Ein Niederbayer im Trump-Land

von Redaktion

Diesmal kein Bierfass: Aiwanger bringt die BMW-Plakette an einem brandneuen SUV an. © Steve Wilson/BMW

Südstaatenflair: Hubert Aiwanger bestaunt die Architektur in South Carolina. © Nicole Engelhart

Spartanburg – Hubert Aiwanger braucht genau einen Schlag, um ein nagelneues Auto endgültig zum BMW zu machen. Mit einem Gummihammer bringt Bayerns Wirtschaftsminister das weltberühmte Emblem auf der Nase des X4 mit roten Ledersitzen an, der hier in South Carolina gerade vom Band läuft, weil ein Kunde irgendwo auf der Welt ihn genau so bestellt hat. Es ist eine Szene nach Aiwangers Geschmack. Er darf sein handwerkliches Geschick zeigen und seine Verbundenheit mit dem Weltkonzern aus der Heimat.

Doch der aktuelle Anlass seiner Reise in den Südosten der USA ist an sich kein so erfreulicher. Aiwanger will gut Wetter machen, weil er sich um die exportabhängigen bayerischen Unternehmen sorgt, die unter Trumps US-Zöllen leiden. Insbesondere die Lage der Autoindustrie bereitet ihm große Sorgen. BMW wird nicht nur von den derzeit zusätzlichen 25 Prozent hart getroffen, die Trump für europäische Autos aufruft, sondern auch von den zehn Prozent Gegenzöllen der Europäer, die der Autobauer bezahlt, wenn es seine in Spartanburg, South Carolina, gefertigten SUVs der X-Reihe in die EU verkauft. Man dürfe sich nicht zweimal „ins Knie schießen“, warnt Aiwanger. Seine Forderung: Charmeoffensive, Zölle runter, notfalls auch nur die europäischen.

Auch beim Besuch im größten BMW-Werk der Welt würde Aiwanger das Thema gerne anbringen. Doch Standort-Chef Robert Engelhorn will nicht so richtig. Ein Phänomen, das Aiwanger in diesen Tagen immer wieder begegnet. Kaum jemand hier, der etwas zu verlieren hat, will sich angesichts der dynamischen Lage öffentlich klar positionieren – besonders nicht, wenn die Presse mit im Raum sitzt. „BMW steht für Freihandel und offene Märkte“, sagt Engelhorn immerhin. Auch über das bei Aiwanger ungeliebte Verbrennerverbot in der EU bis 2035 will der BMW-Manager sich nicht über das bereits Bekannte hinaus auslassen. „BMW steht für Technologieoffenheit“, lautet diesmal die leicht abgewandelte Sprachregelung. Beim anschließenden Salat-Lunch sitzen die beiden Männer sich noch mal gegenüber. Denkbar, dass es im leisen Gespräch zumindest noch einen Tick konkreter wurde.

Zwischen München und Spartanburg liegen 7429 Kilometer. Doch die Landespolitik ist auch hier präsent. Zuletzt lief für den Freie-Wähler-Chef einiges nicht ganz ideal. Nach dem großen Erfolg bei der Landtagswahl 2023 konnten er und seine Partei zeitweise vor Kraft kaum laufen. Doch in diesem Jahr ging der verwegene Plan, die Freien Wähler über den Umweg von drei gewonnenen Direktmandaten in den Bundestag zu hieven, gründlich daneben. Nicht einmal Aiwanger selbst holte seinen Stimmkreis. Zudem der Dauerknatsch mit der CSU.

Auf einer Busfahrt durch North Carolina ist zwischendrin Zeit, um über die Situation zu Hause zu sprechen – und das immer wieder schwierige Verhältnis zum Koalitionspartner und dem Ministerpräsidenten.

Aiwanger hat die CSU erst kürzlich gewarnt. Die solle bloß nicht versuchen, die Freien Wähler noch einmal so unter Druck zu setzen. Also nicht wie zuletzt, als Aiwanger – den die CSU für eine bayerische Zustimmung im Bundesrat braucht – zähneknirschend die gigantische Schuldenaufnahme im Bund hinnahm, weil ihm Söder drohte, notfalls mit der SPD zu regieren. Dass dieses Vorgehen nun zum Muster werden könnte, glaubt Aiwanger aber nicht. Eine höhere Eskalationsstufe als mit dem Koalitionsbruch zu drohen, gebe es kaum – „das war schon nahe an der Bahnsteigkante“, sagt er.

Aiwangers Zorn über Manfred Weber

Dennoch, das Verhältnis sei trotz aller Scharmützel stabil. Mehr noch: Der Koalitionspartner sei gerade sogar „auffällig nett“ zu den Freien Wählern, sagt Aiwanger. Das stimmt so halb. Denn gerne wird gestreut, Aiwanger interessiere sich nicht für die Themen seines Hauses. Mit seinem Besuch in den USA will er auch das Gegenteil beweisen.

Und auch Aiwanger ist nicht nur nett. Schon am Folgetag, im selben Bus, schießt er hart gegen EU-Politiker und CSU-Vize Manfred Weber zurück, der ihn im Interview mit unserer Zeitung scharf kritisiert hatte, weil Aiwanger wegen der US-Reise nicht an der Kabinettsitzung in Brüssel teilnahm. Dabei sei Weber doch gemeinsam mit Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) „mitverantwortlich für viele falsche Weichenstellungen in der EU zulasten Deutschlands“. Und obwohl der CSU-Mann selbst von dort stammt, wisse er „offensichtlich nicht, was die aktuellen Zölle für die BMW-Standorte in Niederbayern bedeuten“, schimpft der Wirtschaftsminister. Darum müsse sich „der liebe Manfred endlich kümmern“, findet Aiwanger. „Aber wahrscheinlich muss ich wirklich öfter zu ihm nach Brüssel kommen, um ihn auf Trab zu bringen.“

Die Beziehung zwischen Freien Wählern und CSU bleibt schwierig. Mit der Ampel ist der gemeinsame Gegner verschwunden. Die CSU – nun selbst in der Bundesregierung – kann nur noch schwer auf die Weltfremden in Berlin schimpfen. Aiwanger schon. Im Landtag wird aus den Reihen der Freien Wähler kritisiert, die CSU versuche Themen so zu platzieren, dass die eigenen Leute in Berlin möglichst gut aussehen.

Zurück über den Atlantik. Penibel durchchoreografierte Posts mit Tieren, wie man sie von Markus Söder kennt, gibt es auf Aiwangers Reise nicht. Seine Pressestelle berichtet in seriösem Ton in den Sozialen Medien vom Verlauf der Reise. Auf seinem eignen Account postet Aiwanger selbst. Es geht um den Zollstreit, aber auch – doch noch ein Tier – um den gefräßigen Fischotter in der Heimat und gegen SPD-Politiker Karl Lauterbach, der sich wegen der Hitzewelle in Deutschland mit Kabarettistin Monika Gruber angelegt hat. Zuletzt hatte man aber den Eindruck, dass es Aiwanger, der früher selten einen Online-Streit ausließ, hier etwas ruhiger angehen lässt. Es sei so eine Sache, die verschiedenen Sozialen Medien passend zu bespielen, wiegelt Aiwanger ab. Was auf Elon Musks Netzwerk X Anklang finde, komme auf Instagram oft gar nicht an.

Auf Twitter gibt er sich inzwischen braver

Damit in den Carolinas nicht versehentlich etwas falsch ankommt, hat Aiwanger eine Dolmetscherin dabei, die ihm bei Terminen auf Schritt und Tritt folgt. Er nutzt ihre Dienste in der Regel für Ansprachen, spricht im direkten Kontakt aber oft lieber selbst Englisch. Durchaus passabel, aber eben mit niederbayerischem Einschlag. Von vorgeschriebenen Reden hält er auch auf Englisch wenig. Nicht immer ganz einfach für die Dolmetscherin.

Am Dienstagabend treffen beide dann auf Jeff Zell, Senator – allerdings nicht auf Bundesebene, sondern im Regionalparlament von South Carolina. Zudem Republikaner wie Trump und Deutschland – Stichwort BMW – schon aus gemeinsamen wirtschaftlichen Interessen sehr zugetan.

Zell begrüßt seine Gäste mit großer Herzlichkeit. Und Aiwanger tut es ihm in seiner Rede gleich. Er lobt South Carolina, beschwört die „Seelenverwandtschaft“ mit den Bayern und mahnt zum Zusammenhalt zwischen alten Freunden – ganz ohne Zölle. Der Minister spricht und spricht. Die Dolmetscherin übersetzt und übersetzt. Der Senator nickt eifrig. Und irgendwann sagt Aiwanger dann: „Vielleicht bleiben wir am Ende hier.“ Nur ein Scherz – natürlich. Auch wenn manch einer in der CSU vielleicht gar nicht so traurig wäre.

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