Klitschkos Dank an Bayern

von Redaktion

Kiews Bürgermeister trifft Ilse Aigner und lobt die Hilfe aus dem Freistaat

Besuch im Rathaus von Kiew: Bayerns Landtagspräsidentin Ilse Aigner und Bürgermeister Vitali Klitschko. © Matthias Balk

Kiew – Vitali Klitschko sagt, er kenne dieses Gefühl aus seiner Zeit als Boxer. Die achte Runde bricht an, die neunte, die Kräfte schwinden und das Herz scheint ihm aus der Brust zu springen. Der Wunsch, einfach aufzugeben, wird immer größer. Doch diese Blöße hat sich Klitschko, der Weltmeister, nie gegeben. Er wusste, dem Gegner geht es nicht besser.

Er ist immer noch eine beeindruckende Erscheinung, groß und wuchtig. Aber in seinem Büro in der Nähe des Maidan-Platzes wirkt der Bürgermeister von Kiew auch ausgelaugt. Die achte Runde hat er lange hinter sich, sein Kampf dauert jetzt schon mehr als dreieinviertel Jahre. Und ein Ende ist nicht abzusehen. Er macht sich da nichts vor: „Natürlich hoffen wir auf eine diplomatische Lösung, aber dafür müssen wir weiter stark sein.“

Man sieht Kiew nicht auf den ersten Blick an, dass es die Hauptstadt eines Landes im Kriegszustand ist. Am Wochenende vergnügten sich Tausende am Ufer des Dnepr in der Sonne, die Cafés waren voll. Aber das „ist nur die Illusion einer friedlichen Zeit“, warnt Klitschko. Bei genauerem Hinsehen fällt auf, dass in den Fenstern der Ministerien Sandsäcke liegen und draußen keine Mülleimer stehen, aus Angst vor Bomben. In der folgenden Nacht gibt es wieder heftige Raketeneinschläge.

3,8 Millionen Einwohner hatte Kiew vor dem Krieg. Heute, sagt Klitschko, sind es 3,6, vielleicht 3,7, davon 600 000 Binnenflüchtlinge. Die Stadt mag besser als jede andere im Land gegen Luftschläge gerüstet sein, aber auch sie hat schwer gelitten. Rund 300 Tote haben die russischen Angriffe bisher gefordert, darunter 17 Kinder. 1100 Gebäude wurden zerstört.

„Es ist kein Geheimnis“, sagt Klitschko zu Bayerns Landtagspräsidentin Ilse Aigner (CSU), „ohne eure Hilfe wären wir nicht mehr am Leben.“ Er meint nicht nur die deutschen Waffen und das deutsche Geld, sondern auch den bayerischen Beitrag. Sachleistungen wie Feuerlöschfahrzeuge ebenso wie die bisher 160 000 Flüchtlinge, die im Freistaat untergekommen sind.

Der Ex-Profisportler weiß, dass das Leben in Deutschland seine Vorzüge hat, doch er setzt darauf, dass Hunderttausende zurückkehren, wenn die Lage es erlaubt. Für Finanzen und Waffen sei er dankbar, aber ebenso wichtig seien „menschliche Ressourcen“. An vielen Fronten warten die Herausforderungen. Der Dienstleistungssektor, Busse und U-Bahnen mit zu wenigen Fahrern, die Verwaltung. Klitschko, dessen kritische Haltung gegenüber Präsident Wolodymyr Selenskyj kein Geheimnis ist, beklagt, dass die bisherigen Reformen bei Korruptionsbekämpfung, Pressefreiheit und Justiz noch lange nicht reichen: „Das muss viel mehr werden, wenn wir Teil der europäischen Familie sein wollen.“

Der zehrende Kampf geht weiter, so schwer er fällt. Als die Gäste aus München sich verabschieden, schüttelt Klitschko jedem Politiker mit aufrichtiger Freundlichkeit die Hand. Die Personenschützer verabschiedet er mit dem Handschlag des Kämpfers. Faust gegen Faust.MARC BEYER

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