90 Prozent.
Als Schlüssel gilt die regelmäßige Kontrolle des PSA-Werts. Dazu nimmt der Urologe Blut ab. Darin wird bestimmt, in welcher Konzentration ein bestimmter Eiweißstoff enthalten ist, das prostataspezifische Antigen (PSA). Steigt der Wert an, kann dies auf ein Prostatakarzinom, eine Entzündung oder auf eine gutartige Vergrößerung hindeuten. Die Analyse gehöre in erfahrene Hände, mahnt Stief: „Wenn man den PSA-Wert für einen bestimmten Mann interpretieren will, darf man nicht auf den Normwert schauen. Der Arzt muss das Alter, die Prostatagröße und die in den vergangenen Jahren gemessenen Werte mit einbeziehen.“ Dann könne der PSA-Wert einen wertvollen Hinweis darauf liefern, ob weitere Abklärungen nötig sind.
Eine jährliche Kontrolle des Blutwerts ist laut Stief ab einem Alter von 45 Jahren empfehlenswert, bei einer Prostatakrebs-Erkrankung in der Familie bereits ab 40. „Darüber hinaus sollte man das Volumen der Prostata mit einer Ultraschalluntersuchung bestimmen und mit dem PSA-Wert in Relation setzen. Daraus ergibt sich die sogenannte PSA-Dichte.“ Ein Abtasten der Prostata durch den Enddarm sei nur sehr begrenzt hilfreich, warnt der Chefarzt.