Ein dankbarer Pilger hat diese Votivtafel gestiftet © Claudia Möllers
Postkartenidylle pur: Die Wallfahrtskirche Maria Gern oberhalb von Berchtesgaden mit Blick auf den Watzmann. © imago classic
Pfarrer Thomas Frauenlob und Mesnerin Eva Schweiger in der Wallfahrtskapelle Maria Gern. © Claudia Möllers
Berchtesgaden – Sie wird über und über mit Blumen geschmückt sein, die Wallfahrtskirche Maria Gern bei Berchtesgaden, wenn sich am Freitag zum Feiertag Mariä Himmelfahrt um 8.30 Uhr die Gläubigen mit ihren bunten Kräuterbuschn in dem barocken Kirchbau versammeln. Mariä Himmelfahrt ist eines der größten Feste im Jahreskreis, das in diesem Kircherl auf dem Hochplateau über Berchtesgaden begangen wird.
„Wir feiern Mariä Himmelfahrt in ganz traditioneller Weise. Hier wird die Volksseele Bayerns gestreichelt“, sagt Pfarrer Thomas Frauenlob (62), der seit zwölf Jahren Seelsorger in Berchtesgaden ist. Ein fröhliches Fest mit einem feierlichen Gottesdienst, in dem die Kräuterbuschen gesegnet werden, während das Votivbild mit der Himmelkönigin und dem Jesuskind aus dem Jahr 1626 im roten Prachtgewand den Gläubigen zunickt. Wenn die Gottesdienstbesucher, unter die sich viele Touristen mischen, nach der Messe aus der Kirchtüre treten, eröffnet sich ihnen ein atemberaubender Blick auf den Watzmann mit seinen 2713 Metern und die anderen Gipfel der Berchtesgadener Alpen.
Viele Marienkirchen
Das Hochtal, die Gern, liegt auf 700 Metern Höhe. Eine Gegend, die eng mit der Gottesmutter verbunden ist. „Das erstaunt mich selber“, sagt Pfarrer Frauenlob. Rund um den Untersberg herum, den sagenumwobenen Berg zwischen Berchtesgaden und Salzburg mit der markanten Riesending-Schachthöhle, sind viele Marienkirchen. „Allein hier im Talkessel sind es fünf Wallfahrtsorte: Neben Maria Gern gibt es Maria am Anger, Maria Ettenberg, Maria Kunterweg in der Ramsau und die Privatkirche Maria am Berg.“ Auf der anderen Seite des Untersbergs gibt es weitere Marienkirchen: „Hier ist ein marianisches Land“, schmunzelt der Leiter des Pfarrverbands „Stiftsland“.
Die Geschichte der Wallfahrt in Maria Gern geht bis ins Jahr 1600 zurück, die Zeit der Gegenreformation. Zunächst war es nur eine kleine Kapelle mit einem anderen Gnadenbild, dann wurde ein neues Votivbild geschnitzt, für das eine Kapelle auf dem Grund der heutigen Kirche errichtet wurde. Der jetzige Barockbau wurde 1708 begonnen. „Maria Gern auf dem Felsen mit dem Watzmann dahinter, das ist ein ikonisches Bild“, weiß auch Pfarrer Frauenlob. Eine ganz besondere Kirche – weit über die Region hinaus. Und so kommen auch am Feiertag viele Touristen „rein in die Gern“.
Heile katholische Welt ist es in Berchtesgaden freilich nicht mehr. Auch hier nimmt der Gottesdienstbesuch ab, vor allem seit Corona. „Das war ein Brandbeschleuniger“, sagt Frauenlob. Zudem bereitet ihm die Bausubstanz der Kirche Sorgen. Maria Gern muss für 800 000 Euro saniert werden, die Kirche mit den Holzschindeln braucht dringend ein neues Dach, auch die Fassade ist schadhaft und der Innenraum von Kerzen und Heizung verrußt. Das Geld muss die Gemeinde allein aufbringen. Hier zeigen sich nicht nur Einheimische, denen Maria Gern am Herzen liegt, spendabel. Monsignore Frauenlob erinnert sich an einen Urlauber, der aus Freude darüber, dass die Kapelle geöffnet war, einen fünfstelligen Betrag stiftete.
Maria Gern ist für Thomas Frauenlob, der auch Domkapitular am Liebfrauendom in München ist und viele Jahre im Vatikan am Dikasterium für die Kultur und die Bildung tätig war, ein Juwel, „ein durchbeteter Raum“. Dass erst vor 75 Jahren das Dogma von der leiblichen Aufnahme Marien von Papst Pius XII. erklärt wurde, sieht Frauenlob als Abschluss eines marianischen Jahrhunderts. 1854 habe Papst Pius IX. zunächst die unbefleckte Empfängnis Mariens definiert. Danach habe es viele Marienerscheinungen wie in Lourdes und Fatima gegeben. „Und dann darf man die unglaubliche Vernichtung und Gewalt des Zweiten Weltkrieges und der Schoa nicht vergessen.“ Der Mensch sei nicht für den Tod bestimmt, sondern für die Auferstehung, für das ewige Leben, sei die Botschaft.
In Berchtesgaden sei das Fest Mariä Himmelfahrt so etwas wie ein Haltepunkt im Leben. „Es ist ein schönes Fest mit schöner Musik. Und vielleicht ist im Innersten auch der Gedanke da: Wir leben in so heillosen Zeiten. Wenn da ein Fest gefeiert ist, bei dem unser Heil wahrnehmbar ist, das tröstet doch auch ein bisserl.“ Das wird Monsignore Frauenlob auch am Feiertag predigen: Sich nicht fixieren auf das Destruktive, „das Loch im Socken – es gibt den ganzen Socken auch noch.“ Das Gute im Blick zu behalten, wird der Pfarrer den Menschen mit auf den Weg geben, wenn sie mit ihren gesegneten Kräuterbuschen die Kirche verlassen – und auf das Stiftsland und das Watzmann-Massiv blicken.