Bogota – Die Zerstörung des Regenwalds in Kolumbien nimmt weiter zu. Laut einem neuen Überwachungsbericht der Generalstaatsanwaltschaft in Bogota wurden allein von Oktober bis März rund 88 800 Hektar Wald im kolumbianischen Amazonasgebiet abgeholzt. Für 2023 insgesamt war die Zerstörung mit 79 250 Hektar beziffert worden; im Folgejahr stieg die Zahl um 35 Prozent auf 107 000 Hektar. Derzeit verliert der kolumbianische Regenwald durch Abholzung laut Bericht wöchentlich rund 3700 Hektar Fläche.
Besorgniserregend ist demnach auch, dass im Untersuchungszeitraum 1107 Kilometer illegale Straßen gebaut wurden. Die ungenehmigte Erschließung führt in der Regel zu weiterem Raubbau an der Natur durch illegalen Bergbau oder Drogenanbau. Hintergrund der Entwicklung ist offenbar auch der ungelöste bewaffnete Konflikt zwischen Regierung, Paramilitärs und Guerillas.
Insgesamt ist es um die Zukunft des südamerikanischen Regenwaldes nicht gut bestellt. Oswaldo Muca Castizo, Koordinator der Organisation indigener Völker aus dem kolumbianischen Amazonasgebiet (OPIAC), sieht eine düstere Zukunft: „Wenn USAID geschlossen wird, wird die Abholzung zunehmen; der Drogenhandel wird zunehmen, der illegale Bergbau wird zunehmen.“ USAID, die US-Behörde für internationale Entwicklung, ist unter Beschuss der neuen US-Regierung von Donald Trump. USAID engagierte sich in zahlreichen Projekten für den Waldschutz und gegen den Drogenanbau. Nun sind die Mittel erst mal gestoppt. Ob sie bald wieder fließen oder dauerhaft eingestellt werden, weiß derzeit niemand.
In welchem Land auch immer im riesigen Amazonas-Gebiet – es kommen derzeit fast nur schlechte Nachrichten aus der Region. In Kolumbien steigt die Kokain-Produktion. Fast immer geht das zulasten der Wälder; nicht nur durch die Zerstörung von Waldflächen, sondern auch durch den Einsatz von Chemikalien bei der Kokain-Produktion in illegalen Labors. Weil dort nur der Profit zählt, gelangen die Chemie-Abfälle meist ungefiltert in die Natur.
Brasilien erwägt die Ölförderung im Amazonas-Mündungsbecken. Indigene Aktivisten und Umweltschützer protestieren heftig; doch Präsident Lula da Silva will das Projekt um jeden Preis durchsetzen. Das kirchennahe Institut Humanitas Unisinos kommentierte enttäuscht: „Inmitten einer Hitzewelle und acht Monate vor dem Weltklimagipfel setzt Lula weiter auf Öl.“
Inzwischen nehmen vielerorts die Zweifel an einer vor allem aus Europa forcierten Energiewende zu. In einem Beitrag auf der Internetseite des katholischen Lateinamerikanischen Bischofsrates CELAM gibt es Kritik am „grünen Kapitalismus“. Mauricio Lopez, Direktor der in der Region aktiven Bildungs-NGO PUAM, kritisiert, dass die „grüne Transition“ trotz wohlklingender Worte einen massiven Abbau von Bodenschätzen mit sich bringe. Die ökologische und soziale Krise des Gebietes könne nicht mit leerer Rhetorik gelöst werden. Mit der Verschärfung des Klimawandels hätten sich Unternehmen und Regierungen einen umweltpolitischen Diskurs zu eigen gemacht, der technologische und marktbasierte Lösungen verspreche. Laut PUAM setzen viele dieser Strategien aber jene Ungerechtigkeiten fort, die den Amazonas seit Jahrhunderten verwüstet hätten.