Der Laila Peak in Pakistan ist ein 6096 Meter hoher Gipfel in den Masherbrum-Bergen, einer Kette des Karakorum. © Imago
Thomas Huber und Marina Krauss gestern bei der Pressekonferenz in Skardu in Pakistan. © Manzoor Balti/AFP
Islamabad/München – Laura Dahlmeier hatte es schriftlich so verfügt und ihr Wunsch wird respektiert: Der Leichnam der 31-Jährigen verbleibt am Laila Peak, wo sie am Montag tödlich verunglückt war. Das bestätigten die pakistanischen Behörden und auch Dahlmeiers Management. Aufgrund der aktuell vorherrschenden Gefahren am Berg werde in Abstimmung mit dem Alpine Club of Pakistan (ACP) der Leichnam nicht geborgen. Allerdings: „Die Angehörigen werden im Austausch mit den Behörden vor Ort die Situation am Laila Peak beobachten und halten es sich offen, eine Bergung zu einem späteren Zeitpunkt zu veranlassen.“
Gestern sprach Marina Krauss, die mit Dahlmeier auf dem Laila Peak war, erstmals öffentlich über die dramatischen Stunden. „Ich habe beobachtet, wie die Laura ein riesengroßer Stein getroffen hat und wie sie dann gegen die Wand geschleudert wurde“, berichtete Krauss während einer Pressekonferenz in Skardu. „Und von dem Moment an hat sie sich auch nicht mehr bewegt.“
Krauss sagte, sie habe keine Chance gesehen, die verunfallte Biathlon-Olympiasiegerin zu erreichen. „Für mich war es nicht möglich, irgendwie da sicher hinzukommen“, berichtete sie. „Für mich war klar: Die einzige Möglichkeit, ihr noch zu helfen, ist, den Helikopter zu rufen. Sie hat sich nicht bewegt, sie hat keine Anzeichen von sich gegeben. Ich habe nach ihr gerufen, es kam keine Reaktion.“ Ihr sei klar gewesen, „dass sie nur eine Chance hat, wenn sofort Hilfe kommt“.
Sie selbst sei vor dem Unglück im Abstieg am Seil vorausgeklettert. „Wir waren an der dritten Abseilstelle. Wir haben uns abgeseilt, ich war schon unten an der nächsten Abseilstelle, habe das vorbereitet, Laura ist nachgekommen“, sagte Krauss. „Dann ging der Steinschlag los.“ Das Duo hatte sich entschieden, vor dem Gipfel umzukehren: „Wenn wir eine halbe Stunde früher drangewesen wären, dann wären wir auch sicher runtergekommen.“
Noch gestern Vormittag herrschte Unklarheit, ob der Leichnam von der Unglücksstelle aus 5600 Metern geborgen wird. Dahlmeier hatte für den Fall eines Unglücks schriftlich verfügt, sie am Berg zurückzulassen, sollte die Bergung andere Menschen in Gefahr bringen. Der Alpine Club of Pakistan sprach erst davon, für eine Bergung aufzusteigen, sobald das Wetter das zulasse, am Nachmittag teilte Faizullah Faraq, Sprecher der Provinzregierung von Gilgit-Baltistan, dann mit, dass es keinen weiteren Bergungsversuch geben werde. Man werde Dahlmeiers Wunsch, ihren Körper nach ihrem Tod auf dem Berg zurückzulassen, respektieren. Jedoch halten sich die Angehörigen die Option offen, die Garmisch-Partenkirchenerin, die nur 31 Jahre alt wurde, vom Laila Peak zu holen.
Der US-Bergsteiger Jackson Marvell, der mit dem bayerischen Bergsteiger Thomas Huber und weiteren Alpinisten Teil des Rettungsteams in Pakistan war, berichtete von der gescheiterten Rettungsmission. Eine Bergung wäre zwar grundsätzlich zu Fuß oder per Helikopter möglich, „aber mit unglaublichen Risiken verbunden“. Der Berg habe sich, sagte Marvell vor Ort, „in den letzten 48 Stunden erheblich verändert, es gibt jeden Tag erhebliche Steinschläge. Und selbst mit einer langen Leine an einem Helikopter gibt es immer noch viele Steinbrocken, die die Wand hinunterfallen“. Er sei in einem Helikopter „um den Berg herumgeflogen. Ich habe ihren Körper entdeckt. Und ich beobachtete, dass es keinerlei Lebenszeichen gab. Sie lebte nicht mehr“, erzählte Marvell. „Als erfahrene Bergsteiger haben wir uns entschieden, nicht zu gehen“, bestätigte auch Thomas Huber. Die Retter hätten Dahlmeiers Wunsch respektieren wollen, niemanden zu gefährden. „Für die Welt war sie eine erfolgreiche Sportlerin, für uns eine gute Freundin“, sagte Huber.
Über andere Todesfälle am knapp 6100 Meter hohen Laila Peak, der zum Karakorum-Gebirge gehört, ist wenig Bestätigtes bekannt. 2016 stürzte dort der Italiener Leonardo Comelli 400 Meter tief ab. Die Leiche des 27-Jährigen wurde jedoch von Bergkameraden geborgen und ins Basislager gebracht. Dass Bergtote am Ort des Unglücks verbleiben, ist gerade auf Achttausendern nicht unüblich. Am Mount Everest zum Beispiel starben bisher mehr als 300 Bergsteiger, die meisten in der sogenannten Todeszone, die bei 8000 Metern beginnt. Eine Bergung aus dieser Zone ist in der Regel zu gefährlich.
MATHIAS MÜLLER UND W. HAUSKRECHT, MIT DPA