Kann die Bundeswehr die Ukraine schützen?

von Redaktion

Soldaten einer deutschen Nato-Kampftruppe: Über die Einsatzbereitschaft Deutschlands wird debattiert. © Michael Kappeler/dpa

■ Wie groß müsste so ein Einsatz sein?

Die Grenze zwischen Russland und der Ukraine ist mehr als 2000 Kilometer lang. Ein von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) im Januar veröffentlichtes Papier kommt zu dem Schluss, dass für eine „glaubwürdige militärische Absicherung“ rund 150 000 Soldaten und Soldatinnen nötig wären. Thilo Geiger vom Hamburger Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik (IFSH) hält diese Größenordnung „nicht für abwegig“: „Denn hier ginge es nicht um eine traditionelle Friedenstruppe, sondern um Abschreckungstruppen.“ Sie müssten in der Lage sein, „Russland daran zu hindern, seine Angriffe auf die Ukraine fortzusetzen“.

■ Welche Aufgaben könnten deutsche Soldaten übernehmen?

Der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag, Thomas Röwekamp (CDU), nannte als Beispiele Hilfe bei der Logistik, bei der Ausbildung ukrainischer Soldaten und bei der Luftabwehr. „Es gibt eine ganze Palette von militärischen Fähigkeiten, die wir in der Bundeswehr haben, die den Frieden in der Ukraine dauerhaft absichern kann.“

■ Sind Bodentruppen in der Ukraine denkbar?

Abgesehen davon, dass Russlands Präsident Wladimir Putin die Stationierung von Nato-Truppen keinesfalls akzeptieren will, gibt es auch in der deutschen Politik Widerstand. „Dass deutsche Soldaten in der Ukraine kämpfen, darf kein Thema sein“, sagte Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer dem „Spiegel“. Deutschland könne die Sicherheit der Ukraine nicht gewährleisten. Dafür fehlten der Bundeswehr die Voraussetzungen. „Man sollte nur so stark auftreten, wie man ist.“

■ Was wäre rechtlich nötig?

Nach einem Kabinettsbeschluss müssen Auslandseinsätze der Bundeswehr durch den Bundestag beschlossen werden. Dafür genügt eine einfache Mehrheit. Die Regierungsfraktionen von Union und SPD würden damit rechnerisch ausreichen. Im Antrag müssen für den Einsatz nach dem Parlamentsbeteiligungsgesetz auch die „rechtlichen Grundlagen“ genannt werden. „Das Bundesverfassungsgericht und das Grundgesetz geben vor, dass solche Einsätze im Rahmen von Systemen kollektiver Sicherheit stattfinden müssen – in der Regel also Nato oder UN“, sagte Friedensforscher Thilo Geiger. Mit dem Anti-IS-Einsatz im Irak zur Unterstützung der Kurden sei aber „auch das Konzept eines Bündnisses der Willigen übernommen“ worden, das nun unter anderem diskutiert wird.

■ Hätte die Bundeswehr den Einsatz im Kreuz?

Die Bundeswehr hat schon jetzt Schwierigkeiten, schnell beim Material aufzurüsten und Nato-Vorgaben zu Personalstärken für den Krisenfall zu erfüllen. Die sehen vor, dass Deutschland für einen Konflikt 460 000 Soldaten bereithält. Derzeit dienen aber nur gut 181 500 Deutsche. Bundeswehrverbands-Chef Oberst André Wüstner erklärte deshalb: Wenn die Bundeswehr nicht ausreichend Personal gewinne – „und momentan erkenne ich das nicht“ – werde man auch über eine Wehrpflicht reden müssen. Schon die Zusage einer ständig stationierten Brigade in Litauen mit 5000 Soldaten habe die Bundeswehr „an die Grenzen der Belastbarkeit“ gebracht, glaubt auch Patrick Keller von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP). IFSH-Experte Geiger gibt auch zu bedenken, dass bei Auslandseinsätzen „Einsatzstärken wegen der notwendigen Rotation immer mal drei gerechnet werden müssen“. Neben den Soldaten vor Ort seien wegen der nötigen Vor- und Nachbereitung „auch diejenigen gebunden, die sich auf den Einsatz vorbereiten, und diejenigen, die zurückkommen“.

■ Wäre auch ein kleinerer Ukraine-Einsatz möglich?

Denkbar wäre laut Geiger, dass im Rahmen eines Militäreinsatzes zunächst „grundsätzlich nur wenig Personal“ in der Ukraine stationiert wird. „Im Fall der Fälle bräuchte man dann aber doch glaubwürdig Truppen und Material schnell vor Ort“. Eine von Claudia Major und Aldo Kleemann verfasste Studie der Stiftung Wissenschaft und Politik warnt vor Einsatzvarianten mit zu wenigen Kräften vor Ort. Denn dies könne von Moskau als „Bluff“ gesehen werden und „Russland zum Testen einladen“. Auf die Hoffnung zu setzen, dass Russland dies nicht tue, wäre „fahrlässig und erhöht die Wahrscheinlichkeit eines Krieges in Europa“.

■ Was sagen andere Nato-Staaten?

US-Präsident Donald Trump schließt den Einsatz von amerikanischen Bodentruppen aus. Er gehe davon aus, dass Deutschland, Frankreich und Großbritannien dazu bereit seien, zur Absicherung eines Friedens Bodentruppen in die Ukraine zu entsenden. Andere Nato-Partner winken ebenfalls ab: Der griechische Regierungssprecher Pavlos Marinakis etwa machte klar, dass es keine griechischen Soldaten in der Ukraine geben werde.

■ Wäre ein Ukraine-Einsatz ohne US-Hilfe möglich?

Nach Ansicht von Stefan Meister von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) müssten für eine glaubwürdige Abschreckung gegen Russland US-Soldaten stationiert werden, die „innerhalb kürzester Zeit“ einsatzfähig wären. Meister ist skeptisch, ob die Bundeswehr Russland abschrecke. Generell fehlten der Nato ohne die USA entscheidende Fähigkeiten bei der Truppenstärke, der Luftabwehr und der Aufklärung.MIT AFP

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