Im Kanzler-Tross in Washington: Unser Autor Christian Deutschländer.
„Friedrich Trump aus dem Königreich Bayern“: Die golden gerahmte Geburtsurkunde, Merz‘ Gastgeschenk.
Vor dem Weißen Haus: Hier nimmt Donald Trump den Gast Friedrich Merz in Empfang. Durch diese Tür flog Selenskyj vor einigen Wochen raus. © AFP
Einer redet. Einer schweigt. US-Präsident Donald Trump (r.) empfängt Friedrich Merz im Oval Office. © Michael Kappeler/dpa
Washington – Es muss glänzen, dann gefällt es Donald Trump, am besten irgendwas mit Gold. Und es sollte möglichst viel mit Trump zu tun haben. Diesen wunderlichen Rat haben sie Friedrich Merz gegeben vor der Reise, eigentlich kaum erfüllbar, doch er schafft es. Sein Gastgeschenk beim Antrittsbesuch ist golden, es ist speziell und ganz, ganz viel Trump: Der Kanzler überreicht dem US-Präsidenten eine dick golden gerahmte Abschrift der Geburtsurkunde von dessen Großvater. Aus Kallstadt, einem Dorf in der Pfalz, dort hat die Familie ihre deutschen Wurzeln, ehe sie nach New York auswanderte. Die Geschichte könnte kaum perfekter sein: Großvater Trump, der laut Urkunde am 14. März 1869, „des Nachmittags um zwei Uhr im Königreich Bayern“ geboren wurde – er heißt Friedrich.
Ist das der Eisbrecher zwischen Friedrich und Friedrichs Enkel? Es war Merz‘ eigene Idee, er ließ seine Beamten so lange suchen, bis sie die Urkunde in Sütterlin aus dem Landeskirchenarchiv Speyer wühlten (und für Trump übersetzten). Das mit viel Bedacht gewählte Geschenk soll das mit gleich viel Sorgen wie Hoffnung überladene Kennenlern-Treffen zwischen Kanzler und Präsident entspannen.
Merz weiß, dass so viel an diesem Besuch hängt in Zeiten eines rücksichtslosen Handelskriegs und blutiger Weltkonflikte. Den Ton für die deutsch-amerikanischen Beziehungen der nächsten drei Jahre will er setzen. Noch im Anflug auf Washington hat er keine Ahnung, was ihn wirklich erwartet. Ein freundlicher Austausch auf Augenhöhe? Eine Demütigung vor der Weltpresse im Oval Office, wie sie der Ukrainer Selenskyj („Warum tragen Sie keinen Anzug“) endlose 50 Minuten lang durchlitt? Drei Sachen nur kann sich Merz zurechtlegen: eine inhaltlich gute Vorbereitung. Große Gelassenheit, falls es knallt, das haben ihm seine Berater eingeflößt, immer freundlich bleiben. Ach ja, und einen Anzug, aber der ist bei Merz eh Standard.
Also stellt er das goldene Geschenk zu des Präsidenten Füßen, und es scheint zu wirken. Trump betrachtet das Bild, nickt huldvoll, verkündet, es irgendwo aufzuhängen. Und empfängt den Gast für seine Verhältnisse herzlich: „Wir werden eine großartige Beziehung haben.“ Und auf Nachfrage: Ja, Merz sei schon „difficult“, aber „great“, also nicht einfach, aber großartig. Den Rest redet Trump über sich, über Innenpolitik, über die Eierpreise – ja, wirklich –, und über das Oval Office, er findet es „tippi-toppi“.
Genau da geht auf, was sich Merz tagelang vorgenommen hat: Lass ihn reden, reden, reden. Gesprächsanteil 20:80, darauf hatten die Deutschen sich leise eingestellt, am Ende sind es ungefähr 3:97 – na und? Merz schweigt, so lange die Kameras laufen, und das zufrieden. Er schaut konzentriert auf Trump, behält auch JD Vance im Auge. Der Vizepräsident, der neulich die Demütigung Selenskyjs einleitete, sitzt sprungbereit neben Trump, die Hand auf dem rechten Knie. Aber bleibt still.
Ja, es gibt heikle Momente in diesen 40 Minuten. Als Trump über Kriminelle spricht und sich unvermittelt zu Merz dreht, ihm zuruft, er habe da ja auch ein Problem im Land. Es ist eine Attacke auf die deutsche Migrationspolitik ab 2015. Doch Trump nimmt eine Kurve: „Ist nicht Dein Fehler. Ich habe ihr gesagt, das hätte nie passieren dürfen.“ Ihr – er meint Angela Merkel. Merz verdrückt sich jedes Grinsen.
Er brauche keinen Baldrian, sagte der Kanzler neulich. Er hat sich genau durchdacht, wo er Trump nötigenfalls intern widersprechen will, Stichwort Russland: Nur Stärke zähle gegen Putin, nicht Kumpelei. Und wo er ihn öffentlich abtropfen lassen würde, etwa wenn er wieder mit der AfD-Nummer um die Ecke kommt, Deutschland habe keine Meinungsfreiheit mehr. „Ich werde sehr klar meine Meinung sagen, wenn es nötig ist.“ Sicherheitshalber hat sich Merz durch Youtube geklickt, Videos der letzten Treffen im Oval Office studiert. Und kurz vor dem Treffen, schon in Washington, ruft er noch mal bei Emmanuel Macron an. Gleichzeitig bemüht er sich, die Erwartungen herunterzudimmen, gerade im Zollstreit. Dass er mit einem dieser „Deals“ rauskommt, hat auch er nicht erwartet. Dass Trump in seinem Monolog einstreut: „Wir werden einen großartigen Handelsdeal haben“ – das ist schon ein Erfolg.
Waren die Sorgen also unbegründet? Wer Merz von Berlin bis Washington begleitet, erlebt einen sehr selbstbewussten, konzentrierten, nicht überheblichen Kanzler. Er notiert die Begleitumstände – etwa dass Trump ihn im „Blair House“ nächtigen lässt, dem opulenten Gästehaus, 200 Jahre alt. Eine seltene protokollarische Ehre, da nächtigten einst auch Queen Elizabeth oder der Schah von Persien. Aber auch, dass sich punktgenau wieder Deutschland-Hasser aus dem weiten Trump-Umfeld auf sozialen Netzwerken zu Wort melden; sie erinnern Merz daran, dass er sich kurz vor der Wahl offen gegen Trump ausgesprochen habe. Merz dankt fürs Gästebett („great“), die Querschüsse ignoriert er.
So könnte das nun die Basis für eine gute Beziehung sein, was ja genau das deutsche Ziel war. „Wir verstehen uns persönlich gut, kollegial, offen“, sagt Merz später, nach dem Vier-Augen-Gespräch. „Ich bin außerordentlich zufrieden.“ Die einzige Botschaft, die Merz sehr auffällig setzt im Oval Office, ist sein Bekenntnis zur Ukraine und zur russischen Rolle als Aggressor. Trump, das fällt auf, widerspricht nicht.
Vielleicht vertiefen sie das noch. Friedrich und Donald – sie nennen sich seit Kurzem beim Vornamen – treffen sich im Juni noch zweimal, bei den Gipfeln von G7 in Kanada und Nato in Den Haag. Trump übrigens erwähnt lobend, dass Deutschland ja künftig viel mehr für die Verteidigung ausgeben wolle. Und lässt fallen: Die 45 000 US-Soldaten in Europa wolle er nicht abziehen.
Merz‘ bisher wichtigste Reise wird heute schon enden, kurz nach acht Uhr landet er in Berlin. Möglich, dass es einen Gegenbesuch geben wird, der Kanzler hat Trump jetzt ganz speziell nach Kallstadt eingeladen. Als Angela Merkel das Gleiche versuchte, sagte Trump zu, ließ die Einladung dann aber einschlafen. Diesmal will er angeblich wirklich kommen.