Was kommt nach Alaska?

von Redaktion

Gemeinsam zu Trump: EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen empfängt den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj am Sonntag in Brüssel. © Wiktor Dabkowski/dpa

Keine Antworten: Putin reagiert mit Grimassen und Gesten auf die laut durcheinander fragenden Journalisten – sollte wohl heißen: Ich verstehe euch nicht. © AFP

Zwei Präsidenten, kein Ergebnis: Das Treffen zwischen Donald Trump und Wladimir Putin in Anchorage brachte keinen Durchbruch zum Frieden in der Ukraine. © Andrew Harnik/AFP

Washington/Moskau – Die Erwartungen an das Gipfeltreffen von Kremlchef Wladimir Putin und US-Präsident Donald Trump waren riesig. Doch nach dem fast dreistündigen Gespräch in Alaska blieb bei der Frage nach Ergebnissen zunächst vor allem eins übrig: das Fragezeichen – und außerdem Bilder, die für Putin womöglich wertvoller sind als jedes schriftliche Abkommen. Der US-Präsident bot dem Kremlchef, der seit Februar 2022 einen Angriffskrieg gegen die Ukraine führt, auf amerikanischem Boden die große Bühne.

An die Stelle handfester Ergebnisse traten Bilder von hoher Symbolkraft. Trump – ganz der Entertainer – inszenierte die erste Begegnung eines amtierenden US-Präsidenten mit dem Kremlchef seit gut vier Jahren als freundliches Treffen auf Augenhöhe. Die Air Force One war längst gelandet, doch der Republikaner ließ sich Zeit mit dem Aussteigen – so lange, bis auch die russische Maschine mit Putin eingetroffen war.

Der russische Präsident bekam einen roten Teppich, einen ausgiebigen Handschlag und anschließend eine – im diplomatischen Protokoll eher ungewöhnliche – gemeinsame Fahrt in der gepanzerten Präsidentenlimousine. Das Statement der beiden fand vor dem in großen Buchstaben gedruckten Slogan „Pursuing Peace“ statt – „Frieden anstreben“ in einem Krieg, den Trumps Gast selbst angezettelt hat. Auffällig auch: Der Republikaner räumte dem Kremlchef beim Reden vor der Presse den Vortritt ein. Putin nutzte die Gelegenheit und sprach doppelt so lang wie sein Gastgeber. Fragen waren nicht zugelassen. Entsprechend zufrieden zeigte er sich im Anschluss. „Das Gespräch war sehr offen, inhaltlich reichhaltig und bringt uns meiner Meinung nach den gewünschten Lösungen näher“, sagte Putin. Und: „Wir haben mit Herrn Trump gute direkte Kontakte aufgebaut.“

Nun will Trump den ganz großen Wurf landen und im Sinne Putins gleich ein Friedensabkommen für die Ukraine aushandeln. Dazu trifft er heute im Weißen Haus den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, der viel Verstärkung aus Europa mitbringt – darunter Kanzler Friedrich Merz (CDU), EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Nato-Generalsekretär Mark Rutte.

Der US-Präsident verfolgt den Plan, Putin und Selenskyj direkt an einen Tisch zu bringen. Trumps Treffen mit dem ukrainischen Präsidenten könnte – wenn es gut verläuft – der entscheidende Zwischenschritt dahin sein. Ziel ist es, ein Ende des russischen Angriffskrieges zu erreichen, das Töten zu beenden. Trump sieht sich in der Rolle des Vermittlers, will Friedensstifter sein. Der Republikaner hatte im Wahlkampf immer wieder gesagt, er sei in der Lage, den Krieg zu beenden.

Und dann ist da noch Trump, der Geschäftsmann. Der Republikaner macht immer wieder deutlich, dass er außenpolitische Beziehungen vor allem dann als erfolgreich betrachtet, wenn sie wirtschaftliche Vorteile für die USA mit sich bringen. Wenn Russland seinen Krieg beendet, könnten womöglich Sanktionen fallen und die USA wieder mehr Geschäfte mit der Rohstoffgroßmacht machen.

Im Vorfeld des Alaska-Gipfels mit Putin hatte Trump eine umgehende Waffenruhe gefordert. Diese hatten Selenskyj und die europäischen Verbündeten lange Zeit zur Vorbedingung für weitere Verhandlungen gemacht. Doch nach dem Putin-Gespräch ändert der US-Präsident nun seine Rhetorik deutlich. Er spricht nun von einer Friedensübereinkunft ohne den Zwischenschritt einer Waffenruhe. Damit gewinnt Putin Zeit auf dem Schlachtfeld. Und vermutlich wird Trump Selenskyj zu Zugeständnissen bewegen wollen.

Ein Knackpunkt bei dem Treffen am Montag wird das Thema von Gebietsabtretungen sein, die Selenskyj immer wieder kategorisch abgelehnt hatte. Er warnte davor, Russland in dem Krieg etwas zu schenken und den Nachbarn so zu weiteren Aggressionen zu ermuntern. Russland hingegen besteht darauf, dass die Ukraine Gebietsverluste anerkennt.

Vor allem wollen Selenskyj und die Europäer den Sanktionsdruck auf Russland erhalten und Sicherheitsgarantien für die Ukraine – unter Beteiligung der USA, um das vor Land künftigen Angriffen zu schützen. Dabei soll es aber nicht um einen Nato-Beitritt der Ukraine gehen.

Ein Washington-Besuch Selenskyjs Ende Februar war im Fiasko geendet. Nachdem Trump und dessen Vize JD Vance ihn vor laufenden Kameras zurechtgewiesen hatten, verließ er die USA vorzeitig. Dabei sah sich der Ukrainer auch dem Vorwurf mangelnder Kompromissbereitschaft ausgesetzt. Die Hoffnung diesmal: Die Anwesenheit der Europäer dürfte die Dynamik des Treffens verändern und ein möglicherweise aufgeheiztes Gesprächsklima etwas abkühlen.

Trump dürfte aber auch diesmal nur begrenzte Geduld haben mit einem ukrainischen Gesprächspartner, der auf Maximalforderungen beharrt und Russland mit westlicher Hilfe besiegen will. Selenskyj steht damit ein schwieriger Spagat bevor: Er muss für die Interessen der Ukraine einstehen und Trump gleichzeitig das Gefühl geben, dass dessen Vermittlungsbemühungen ernst genommen werden.

Sicherheitsgarantien für die Ukraine – das ist eine der zentralen Forderungen Kiews und der Europäer für eine Nachkriegsordnung. Laut dem US-Sondergesandten Steve Witkoff sei Russland erstmals einverstanden damit, dass die USA und europäische Verbündete der Ukraine Nato-ähnliche Sicherheitsgarantien geben. „Wir konnten das folgende Zugeständnis gewinnen: Dass die Vereinigten Staaten einen Artikel-5-ähnlichen Schutz bieten können, was einer der eigentlichen Gründe ist, warum die Ukraine der Nato beitreten möchte“, sagte Witkoff dem Sender CNN.

Selenskyj bezeichnete die in Aussicht gestellten Sicherheitsgarantien als „historische“ Entscheidung. „Sicherheitsgarantien müssen wirklich sehr praktisch sein, Schutz zu Lande, in der Luft und auf See bieten und unter Beteiligung Europas entwickelt werden“, erklärte er am Sonntagabend.

Auf die Frage des amerikanischen Fox-News-Moderators Sean Hannity, was er selbst Selenskyj unter dem Eindruck des Treffens in Alaska nun raten würde, entgegnete Trump: „Schließ den Deal ab. Du musst den Deal abschließen.“ Russland sei eine „sehr große Macht“, sagte Trump – die Ukraine nicht.

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