Bundesrepublik auf Reisen: Kanzler Friedrich Merz steigt in Washington aus seinem Regierungs-Airbus. © Kappeler/dpa
Washington – Der Super-VIP-Passagier, für den der ganze Riesenaufwand betrieben wird, wirkt von alldem recht unbeeindruckt. Seinen Koffer trägt Friedrich Merz noch selber ins Flugzeug, schlüpft dann sofort raus aus dem Sakko, Krawatte runter. Kaum sind nach dem Start die Anschnallzeichen aus, trabt der Kanzler nach hinten. Vor Reihe 24 lehnt er sich an die Toilettenwand in der Economy und plaudert ausführlich mit den Mitreisenden. „Schlafen Sie einigermaßen gut, wenn’s geht“, ruft er dann in die Runde, denn die Maschine fliegt tief in die Nacht.
Über den Wolken mit dem Kanzler: Wie Merz so seine erste große Reise im Amt antritt, hat einen Hauch von Leichtigkeit. Offenbar ist ihm das ganze Gewese um seine Person noch nicht zu Kopf gestiegen. Unkompliziert, direkter als Vorgänger Olaf Scholz auf solchen Touren wirkt er, floskelt kaum rum. Zu glauben, um den Regierungschef gehe es auf Reisen wirklich locker zu, wäre allerdings ein Irrtum. Aufwand und Planung sind immens. Zufall: Ausnahme.
Es beginnt in Berlin, der militärisch-diplomatische Teil des Flughafens, wer aus dem Fenster schaut, sieht doppelt. Der Regierungsflieger mit dem schwarz-rot-goldenen Streifen steht da. Dahinter der Regierungsflieger mit dem schwarz-rot-goldenen Streifen. Nach all den Ärgernissen bei der Flugbereitschaft warten sicherheitshalber zwei identische A350-900 auf dem Rollfeld. Ja nicht blamieren bei Trump mit einem kaputten Airbus.
Diesmal genügt Maschine 1. Der neue, 67 Meter lange Flieger, 280 Tonnen schwer, ist sozusagen die deutsche Air Force One, betrieben von der Luftwaffe. Ein Spezial-Umbau: Die ganze vordere Hälfte ist für den Kanzler reserviert, Bett, Sessel, Bad und Konferenzräume. 30 Business-Class-Liegesitze folgen für die Mitarbeiter, vom Staatssekretär bis zum Gepäckmeister. Das engste Einflüsterer-Team ist dabei eher klein: Merz nimmt, wie üblich, seinen Regierungssprecher Stefan Kornelius mit auf Reisen, passenderweise ein Washington-Kenner, weil er viele Jahre als Korrespondent hier lebte. Seine Berater für Außen- und für Wirtschaftspolitik sind dabei, Günter Sautter und Levin Holle, dazu Geheimdienstkoordinator Philipp Wolff und sein junger Büroleiter im Kanzleramt, Jacob Schrot. Alle sind enge Vertraute, ihre Namen noch recht unbekannt. Zuhause bleibt bei allen Arbeitsreisen Ehefrau Charlotte.
Platz wäre mehr in Sonderflug GAF916. Ganz hinten folgen nochmal zehn Reihen einer locker bestuhlten Economy. Die gut 30 mitreisenden Journalisten (der Bund stellt ihnen später eine Rechnung) sitzen hier. Fürs ganze Flugzeug gilt: Sollten die Gutenachtgrüße vom Kanzler nicht zum Einschlafen genügen, gibt es in der Bordküche deutschen Riesling, er heißt „Dem Himmel so nah“.
Näher am Boden sind jede Merzminute und jeder Meter schon genau verplant. Auf dem Rollfeld in Washington wartet eine Kolonne mit rot-blau flackernden Lichtern. Die Wagenfolge für jede Wegstrecke ist seit Tagen ausgetüftelt, 17 Autos und Kleinbusse, im gepanzerten Wagen der Kanzler, flankiert von Sicherheitsfahrzeugen, in Auto 9 die mitreisende deutsche Notärztin, die nie außer Rufweite ist. Manches an Merz‘ Kolonne ist protokollarische Ehrerbietung für einen hohen Gast, die heulenden Sirenen sind aber auch recht praktisch tagsüber im Hauptstadtverkehr. Und dann geht es tatsächlich auch um Sicherheit. Der US-Secret-Service und ein halbes Dutzend Sicherheitsleute vom Bundeskriminalamt wachen gemeinsam über Merz, belegen auch die Hotelzimmer rechts und links.
Planungs-Perfektion also. Mal spontan ausbüxen aus dem Zeitplan ist kaum möglich. Scholz schaffte auf seinen USA-Reisen als Kanzler ab und zu allenfalls eine Joggingrunde, frühmorgens im New Yorker Central Park etwa sah man dann mehrere sonnenbebrillte Herren hinterherlaufen.
Manche Touristensorge erlebt ein dienstreisender Regent dafür nie. Das Visum (ja, auch der Kanzler braucht tatsächlich ein Visum!) besorgt vorab ein Mitarbeiter. Einen mürrischen Grenzbeamten bekommt Merz dafür nie zu Gesicht, er wird ja mit Blaulicht an allen Kontrollen vorbeigeleitet.
CHRISTIAN DEUTSCHLÄNDER