Hohes Cholesterin wird zum Herz-Killer

von Redaktion

Neun Wahrheiten über die Blutfettwerte – und wie man Risikofaktoren minimieren kann

Erfahrener Kardiologe: Prof. Volker Klauss. © Andreas Koehler

Alarm in der Brust: Mehr als 300 000 Menschen erleiden jedes Jahr in Deutschland einen Herzinfarkt. © Panther Media

München – Im Kampf gegen den Herzinfarkt steckt die Medizin in einem Dilemma: Viele Patienten fürchten sich zwar vor dieser potenziell tödlichen Erkrankung, gehen aber eher nachlässig mit der Prävention um. So werden bestimmte Risikofaktoren wie hohes Cholesterin nach wie vor oft unterschätzt. Dabei gilt Cholesterin als gefährlicher Gefäßkiller. „Deshalb sollte jeder seine Werte zumindest einmal kontrollieren lassen und bei Auffälligkeiten im Blick behalten“, rät Professor Volker Klauss. Hier erklärt der erfahrene Münchner Kardiologe neun Wahrheiten über Ihre Blutfettwerte.

Gefahren

Hohes Cholesterin kann eine fatale Kettenreaktion in den Gefäßen verursachen. Genauer gesagt LDL-Cholesterin (Low Density Lipoprotein). Es befeuert die Bildung von Ablagerungen in den Gefäßwänden und schädigt das Endothel – die dünne Zellschicht, die die Blutgefäße (beispielsweise die Herzkranzgefäße) auskleidet.

Diese Ablagerungen nennt man Plaques. Es kann eine zähflüssige Masse entstehen, die nur durch eine dünne Faserkappe vom Inneren des Gefäßes getrennt ist. „Wenn diese Kappe einreißt, entleeren sich die Plaques in das Gefäß hinein. Dadurch wird ein Gerinnungs- und Reparaturprozess in Gang gesetzt, unter anderem mit Thrombozyten, und im schlimmsten Fall verschließt sich das Gefäß komplett. Dann kommt es zu einem Herzinfarkt“, erklärt Klauss. „Diese Plaques können aber auch in einem schleichenden Prozess über Jahre verkalken und durch Engstellen in den Gefäßen Herzschmerzen verursachen.“

Therapie

Hohe Cholesterinwerte lassen sich im Mittel um etwa fünf bis 15 Prozent durch eine Ernährungsumstellung verringern. Um das Cholesterin ausreichend zu senken, verordnen Ärzte in sehr vielen Fällen daher zusätzlich Medikamente – insbesondere dann, wenn ihre Patienten zusätzliche Herz-Kreislauf-Risikofaktoren wie Bluthochdruck, Diabetes oder Rauchen oder eine eingeschränkte Nierenfunktion aufweisen. „Denn solche Begleiterkrankungen können die negativen Effekte von hohem Cholesterin noch verstärken.“

Medikamente

Als Basis dienen Statine. Diese Mittel sind sehr gut erforscht. Sie gelten als sehr sicher und effizient. So lässt sich der LDL-Cholesterinspiegel durch Statine um bis zu 50 Prozent verringern. Wenn dies noch nicht ausreicht, um den Zielwert zu erreichen (siehe Tabelle rechts), verordnen Spezialisten wie Klauss eine Kombinationstherapie.

Die Patienten erhalten dann zusätzlich ein weiteres oder sogar mehrere Mittel. Häufig werden die Statine mit Ezetimib kombiniert. Das ist ein Arzneistoff, der die Aufnahme von Cholesterin aus dem Darm reduziert.

Auch Bempedoinsäure ist eine bewährte Alternative. Sie hemmt ähnlich wie Statine die Cholesterinaufnahme in der Leber. Durch solche Kombinationen lässt sich das LDL-Cholesterin um weitere etwa 15 bis 25 Prozent senken.

Bei völliger Unverträglichkeit von Statinen kann Ezetimib auch mit Bempedoinsäure kombiniert werden, dies verringert das LDL-Cholesterin um 30 bis 40 Prozent.

Reichen diese Therapien immer noch nicht aus, um das Cholesterin in den grünen Bereich zu bringen, setzen Kardiologen und Internisten seit wenigen Jahren neue Cholesterinsenker ein. Diese senken durch eine vermehrte Aufnahme von LDL-Cholesterin in der Leber den Cholesterinspiegel im Blut. Diese Medikamente gehören zur Wirkstoffgruppe der PCSK-9-Hemmer und werden als Injektion verabreicht. Deshalb ist umgangssprachlich von der „Spritze gegen den Herzinfarkt“ die Rede.

Nebenwirkungen

Statine können zwar Nebenwirkungen wie Muskel- oder Gelenkbeschwerden verursachen. „Diese lassen sich aber durch eine vorsichtige Dosierung vermeiden bzw. gut in den Griff bekommen. Die allermeisten Patienten vertragen diese Mittel sehr gut. Nur wenige Patienten entwickeln Beschwerden, die eindeutig den Medikamenten zuzuordnen sind“, analysiert Klauss.

Diese Einschätzung teilen auch Wissenschaftlerkollegen, die im Fachjournal „The Lancet“ eine Studie zur Verträglichkeit von Statinen veröffentlichten. Sie untersuchten die Nebenwirkungen bei Patienten, die mit Statinen behandelt wurden. Nur in einem von 15 Fällen waren die Beschwerden auf die Cholesterinsenker zurückzuführen.

Behandlungsstrategie

Kardiologe Klauss empfiehlt eine sehr vorsichtige Dosierung der Medikamente. Ihre Wirkung sollte im Abstand einiger Wochen immer durch Laborkontrollen überprüft werden. „Wir versuchen, uns behutsam an die optimale Dosis heranzutasten. Durch diese Strategie lassen sich Nebenwirkungen in den allermeisten Fällen vermeiden.“

Erfolgsaussichten

„In über 95 Prozent der Fälle können wir mit einer Kombinationstherapie die Zielwerte im niedrigen LDL-Bereich erreichen. Das ist zwar oft sehr aufwendig und erfordert Geduld, weil es auch mal einige Monate dauern kann. Aber es lohnt sich“, weiß Professor Volker Klauss.

Zum Hintergrund: Anders als beispielsweise Patienten, die bereits einen Herzinfarkt oder eine andere schwerwiegende Herzerkrankung erlitten haben, kommt es bei ansonsten gesunden Menschen mit erhöhten Cholesterinwerten nicht darauf an, ob sie die eine oder andere Woche früher oder später optimale Werte erreichen. „Entscheidend ist vielmehr, dass sie ihre Medikamente gut vertragen und das Cholesterin auf lange Sicht im Griff ist.“

Ernährung

Gesunde Ernährung ist wichtig, aber ihr Einfluss auf den Cholesterinspiegel wird überschätzt. Gerade schlanke Patienten, die sich regelmäßig bewegen, werden ihre Werte durch eine Essensumstellung kaum entscheidend drücken können. Auch Fülligeren hilft Abnehmen allein nur selten weiter. „Beim Cholesterin kann die erbliche Veranlagung eine Rolle spielen. Sie ist durch eine Ernährungsumstellung nicht zu beeinflussen“, sagt Klauss.

Übrigens: Der negative Einfluss von Eiern wird überschätzt. Eine neue australische Studie kommt zu dem Schluss, dass zwei Eier täglich in Verbindung mit einer fettarmen Diät sogar gut für den Cholesterinspiegel sein können.

Familiengeschichte

Hohe Cholesterinwerte können auch in den Genen liegen, Ärzte sprechen von einer familiären Hypercholesterinämie. Deshalb sollte man besonders auf der Hut sein, wenn beispielsweise ein Elternteil, Bruder oder Schwester hohe Werte haben – oder sogar schon mal einen Herzinfarkt erlitten. Klauss erklärt: „Bei der Prävention ist es ist ganz wichtig, dass insbesondere diese Risikopatienten rechtzeitig erkannt werden.“ Darauf zielt die VRONI-Studie ab. Dabei sind Kinder zwischen fünf und 14 Jahren im Rahmen der U-Untersuchungen kostenfrei auf hohes Cholesterin getestet worden. Die Idee dahinter: Wenn ein Kind auffällige Werte hat, kann gleich seine gesamte Familie untersucht und rechtzeitig behandelt werden – mit dem Ziel, spätere Herzinfarkte zu vermeiden. Kardiologe Klauss würde sich zudem mehr niederschwellige Cholesterin-Checks wünschen: „Manche Apotheken bieten bereits Tests an, die mit einem Tropfen Blut aus der Fingerkuppe funktionieren.“

Alarmsignal

Neben dem LDL-Cholesterin sollte man das Lipoprotein (a) bestimmen lassen. Das ist ein eigenständiges Protein und ein unabhängiger Risikofaktor für Atherosklerose und für eine Verengung (Stenose) der Aortenklappe. „Der Lipoprotein-(a)-Wert ist ungefähr bei jedem fünften bis zehnten Menschen erhöht“, erläuert Klauss. „Je stärker es erhöht ist, desto größer die Gefahr von Atherosklerose. In diesem Fall muss man alle anderen Risikofaktoren genau anschauen und therapieren.“ Zur Senkung des Lipoprotein (a) gibt es im Moment noch keine zugelassene Therapie.ANDREAS BEEZ

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