Klaus Josef Lutz hat die Baywa von 2008 bis 2023 geleitet. Gegen ihn läuft eine interne Prüfung. © Marcus Schlaf
München – Genau ein Jahr ist es nun her, dass die Baywa direkt vor dem Abgrund stand: Am 11. Juli 2024 kamen Gerüchte auf, ihr drohe die Pleite, der Aktienkurs stürzte ab. Am 12. Juli bestätigte der Agrarriese: Ja, er braucht ein Sanierungsgutachten. Banken hatten das gefordert, weil sie dem Konzern kein Geld mehr leihen wollten. Dann nahm die Krise ihren Lauf. Mit Michael Baur kam im September ein externer Sanierer, Baywa-Chef Marcus Pöllinger und Finanzchef Andreas Helber mussten im Herbst gehen, Eigner und Gläubiger über eine Milliarde Euro frisches Kapital nachschießen. Mit dem Freistaat soll es sogar Verhandlungen über Staatshilfen gegeben haben. Erst seit diesem Frühjahr wird es ruhiger: Aktionäre und Gläubiger stimmten einer geordneten Sanierung zu und mit Frank Hiller hat die Baywa wieder einen Chef für das Tagesgeschäft – auch, wenn er bei Finanzfragen immer den Segen des Sanierers Baur braucht.
Ex-Baywa-Chef Lutz häufte mit Zukäufen einen gigantischen Schuldenberg an
Die große Frage, wie das einst grundsolide Traditionshaus so abstürzen konnte, wird seither hitzig diskutiert. Meist mit diesem Erklärungsansatz: Der Pöllinger-Vorgänger Klaus Josef Lutz, von 2008 bis 2023 im Amt, habe mit seinem Expansionskurs samt Wind- und Solarparks weltweit und dem Zukauf von Firmen wie Turners and Growers aus Neuseeland oder Ceftera aus Rotterdam einen gigantischen Schuldenberg angehäuft, der die Baywa unter sich begrub, als die Zinsen stiegen. Mit Schuld war wohl auch schlechtes Finanzmanagement unter Pöllinger und Helber: Die Baywa finanzierte sich immer kurzfristiger, bis sie im Juli 2024 nur wenige Tage vor der Pleite stand.
Nun läuft das große Aufräumen. Um die Milliardenschulden zurückzuzahlen, wurden bereits die Beteiligung an der RWA sowie Ceftera verkauft. Spätestens 2026 soll außerdem Turners and Growers unter den Hammer kommen, danach mit der Baywa r.e., die gerade eine eigene Sanierung durchläuft, der dickste Klotz. Dadurch soll der Umsatz von rund 24 Milliarden im Jahr 2023 auf 11,3 Milliarden im Jahr 2028 sinken. Gleichzeitig soll der Konzern profitabler werden. Insgesamt müssen 1300 Mitarbeiter gehen, über die Hälfte der Jobs ist bereits abgebaut.
Ob Lutz haftbar gemacht werden kann, wird jetzt geprüft
Auch für Klaus Josef Lutz, der 2023 mit goldenem Handschlag als Baywa-Chef abdankte und direkt in den Aufsichtsrat wechselte, bevor er dort im Streit hinwarf, könnte die Sache Konsequenzen haben. Die Baywa führt eine interne Untersuchung gegen den Juristen durch, der bis heute Chef der Industrie- und Handelskammer für München und Oberbayern ist. Laut Insidern soll es dabei auch um teure und unnötige Kurzstreckenflüge mit Privatjet und Hubschrauber gehen. Vor allem wird aber geprüft, ob Lutz grobe Fehler begangen hat, die womöglich zur Schieflage der Baywa beitrugen. Ist das so, könnte das Unternehmen versuchen, ihn haftbar zu machen. ANDREAS HÖSS