Ein Ort trauert still um seine Heldin

von Redaktion

Dahlmeiers Ehrenurkunde im Büro von Bürgermeisterin Elisabeth Koch.

Die Hüttenwirtin auf Zeit beim Bettenmachen. © Privat

Emotionales Treffen: Dahlmeier mit den tibetischen Mönchen aus dem südindischen Mundgod. © Privat

Eine Kerze für Laura Dahlmeier entzündet Pfarrer Josef Konitzer in der Kirche St. Martin. Neben dem Altar hat er spontan eine kleine Gedenkstätte aufgebaut. © FOTOS: THOMAS SEHR (2)

Garmisch-Partenkirchen – Acht weiße Rosen liegen auf dem Fliesenboden vor dem Geschäft an der St.-Martin-Straße. Das Einrichtungshaus Dahlmeier kennt man in Garmisch-Partenkirchen. Wer den Strauß vor den geschlossenen Schiebetüren abgelegt hat, weiß man nicht. Eine Botschaft fehlt. Aber es gibt keinen Zweifel, für wen die Blumen vor dem Familienbetrieb gedacht sind. Nach dem Tod der früheren Weltklasse-Biathletin Laura Dahlmeier steht der Ort unter Schock. Wer aber Blumenmeere sucht, findet sie in Garmisch-Partenkirchen nicht. Um „ihre Laura“, die den Trubel um ihre Person nie mochte, trauern die Einheimischen lieber im Stillen.

Die Menschen im Ort haben gehofft, gebangt, mancher geweint. Die Nachricht, dass Laura Dahlmeier am pakistanischen Laila Peak verunglückt ist, berührt die Garmisch-Partenkirchener, die ihr immer wieder begegneten, sie persönlich kannten. Vor wenigen Wochen noch besuchte die mehrmalige Olympiasiegerin und Weltmeisterin den „Sundowner“ an der Tannenhütte. Dort genießen Einheimische und Gäste den Sonnenuntergang über dem Ort. Sie mischte sich einfach unter die Besucher. Eine Sonderbehandlung hätte Dahlmeier auch nicht gewollt. Das hat sie immer abgelehnt – egal, wo sie auftauchte oder sich engagierte.

Wie bodenständig Dahlmeier war, betont jeder, der am Donnerstag schon bereit ist, über sie zu sprechen. Vielen ist das zu früh. Die örtliche Bergwacht, die sie jahrelang als aktives Mitglied unterstützte, äußert sich nicht zu den tragischen Geschehnissen. Die haben auch bei Otmar Würl Spuren hinterlassen. „Der Schock sitzt tief“, sagt er. Der 69-Jährige kannte Dahlmeier schon als Teenagerin. Bis vor drei Jahren leitete er das St.-Irmengard-Gymnasium, wo sie 2011 ihr Abitur machte. In der Oberstufe unterrichtete er Laura in Mathematik. Als „hervorragende Schülerin“ beschreibt er sie. Noch wichtiger ist ihm die menschliche Seite: „Sie hat nie irgendwelche Ansprüche gestellt.“ Und das, obwohl sich schon zu Schulzeiten andeutete, dass sie einmal eine ganz große Biathletin werden könnte. Zu ihren wichtigsten Erfolgen gratulierte ihr Würl per E-Mail – und bekam immer eine Antwort. „Sie hat mich nie vergessen, obwohl sie bestimmt unendlich viele Nachrichten bekommen hat.“

Als Josef Konitzer die Nachricht von Dahlmeiers Tod erreichte, musste der Pfarrer für den Ortsteil Garmisch innehalten. Bis zuletzt hatte er auf ein Wunder gehofft und für Dahlmeier gebetet. Das tut er auch 24 Stunden später. Vor dem Altar in der Pfarrkirche St. Martin stellte er spontan ein Bild von ihr auf. Daneben stehen ein bunter Blumenstrauß und eine große Kerze. Konitzer zündet sie an und betet noch einmal für Laura, die er persönlich kannte. Er möchte sie so in Erinnerung behalten, wie sie auf dem Foto zu sehen ist. Es zeigt sie dort, wo sie nach ihrer kurzen, aber intensiven Karriere am liebsten war – in den Bergen. Mit Rucksack, Stirnband, Sonnenbrille und Stöcken in der Hand lacht sie in die Kamera.

In den Bergen suchte Dahlmeier die Freiheit. Im Sommer 2019 wurden sie einige Tage ihr Arbeitsplatz. Ihr Skiclub, der SC Partenkirchen, hatte ihr auf der Meilerhütte im Wettersteingebirge ein Praktikum organisiert. Für Dahlmeier erfüllte sich ein Kindheitstraum. Als junges Mädel wollte sie entweder Olympiasiegerin oder Hüttenwirtin werden. So hat sie es einst mit bunten Stiften in ein Freundschaftsbuch geschrieben. Auf 2372 Höhenmetern machte sie Betten, wischte Böden, schenkte an der Theke aus und servierte Frühstück, Mittag- und Abendessen. Von ihrem „super Praktikum“ schwärmte Dahlmeier danach. Auch dort oben dachten Freunde und Weggefährten nun an die 31-Jährige: Nahe der Hütte entzündeten sie nach der Nachricht von ihrem Tod ein Bergfeuer.

In der Region war Laura Dahlmeier tief verwurzelt, nahm im August 2024 vor hunderten Zuschauern beim Tauziehen im Partenkirchener Festzelt teil. Doch ihr Blick ging auch über die Heimat hinaus. Zum Beispiel ins tausende Kilometer entfernte Mundgod in Südindien. Besonders dem Sakya Kloster, in dem tibetische Mönche leben, fühlte sie sich verbunden. Der Kontakt kam über die Initiative Oberland zustande, die auch Tessy Lödermann unterstützt. „Laura hatte eine spirituelle Seite.“ Mehrere Male erlebte die Vorsitzende des örtlichen Tierschutzvereins, wie Dahlmeier mit den Mönchen – für einen hatte sie eine Patenschaft übernommen – zusammenkam. Ein letztes Treffen fand im vergangenen Sommer in Garmisch-Partenkirchen statt. Allen Mönchen schenkte sie hochwertige Sonnenbrillen. 2019 hatte Dahlmeier in Mundgod zudem eine Näherei eingerichtet, Nähmaschinen gekauft und Frauen eine Schneiderlehre bezahlt.

Die Garmisch-Partenkirchener sprechen in diesen traurigen Tagen weniger über die Athletin als vielmehr über den Menschen Laura Dahlmeier. „Laura war mehr als eine Spitzensportlerin – ein freundlicher und warmherziger Mensch“, sagt Elisabeth Koch. Als die Bürgermeisterin die Todesnachricht erreichte, entzündete sie in ihrem Büro eine Kerze. Auf ihrem großen Besprechungstisch liegt ein dickes Buch. Darin eine Urkunde, die Laura Dahlmeier 2018 zur Ehrenbürgerin machte, darunter ihre Unterschrift. Daneben leuchtet eine zweite Kerze. Für ein stilles Gedenken in ihrer Heimat.

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