Der Kampf der Mode-Giganten

von Redaktion

Berühmte Markenbotschafter: Uniqlo hat einige Sportler unter Vertrag, darunter Tennis-Star Roger Federer, hier im Bild mit Tadashi Yanai. Oder auch den australischen Profigolfer Adam Scott. © gy

Keine Berührungsängste mit Fast Fashion: Die Welt, auch die Deutschen, kauft fleißig ein, wie eine Befragung ergab. Uniqlo sieht sich selbst aber nicht als Fast Fashion. © Statista

Das Marmorhaus an der Leopoldstraße. Plakate in den Schaufenstern kündigen den japanischen Mode-Riesen an. © Y. Thedens

München/Tokio – Ein erster Gruß hängt schon im Schaufenster. „From Tokyo to München“ steht in großen, schwarz-roten Lettern an der Scheibe des Marmorhauses an der Leopoldstraße 35. In den Sozialen Medien gehen Vorfreude-Videos viral. „Make the Leopoldstraße great again“, schreibt eine Nutzerin. Ab Herbst will dort Uniqlo, der größte Bekleidungseinzelhändler Japans, seine allererste Filiale in Bayern eröffnen. Ausgerechnet an der „Leo“, Münchens berühmtem Boulevard, der sich nach jahrelangem Schönheitsschlaf endlich wieder herausputzen will.

Helfen könnte dabei der Mode-Gigant aus Tokio. Mit 15 Milliarden Euro Umsatz gehörte Uniqlo 2024 zu den Branchenriesen. Aber woher kommt der Erfolg? Und warum wagt Uniqlo jetzt den Schritt nach München, wo sich die Konkurrenz von Zara, H&M und Co. längst breitgemacht hat?

Das Uniqlo-Headquarter, Spitzname Uniqlo City, liegt im 6. Stock eines Hochhauses an der Bucht von Tokio. Knapp 19 000 Quadratmeter für rund 2000 Mitarbeiter, mit eigener Aula, in der Firmenchef Tadashi Yanai seine Mannschaft regelmäßig auf den Expansionskurs einschwört. Yanai, 76, ist Gründer und bis heute Leiter von Fast Retailing, dem Mutterkonzern von Uniqlo, – und der reichste Mann Japans. Seine Kampfansagen an die größten Modekonzerne der Welt brachten ihm den Spitznamen „Mode-Samurai“ ein. Sein Credo: Wachsen, wachsen, wachsen.

Mehr als 2500 Läden hat Uniqlo auf der ganzen Welt, rund 100 davon in Tokio. Den asiatischen Markt haben sie längst erobert. Nur in Europa ist die Marke mit rund 80 Geschäften noch zaghaft unterwegs. Das soll sich ändern. Heuer eröffnet Uniqlo Läden in Frankfurt, Köln und eben in München.

Aus diesem Anlass hat der Modekonzern nach Japan eingeladen. Yukihiro Katsuta empfängt. Er ist verantwortlich für die Produktentwicklung, also für den speziellen Uniqlo-Stil. „Wir haben einen Begriff dafür, den es nur in Japan gibt“, sagt er. „Iki“ – ein eleganter, aber bodenständiger Lebensstil, mit dem man eine natürliche Ausstrahlung erlangen soll. Zeitloser, funktionaler Chic, keine neuen Kollektionen im Wochentakt. „Ein gutes Kleidungsstück muss wie ein guter Freund sein“, sagt Katsuta. „Und gute Freunde wechselt man nicht jedes Jahr.“ „LifeWear“ hat Uniqlo das getauft. Zielgruppe: Jeder. Nicht nur die junge Fashionista, die jedem Trend nachjagt. Auch der Papa, der schon Ugly-Dad-Sneakers trug, bevor die auf dem Laufsteg ein Revival erlebten.

„Das Konzept passt zum Zeitgeist“, sagt Achim Berg, Gründer des Thinktanks FashionSIGHTs und lange McKinsey-Berater. Nach mehreren Fast-Fashion-Wellen setzten die Kunden seit der Pandemie verstärkt auf Qualität und langlebigere Kleidung. Mit Japan assoziiere der Kunde zudem Werte wie Präzision und Gründlichkeit. Das hilft, auch wenn die Unqilo-Ware wie bei den meisten Branchengrößen in Fabriken in China, Vietnam, Bangladesch und Co. produziert wird.

Also doch nur schnell produzierte Massenware? Koji Yanai, Sohn des Firmen-Patriarchen, 48, Nachhaltigkeits-Chef bei Fast Retailing, widerspricht natürlich. „Wir verstehen uns nicht als Fast-Fashion-Unternehmen“, sagt er. „Ich trage meine Kleidungsstücke mehr als zehn Jahre lang.“ Das Uniqlo-Sortiment setze auf Langlebigkeit. Und man investiere viel Geld in Nachhaltigkeit. In Japan sammelt die Firma ihre getragenen Produkte wieder ein, um sie ans UN-Flüchtlingshilfswerk zu spenden, zu recyceln oder als Secondhand-Ware aufzubereiten. In immer mehr Läden gibt es eigene Nähabteilungen, in denen Jeans geflickt oder mit speziellen japanischen Sashiko-Mustern verziert werden. Der neueste Schritt: Daunen-Recycling mit einer eigens entwickelten Maschine für die umweltbewussten europäischen Kunden.

Ob Uniqlo nun Fast Fashion ist oder nicht: Die schnelle Mode scheint noch immer weniger verpönt zu sein, als man glauben möchte. Wie eine Erhebung der Boston Consulting Group im vergangenen Jahr ergab, sind zwei Drittel der 18- bis 29-jährigen Deutschen offen dafür – auch für sogenannte Ultra Fast Fashion etwa vom chinesischen Händler Shein. Extrem kurzlebige Mode mit superschnellen Produktions- und Lieferzeiten. Auch ältere Zielgruppen sind nicht gefeit. Der Umfrage zufolge hat jeder 50- bis 64-Jährige schon einmal Ultra Fast Fashion gekauft. Einer weiteren Erhebung des Datenportals Statista zufolge (siehe Grafik) lehnen nur 16 Prozent Fast Fashion konsequent ab.

Dennoch: Ohne Nachhaltigkeits-Programm, sagt Berg, komme heute nahezu kein Textilkonzern mehr aus. „Die Textilproduktion macht etwa zehn Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes aus. Eine längere Nutzungsdauer bei der Kleidung ist da ein guter Hebel.“ Uniqlo gehe da in die richtige Richtung. „Aber zur Wahrheit gehört auch: Noch hat es keines der großen Textilunternehmen geschafft, ein echtes Kreislaufsystem zu schaffen.“ Die Recyclingquote sei „homöopathisch“. Ein Grund dafür: T-Shirts, Jacken und Pullis bestehen aus hochkomplexen Materialmischungen, die kaum wieder zu trennen sind. Bergs Fazit: „Beim Recycling steckt die Modeindustrie immer noch in den Kinderschuhen.“

Dass Uniqlo erst jetzt nach München kommt, liegt auch an Österreichs berühmtestem Pleitier René Benko. Denn eigentlich wollte der Textil-Riese seine Dependance in prominenter Lage in der Alten Akademie eröffnen. Mehr als 2000 Quadratmeter, mitten in der Kaufingerstraße – es wäre eine Kampfansage an die Platzhirsche H&M und Zara gewesen, die in nahezu jeder europäischen Metropole die Filet-Immobilien der Innenstädte bestücken. Mit der Signa-Pleite wurde die Alte Akademie zur Bauruine, Uniqlo musste umdisponieren. Jetzt also eine Nummer kleiner in Schwabing, auf 900 Quadratmetern im Marmorhaus, jahrzehntelang Heimat eines Kinos – und zuletzt Filiale von Zara.

Noch ein Grund bremst die Japaner, wie Branchenkenner Berg erklärt. „Europa ist nicht der einfachste Markt. Die Kleiderschränke sind voll, die Umsätze stagnieren.“ Und Deutschland, Heimat der Discounter, hat neben H&M und Zara seit jeher günstige Kleidungsanbieter – von NKD über Takko und KIK bis C&A. Wer hier Marktanteile will, muss andere verdrängen. „Das gelingt nicht jedem“, sagt Berg. Jüngstes Beispiel: Als der Textil-Discounter Primark vor einigen Jahren den Schritt nach Deutschland wagte, standen die Kunden Schlange. Doch die Euphorie ist vorbei: Zuletzt lief das Geschäft eher schleppend.

Koji Yanai lässt sich nicht abschrecken: „Es gibt Wachstumspotenzial in Europa. Unsere Marke wird geschätzt. Deswegen werden wir die Zahl unserer Geschäfte weiter erhöhen.“ Sein Deutschland-Sprecher stellt schon vor der Eröffnung klar: Die Leopoldstraße werde nicht der einzige Standort in München bleiben.

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