Beratungen im Kabinett: Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU, re.) und Innenminister Alexander Dobrindt (CSU). © Nietfeld/dpa
Berlin – Wenige Wochen nach Amtsantritt hat die neue schwarz-rote Koalition erste Verschärfungen im Migrationsbereich auf den Weg gebracht. Das Kabinett beschloss in dieser Woche in Berlin zwei Gesetzentwürfe von Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU), wie die Bundesregierung mitteilte. Beide Vorhaben benötigen die Zustimmung des Bundestags.
Konkret sollen bestimmte Flüchtlinge nicht mehr die Möglichkeit haben, enge Angehörige zu sich nach Deutschland zu holen. Auch die beschleunigte Einbürgerung für besonders gut integrierte Einwanderer nach drei Jahren soll das Kabinett wieder zurücknehmen. Beide Vorhaben sollen nach Vorstellungen Dobrindts noch im Juni auch den Bundesrat passieren.
Es geht um Menschen mit sogenanntem subsidiärem Schutzstatus. Das sind Geflüchtete, die hier zwar weder Asyl noch Flüchtlingsschutz bekommen, aber trotzdem bleiben dürfen, weil ihnen in ihren Heimatländern beispielsweise politische Verfolgung, Folter oder die Todesstrafe droht. Viele Bürgerkriegsflüchtlinge fallen in diese Gruppe.
Laut Gesetzentwurf lebten Ende März 388 074 subsidiär Geschützte in Deutschland. Ungefähr drei Viertel dieser Gruppe kommen aus Syrien, wie aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linksfraktion hervorgeht, die sich noch auf den Stand zum Jahreswechsel bezog. Die Möglichkeit, Angehörige zu sich nach Deutschland zu holen, ist auf enge Angehörige beschränkt, also auf Eheleute, eingetragene Lebenspartner und minderjährige Kinder.
Subsidiär Geschützte sollen zwei Jahre lang keine Familienangehörigen mehr nach Deutschland holen dürfen. Härtefälle sind ausgenommen. Wer das sein könnte, ist im Gesetzentwurf aber nicht definiert. Hier gehe es um Einzelfallentscheidungen, sagt Dobrindt. Profitieren könnten etwa Angehörige, die dringende medizinische Versorgung benötigen, sie im Herkunftsland aber nicht bekommen. Wer schon einen Termin zur Vergabe eines Visums für Deutschland hat, soll das bisher geltende Verfahren zum Familiennachzug auch weiter durchlaufen dürfen.
Der Familiennachzug für Flüchtlinge ohne Asylstatus war bereits von März 2016 bis Juli 2018 von der damaligen schwarz-roten Koalition ausgesetzt worden. Begründet wurde dies mit der Absicht, eine Überlastung bei der Aufnahme und Integration zu vermeiden.
Seit August 2018 dürfen monatlich 1000 Menschen als Angehörige von Menschen mit diesem Schutzstatus einreisen, also 12000 pro Jahr. Zum Vergleich: Insgesamt 229751 Menschen stellten in Deutschland im vergangenen Jahr erstmals einen Asylantrag. Unter allen Visa, die zwischen 2018 und 2024 zur Familienzusammenführung erteilt wurden, entfielen nach Zahlen des Mediendiensts Integration rund acht Prozent auf Angehörige von subsidiär Schutzberechtigten. Die Möglichkeit zum Familiennachzug gibt es nicht nur für Geflüchtete, sondern auch für andere Einwanderer wie ausländische Fachkräfte.
Auch der stark beschränkte Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten soll nun ein Ende haben. Dobrindt erhofft sich davon zwei Dinge: Er will ein Signal senden, dass Deutschland als Ziel von Migration unattraktiver macht – der Minister spricht hier von „Pull-Faktoren“ (Sog-Faktoren). Zudem würden die Kommunen deutlich entlastet. Im Gesetzentwurf heißt es: „Ziel der Regelung ist es, die ,Begrenzung‘ als ausdrückliche Zielbestimmung wieder in das Aufenthaltsgesetz aufzunehmen.“ Der Familiennachzug belaste die Kommunen zusätzlich, etwa beim Bemühen, Wohnraum zur Verfügung zu stellen.
Der Migrationsexperte Herbert Brücker vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung äußerte sich in der „Rheinischen Post“ skeptisch. „Wir sprechen hier über den Nachzug der Kernfamilie, also Kinder und Partner, in der Regel die Frauen. Wir wissen aus Studien, dass die Trennung von der eigenen Familie für Geflüchtete psychisch sehr belastend ist und damit auch deren Integration behindert.“
Darüber hinaus will die schwarz-rote Regierung auch die von der Ampel-Koalition beschlossene beschleunigte Einbürgerung nach drei Jahren für besonders gut integrierte Einwanderer wieder zurücknehmen. Diese von ihr sogenannten „Turbo-Einbürgerungen“ waren der Union schon in der Opposition ein Dorn im Auge. In anderen Punkten bleibt die von der Ampel beschlossene Reform aber bestehen.
MARTINA HERZOG