Trump schickt Kiew weitere Patriot-Systeme

von Redaktion

Abschuss einer Patriot-Rakete. © ABACA/Picture Alliance

Der eine liefert, der andere zahlt: Trump und Merz haben sich auf einen Deal für die Ukraine geeinigt. © Kappeler/AFP

München – Rückblickend hätte man es besser wissen können: Als Wladimir Putin im März 2018 der Welt seine neue Superwaffe präsentierte, eine Hyperschallrakete vom Typ Kinschal (Dolch), reagieren einige westliche Staaten durchaus nervös. Angela Merkel und Donald Trump führten sogar kurzfristig ein Krisentelefonat. Immerhin prahlte der russische Präsident damit, die Kinschal fliege mit zehnfacher Schallgeschwindigkeit, sei tödlich präzise – und obendrein gebe es nichts, was sie aufhalten könne. Doch als der Kreml wenig später versicherte, Russland wolle weder ein Wettrüsten beginnen noch sich weiter isolieren, war das Thema schnell wieder vom Tisch.

Inzwischen setzt Moskau die Kinschal regelmäßig gegen die Ukraine ein. Zuletzt am 9. Juli. Es war der schwerste Luftangriff seit Kriegsbeginn: Mehr als 700 Drohnen konnte Kiew abwehren, doch gegen die sechs Hyperschallraketen blieb die Ukraine machtlos. Allerdings nicht, weil Putins Hyperschallwaffen unbesiegbar wären – sondern weil der Ukraine die entscheidende Abwehr fehlte: Patriot, ein hochmodernes Raketenabwehrsystem, auf das Kiew seit dreieinhalb Jahren Krieg immer wieder drängt. Nun will Donald Trump liefern – und scheint damit von dem bisherigen Zickzack-Kurs in seiner Ukraine-Politik abzurücken.

„Wir werden ihnen Patriots schicken, die sie dringend brauchen“, sagte der US-Präsident in der Nacht auf Montag. Und stellte zugleich klar: „Die EU zahlt dafür. Wir zahlen nichts, aber wir werden liefern.“ Für die USA sei das „ein Geschäft“. Wie viele die Ukraine erhalten soll – und welche Länder konkret zur Kasse gebeten werden –, ließ er offen. Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hat aber bereits bei der Wiederaufbau-Konferenz in Rom angekündigt, den USA zwei Patriot-Systeme abkaufen zu wollen.

Die Details klärt der Verteidigungsminister. Boris Pistorius (SPD) ist gestern nach Washington aufgebrochen, um bei einem Treffen mit seinem Amtskollegen Tatsachen zu schaffen. Erst kürzlich hatte Pete Hegseth Waffenlieferungen an die Ukraine gestoppt, die schon genehmigt waren und in Polen bereitstanden – im Alleingang. Als Trump den Lieferstopp vor laufenden Kameras wieder rückgängig machte, saß er bloß schweigend daneben.

Ist das nun Trumps Bekenntnis zur Ukraine? Nachdem es noch kurzzeitig so ausgesehen hatte, als wende sich der US-Präsident endgültig von Kiew ab, scheint er nun zunehmend frustriert über Russlands Kurs zu sein. „Wir bekommen von Putin eine Menge Blödsinn aufgetischt“, sagte er. Er sei die ganze Zeit sehr nett, „aber es stellt sich heraus, dass es bedeutungslos ist“. Putin behandele die Menschen nicht richtig, so der Republikaner, und er töte zu viele Menschen.

Der republikanische Senator Lindsey Graham, ein enger Verbündeter Trumps, sprach von einem Wendepunkt im Ukrainekrieg. „In den kommenden Tagen werden Waffen in Rekordmengen fließen, um der Ukraine bei der Selbstverteidigung zu helfen“, sagte er dem US-Sender CBS. „Einer der größten Fehleinschätzungen Putins war es, Trump zu unterschätzen.“

Hingegen meint der Sicherheitsexperte Nico Lange von der Münchner Sicherheitskonferenz, Trumps Sinneswandel sollte nicht überbewertet werden. „Dass Trump jetzt vor allem Munition wieder an die Ukraine liefern will, wenn die Europäer statt der amerikanischen Steuerzahler dafür bezahlen, ist ein Fortschritt“, sagt er unserer Zeitung, „aber keine große Wende.“ Trump setze die ausgesetzten Lieferungen von Biden wieder in Kraft, „mit dem Unterschied, dass jetzt Deutschland und die Europäer für die Patriots und Munition zahlen müssen“.

Ex-Präsident Joe Biden hatte der Ukraine zuletzt vor exakt einem Jahr, beim Nato-Gipfel in Washington, ein weiteres Patriot-System versprochen – insgesamt haben die USA wohl mindestens drei geliefert. Schon damals ging der Ukraine die Unterstützung nicht weit genug. Nach Angaben des Kiel Instituts für Weltwirtschaft (IfW) hat die Ukraine bisher acht Patriot-Luftabwehrsysteme von ihren Verbündeten erhalten: Rumänien und die Niederlande haben jeweils ein System geliefert, Deutschland bislang drei. „Wir haben in Deutschland nur noch sechs übrig“, sagte Pistorius am Sonntag der „Financial Times“. „Das ist wirklich zu wenig, vor allem mit Blick auf die Nato-Fähigkeitsziele, die wir erfüllen müssen. Wir können auf keinen Fall noch mehr abgeben.“

Patriots sind weltweit heiß begehrt. Eine Patriot-Batterie kann bis zu 50 Ziele im Blick behalten und fünf Objekte gleichzeitig bekämpfen – die Reichweite beträgt laut Bundeswehr 68 Kilometer. Laut dem Thinktank Center for Strategic and International Studies (CSIS) mit Sitz in Washington handelt es sich um das teuerste Waffensystem, das je an die Ukraine geliefert wurde. Die Gesamtkosten liegen schätzungsweise bei 1,1 Milliarden Dollar: 400 Millionen für das System selbst und 690 Millionen für die Raketen. Eine einzige Abwehrrakete kostet demnach vier Millionen Dollar.

Hinzu kommt: Auf die Schnelle sind Patriot-Systeme nicht zu beschaffen. Laut dem US-Hersteller Raytheon dauert die Produktion etwa drei Jahre. Zwar entsteht derzeit auch im oberbayerischen Schrobenhausen eine Patriot-Fabrik – bis hier aber die Produktion anläuft, braucht es noch gut eineinhalb Jahre. Nato-Chef Mark Rutte sagte kürzlich, die Lieferzeit eines neuen Systems beträgt derzeit zehn Jahre.

Selbst in den USA sind Patriot-Systeme inzwischen Mangelware. Einem Bericht des britischen „Guardian“ zufolge verfügen die Vereinigten Staaten nur über 25 Prozent der Patriot-Abfangraketen, die sie eigentlich für die militärischen Pläne des Pentagon benötigen. Demnach habe es in den vergangenen Monaten einen „dramatischen Schwund“ in den Vorräten des US-Militärs gegeben – vor allem wegen der Eskalation im Nahen Osten. Zuletzt hatten die USA bei einem einzigen Einsatz 30 Patriot-Raketen abgefeuert, um iranische ballistische Raketen abzufangen, die auf den US-Stützpunkt Al-Udeid in Katar abgeschossen wurden – es war Teherans Vergeltung für Trumps Angriff auf seine Nuklearanlagen.

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