München – Fast jeder hat als Schüler in einer Jugendherberge übernachtet. Doch nun drohen Schließungen einzelner Häuser. Winfried Nesensohn, Vorstand des Deutschen Jugendherbergswerks in Bayern, fordert deshalb Hilfe von der Staatsregierung.
Herr Nesensohn, es gibt Hotels, Ferienwohnungen und Airbnb. Braucht es da noch Jugendherbergen?
Wenn es nur um Betten und Verpflegung geht, braucht man unsere Jugendherbergen nicht unbedingt. Was uns aber auszeichnet, ist unser pädagogisches Bildungsangebot: Wir bieten Programme, Familienfreizeiten und außerschulische Lernorte. Für Schulklassen bringt ein Airbnb nichts, man muss mit den Jugendlichen auch etwas Sinnvolles machen.
Gibt es noch genug Interesse an den Herbergen?
Ja, die Nachfrage von Schulklassen ist sehr groß. Und besonders unsere Häuser in München, Garmisch-Partenkirchen, Oberstdorf und am Tegernsee sind sehr beliebt.
Und dennoch fehlt Geld.
Auf unseren Häusern lastet ein sehr großer Druck, wegen wichtiger Renovierungen und energetischer Modernisierungen. Wenn wir den Instandhaltungsstau nicht wegbekommen, stimmt die Qualität der Häuser nicht mehr – und die Gäste bleiben aus. Die Jugendherbergen würden ins Minus rutschen, die nötigen Investitionen könnten wir dann nicht mehr refinanzieren.
Schon jetzt ist eine Übernachtung nicht gerade günstig. Gehen die Einnahmen in die Modernisierung der Häuser?
Leider nur teilweise. Wir haben eine ähnliche Kostenstruktur wie normale Hotels und Hostels. Allein von April 2022 bis August 2025 werden sich die Gehälter der Angestellten um 30 Prozent erhöht haben. Wir müssen das zahlen, sonst wandern unsere Mitarbeiter in Hotels ab. Auch die Energiekosten und Ausgaben für Lebensmittel schlagen stark zu Buche. Und gegenüber Hotels gibt es bei uns noch eine Besonderheit: unsere öffentlichen Gemeinschaftsflächen. Jede Schulklasse bekommt bei uns einen Gruppenraum. Die bringen natürlich nicht so viel Geld, wie ein ausgebuchtes Zimmer mit mehreren Betten.
Drohen tatsächlich Schließungen einzelner Häuser?
Im Moment noch nicht, aber auf Dauer würden wir es nicht schaffen, bestimmte Häuser aufrechtzuerhalten. Das betrifft besonders die Herbergen in den ländlichen Bereichen in Niederbayern, Oberpfalz und Franken. Deshalb gehen wir bewusst an die Staatsregierung.
Was fordern Sie von der Staatsregierung?
Wir bekommen 1,45 Millionen Euro jährlich von der Staatsregierung – seit 20 Jahren hat sich die Höhe der Unterstützung nicht verändert. Doch in dieser Zeit ist die Inflation um über 40 Prozent gestiegen. Das Geld ist deshalb eigentlich nur die Hälfte wert. Unser Wunsch wär eine Hilfe von drei Millionen Euro pro Jahr. Den Eigenanteil von drei Millionen könnten wir selbst aufbringen.
Das reicht? Das DJH Bayern schätzt den Bedarf auf 100 Millionen Euro.
Mit sechs Millionen Euro im Jahr kann man Zug um Zug etwas entwickeln. Außerdem möchten wir auch vom neuen Koalitionsvertrag und dem Sondervermögen profitieren. Schließlich sind wir ein außerschulischer Bildungsort. Wir möchten uns für Einzelförderungen für die Modernisierung bestimmter Häuser starkmachen. Insgesamt würden wir dann gut vom Fleck kommen.
Und wenn die höhere Unterstützung aus der Staatskasse ausbleibt?
Dann müssen wir uns von einer Reihe an Häusern trennen und uns auf die Jugendherbergen konzentrieren, die wirtschaftlich gut dastehen. Das sind die Stadt-Jugendherbergen und die Häuser in Gebieten mit hoher touristischer Infrastruktur. In ländlichen Gegenden würden wir wegfallen – und damit unser positiver Einfluss.
Was meinen Sie damit?
Wir sind oft der größte Beherbergungsanbieter auf dem Land. Eine neue Studie hat ergeben, dass ein Arbeitsplatz in der Jugendherberge 1,7 weitere Arbeitsplätze in der Gegend generiert. Also beim Metzger, beim ÖPNV oder im Museum. In München fällt unser Einfluss nicht groß auf. Auf dem Land aber schon.