Flanieren im Bikini verboten

von Redaktion

Einst ein Fischerdorf, bringen Millionäre heute viel Geld nach Portofino. Das will man nicht verlieren. © imago

Touristen in Florenz lassen sich gerne in Elektroautos herumkutschieren. In der Innenstadt geht das jetzt nicht mehr. © pa

Alle Wege führen zum Trevi-Brunnen: Wegen der vielen Touristen gibt es oft kaum ein Durchkommen. © imago

Rom – Es war ein ohrenbetäubender Lärm neulich auf der Piazza della Signoria. Die Fahrer und Eigentümer von ein paar Dutzend Golfcarts, elektrisch betriebener Kleinfahrzeuge, hupten und brüllten in Richtung Rathaus von Florenz. Touristen versuchten, sich ihren Weg durch das Chaos zu bahnen, das entstanden war, weil die Stadt versucht, etwas Ordnung in den Trubel zu bringen.

Die Verwaltung hat eine Verordnung erlassen, die die Durchfahrt für kleine Elektrofahrzeuge zu touristischen Zwecken in der Innenstadt verbietet. Die zählt wegen ihrer unbestrittenen Schönheit zum UNESCO-Weltkulturerbe. Man fühlt sich beim Florenz-Besuch mitunter aber wie auf einem riesigen Volksfest. Rund fünf Millionen Touristen ergießen sich jährlich über die Hauptstadt der Toskana.

Hoteliers sehen die Tagesausflügler als größtes Problem

Florenz ist nicht alleine mit seinem Problem. Viele andere italienische Städte haben mit ähnlichen Herausforderungen zu kämpfen und werden teilweise kreativ oder aggressiv. In Rom werden Attraktionen wie der Fontana die Trevi förmlich überrannt und die Kurzzeitvermietungen rauben den Einheimischen den Wohnraum. Filippo Celata, Professor für Wirtschaftsgeografie an der Universität Sapienza, spricht von einer „Entvölkerung“ ganzer Stadtviertel. Fast 30 000 Wohnungen werden in Rom nur für Kurzzeitvermietungen, also für Touristen, angeboten.

Der Konflikt ist groß: Einerseits gibt es ein lokales, wirtschaftliches Interesse an so vielen Besuchern wie möglich, andererseits sinkt die Lebensqualität der Einheimischen und die Innenstädte leeren sich wegen der hohen Immobilienpreise. Manche Orte wollen ihr Alleinstellungsmerkmal erhalten und ergreifen drastische Maßnahmen, andere wirken dem Andrang und seinen Folgen wehrlos ausgeliefert.

Die Stadtverwaltung von Florenz, mit Bürgermeisterin Sara Funaro eine der aktivsten Kommunen gegen den Übertourismus, hat Boxen in der Altstadt verboten, in denen Gäste die Schlüssel ihrer Ferienwohnungen finden. Reiseführer dürfen keine Lautsprecher mehr bei ihren Touren verwenden, die Golfcarts wurden verbannt. Außerdem gibt es keine neuen Genehmigungen für touristische Unterkünfte mehr.

Francesco Bechi, Präsident des Hotelierverbands Federalberghi, fordert sogar die Einführung einer Eintrittsgebühr an bestimmten Tagen im Jahr, so wie in Venedig. Für ihn sind die Tagesausflügler das Problem, die „keinen Mehrwert“ in der Stadt ließen. „Alle dürfen kommen, aber wer übernachtet, muss belohnt werden“, sagt Bechi. Um das Chaos einzudämmen, wird auch an den guten Willen der Besucher appelliert. An 37 Orten in der Stadt blicken Touristen auf Graffitis auf dem Asphalt. Die Konterfeis von Leonardo da Vinci oder Dante Alighieri rufen die Besucher zu Respekt auf und geben Tipps, etwa zum Besuch historischer Florentiner Geschäfte. So sollen die Besucher von den ausgetrampelten Pfaden zu Geheimtipps geleitet werden.

Etwas weniger sanft geht das ehemalige Fischerdorf Portofino in Ligurien vor. Bürgermeister Matteo Viacava erließ vor Tagen eine Verordnung, die vor allem wegen eines Bettelverbots Proteste hervorgerufen hat. Portofino ist eine Luxus-Destination, im pittoresken Hafen liegen Millionärsyachten. Die Einwohner kommen auf ein jährliches Einkommen von durchschnittlich 94 000 Euro. Dass hier Bedürftige aus dem Stadtbild verschwinden sollen, wirkt also auch zynisch. Im Ort hat man offenbar Angst, die Luxus-Kunden zu verlieren. Ab 15. Juli bis 30. September ist es zudem nicht mehr gestattet, barfuß zu laufen, mit nacktem Oberkörper oder in Badehose und Bikini zu flanieren. Es drohen bis zu 500 Euro Strafe. In der italienischen Presse ist vom „Dorf der Verbote“ die Rede.

Furore machte neulich auch ein Artikel im Corriere della Sera, der sich dem Phänomen des Taschendiebstahls in Venedig widmet. Der floriert dieser Tage. Eine dreiköpfige Einheit von Polizisten in Zivil ist täglich auf Diebesjagd zwischen Rialto-Brücke und Piazza San Marco. Nach Polizeiangaben wurden heuer bereits knapp 300 Täter überführt, einige wurden mehrfach erwischt.

Die venezianische Polizei hortet die von den Dieben leergeräumten, weggeworfenen und wiedergefundenen Geldbeutel in 15 Plastiksäcken. Allein dieses Jahr sollen schon 1300 Geldbörsen gestohlen worden sein. Justiz und Polizei haben kaum eine Chance. „Es herrscht eine enorme Straflosigkeit, weil Taschendiebstahl nur auf persönliche Anzeige verfolgt werden kann“, sagt Polizeichef Marco Agostini. Weil die Opfer fast immer Touristen sind und weder Anzeige erstatten noch zur Verhandlung erscheinen, haben die Diebe leichtes Spiel.

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