Erhalten Geschenke die Freundschaft? Wirtschaftsminister Lee Lilley überreicht Aiwanger ein Buch über North Carolina.
Auf dem Weg nach Übersee: Im Hamburger Hafen warten Audis darauf, verladen zu werden. © IMAGO/Joerg Boethling
Charlotte – Die historische Residenz des Gouverneurs von North Carolina ist eine Kulisse, wie sie auch Donald Trump gefallen würde. Viel Gold an den hohen Wänden, imposanten Spiegeln und Möbeln. Hier empfängt Lee Lilley, der Wirtschaftsminister des US-Bundesstaats, seinen Amtskollegen aus Bayern – „in heißen Zeiten“, wie Hubert Aiwanger sagt. Denn nicht nur, dass draußen die hier typische schwüle Sommerhitze drückt. So schwer wie die Kronleuchter von den Decken hängt auch das Thema über dem Treffen, das diese Reise von Anfang an prägt: Es geht natürlich immer um die Zölle, die der US-Präsident seit seinem zweiten Amtsantritt erst erhoben, wieder ausgesetzt, abgeschwächt und in verschiedensten noch drastischeren Varianten angedroht hat.
Der aktuelle Stand: Derzeit liegt der reduzierte Aufschlag für die meisten Produkte, die aus der EU in die USA verkauft werden, bei zehn Prozent. Für bestimmte Artikel wie Autos sowie Stahl- und Aluminiumprodukte gilt ein erhöhter Satz von 25 Prozent. Doch Trumps Frist für die Zoll-Reduzierung läuft am 9. Juli aus. Was danach passiert? Unklar. Trump lässt die Welt zappeln.
Auch in North Carolina – wo sie zwar einen demokratischen Gouverneur haben, aber traditionell stark republikanisch geprägt sind – wirken viele über diese Entwicklung überwiegend nicht sehr glücklich. Zwar mag der Wirtschaftsminister das offensichtlich nicht so klar aussprechen. Doch abseits des politischen Rampenlichts wird man deutlicher. Zumindest im Umgang mit Europa sind Trumps Zolleskapaden nicht das richtige Mittel, glauben hier einige, denen an ihrer eigenen Wirtschaft gelegen ist. Denn Zölle schaffen Unsicherheit, und Unsicherheit ist schlecht fürs Geschäft.
„Es gab hier zuletzt eine gute Situation für deutsche Unternehmen, um in den USA zu investieren“, sagt Matthias Hoffmann. „Aber jetzt gibt es eine neue Realität“, erklärt der Geschäftsführer der deutsch-amerikanischen Handelskammer in Atlanta, die für den Süden der USA zuständig ist. Es sei, als hätte jemand „auf Pause gedrückt“. Dabei sieht auch Hoffmann die Zölle allein gar nicht als unüberwindbares Problem. „Für viele Unternehmen ist das machbar“, sagt Hoffmann. „Was aber fehlt, ist die Sicherheit. Kommen nun zehn Prozent drauf oder 18 Prozent?“
6000 deutsche Unternehmen sind in den USA aktiv, allein im Süden sind davon 1800. Im Nachbarstaat South Carolina gibt BMW in seinem weltweit größten Werk 12000 Menschen Arbeit. Doch das ist nur das prominenteste Beispiel, es gibt noch viele kleinere. Alle 32 Tage investiert ein deutsches Unternehmen in North Carolina – bisher. Er fürchte, dass zumindest ein Teil sein Engagement „eher reduzieren“ könnte, sagt Aiwanger zu Lilley. Dass es für manche Unternehmen aber auch der Impuls sein könnte, gleich ganz in die USA überzusiedeln, weiß er natürlich genauso. Was aber auch Aiwanger nicht weiß, ist, was nach dem 9. Juli kommt.
Den standhaften Weg, den Brüssel bisher im Blick zu haben scheint, hält er für falsch. „Wir können die USA als Exportmarkt nicht kurzfristig ersetzen“, sagt Aiwanger. Es mit den Amerikanern bis zum Ende auszufechten, womöglich mit sogenannten reziproken Zöllen, die der Logik von Auge um Auge folgen, hält er für extrem gefährlich. Es brauche stattdessen eine schnelle Einigung, insbesondere für die Autoindustrie. Null Zölle auf beiden Seiten, das wäre hier das beste Szenario, findet er – am besten auch gleich mit China. Doch notfalls, das sagt er auch ganz klar, müsse man nachgeben. Sprich: Die EU solle besser US-Zölle schlucken und trotzdem auf Auto-Gegenzölle verzichten, als die Eskalationsspirale weiter ins Laufen zu bringen. „Wenn du mit jemandem raufst, der stärker ist als du, musst du im Zweifel die erste Backpfeife einstecken, dann kriegst du keine zweite mehr“, sagt Aiwanger. Jedoch: „Wenn du gleich daherkommst: Ich zeig‘s dir! Dann kriegst du noch ein paar zwischen die Beine.“ Profitieren würde zudem auch BMW, das SUVs in den USA herstellt und auch nach Europa exportiert.
Aiwanger und Lilley, das scheint hingegen recht harmonisch zu laufen. Die Politiker kennen sich bereits von einem Besuch des damaligen Gouverneurs von North Carolina Roy Cooper in München vor einem Jahr. Beide kommen aus der Landwirtschaft – der Freie-Wähler-Chef vom Hof in Niederbayern, der demokratische US-Politiker von einer Erdnuss- und Baumwollfarm. Einen kleinen bayerischen Löwen aus Porzellan hat der Bayer als Geschenk mitgebracht, von Lilley erhält er ein Buch über North Carolina. Aiwanger gratuliert dem Amerikaner zu dessen Energiepolitik, die besser sei als die deutsche der jüngeren Vergangenheit, weil sie „Realitäten anerkennt“ und nicht „ideologische Weichen stellt“.
Der Doppelklang aus vorsichtiger Warnung und schmeichelnder Anerkennung ist wohl auch Strategie. Aiwanger ist überzeugt, dass man die Amerikaner für sich gewinnen muss, um das Schlimmste abzuwenden – ihnen aber auch zeigen muss, was in ihrem eigenen Interesse ist. Er will dabei im Sinne von Bayerns Wirtschaft auf die Ebenen einwirken, die er erreichen kann – in der Hoffnung, so auch das große Ganze irgendwie ein Stück in die richtige Richtung zu drehen. Die Idee: Über die Handelskammern, die Gouverneure und deren Minister die Grundstimmung beeinflussen – und dadurch vielleicht auch Trumps Impulse.