Wolodymyr Selenskyj und Donald Trump im Februar in Washington, rechts US-Vizepräsident JD Vance. Die Stimmung war eisig, jetzt ist der Druck auf Selenskyj erneut groß. © dpa
Washington – Was für ein Kontrast im Vergleich zum letzten Treffen. Am 28. Februar war es richtig laut geworden, als Wolodymyr Selenskyj im Oval Office zu Gast war. Vizepräsident J. D. Vance warf dem Ukrainer Respektlosigkeit vor. Sogar dass der Ukrainer ohne Anzug erschienen war, wurde thematisiert. Ein knappes halbes Jahr später sitzen Donald Trump und Selenskyj am Montagmorgen (Ortszeit) wieder im Weißen Haus beisammen. Der Gast trägt eine schwarze Hose, ein schwarzes Hemd und eine schwarze Jacke. Und die Stimmung ist geradezu gelöst, wenn man bedenkt, wie ernsthaft die Frage nach Krieg und Frieden ist.
Es wird sogar gescherzt. Trump lobt das Outfit des ukrainischen Präsidenten. Dieser sehe toll aus in dem schwarzen Anzug. Ähnlich äußert sich der Journalist, der Selenskyj bei dessen letzten Besuch für dessen Outfit kritisiert und das Thema aufgebracht hatte.
Der öffentliche Auftritt der beiden Präsidenten ist der Auftakt einer ganzen Reihe von Gesprächen, für die auch viele europäische Spitzenpolitiker nach Washington gereist sind. Eine knappe halbe Stunde nehmen sich die beiden für die Presse Zeit, wobei es auch immer wieder um amerikanische Innenpolitik geht. Bei konkreten Fragen zur Ukraine bleiben beide aber lieber vage.
Kurz vor dem Treffen hatte Trump Selenskyj unter Druck gesetzt. In einem Post auf seiner Plattform Truth Social wandte sich Trump nicht etwa an den Angreifer Russland, sondern schrieb: „Der ukrainische Präsident Selenskyj kann den Krieg mit Russland fast sofort beenden, wenn er will, oder er kann weiterkämpfen.“ Im gleichen Atemzug erklärte Trump einen Nato-Beitritt und die Rückgabe der Krim für unrealistisch. „Manche Dinge ändern sich nie!!!“, schrieb er. Er verwies darauf, dass der damalige US-Präsident Barack Obama die Annexion der Krim 2014 nicht verhindert habe. Er fügte in Großbuchstaben hinzu: „KEIN NATO-BEITRITT DER UKRAINE.“ Die russische Armee flog in der Nacht neue Luftangriffe auf die Ukraine.
Nach dem bilateralen Treffen sollte eine Runde mit den europäischen Spitzenpolitikern stattfinden, die Selenskyj in die US-Hauptstadt begleiten. Dazu zählen Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU), Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Nato-Generalsekretär Mark Rutte. Diese Gespräche waren bei Redaktionsschluss dieser Ausgabe noch nicht beendet. Der Tag könnte je nach Verlauf ein Zwischenschritt hin zu einem möglichen dritten Treffen sein – dann zwischen Russland und der Ukraine.
Anders als zuletzt bestreitet Trump die Notwendigkeit einer Waffenruhe. Er möge zwar das Konzept einer Feuerpause, weil damit das Töten von Menschen „sofort“ aufhören würde, sagt der Gastgeber. Aber auch: „Wir können an einem Deal arbeiten, während sie kämpfen.“ Zugleich kündigt er an, die USA würden sich im Rahmen eines Friedensabkommens an der Bereitstellung von Sicherheitsgarantien beteiligen. Zwar würden die Europäer „die erste Verteidigungslinie bilden, (…) aber wir werden ihnen auch helfen“, sagt der US-Präsident. „Wir werden uns beteiligen.“ Es wurde erwartet, dass in dem zweiten Treffen in größerer Runde die Sicherheitsgarantien einen Schwerpunkt bilden. „Das ist wirklich das Wichtigste“, sagte Selenskyj schon im Vorfeld bei einem Gespräch mit dem US-Sondergesandten Keith Kellogg.
Nach Angaben des US-Sondergesandten Steve Witkoff hat Russland Sicherheitsgarantien nach dem Vorbild des Artikels 5 im Nato-Vertrag zugestimmt – was Putin im Gegenzug von den USA, der Ukraine oder Europa erhalten soll, ist unklar. Artikel 5 sieht vor, „dass ein bewaffneter Angriff gegen eine oder mehrere von ihnen in Europa oder Nordamerika als ein Angriff gegen sie alle angesehen werden wird“. Jedoch würde im diskutierten Szenario nicht das ganze atlantische Bündnis einspringen – die Vereinigten Staaten und europäische Länder stünden stattdessen in der Pflicht.
Trump wollte nach den Gesprächen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin telefonieren. In der Nacht vor den Spitzengesprächen hatte die russische Armee die Ukraine erneut mit Kampfdrohnen und Raketen angegriffen. In der Großstadt Charkiw wurden mindestens sieben Menschen getötet und 20 verletzt. „Genau deshalb will Putin keine Waffenruhe – er schießt gern auf friedliche Städte, während er über den angeblichen Wunsch nach einem Ende des Krieges spricht“, kommentierte Selenskyjs Stabschef Andryj Jermak.