Filmreifer Deal: Netflix steigt bei Bavaria ein

von Redaktion

Ein gigantisches Areal: Die Bavaria Filmstudios in Geiselgasteig in Grünwald im Landkreis München. Allein der Wert der Immobilien soll bei mehr als 200 Millionen Euro liegen. © Axel Haesler

Will die deutsche Filmbranche fördern: Kulturstaatsminister Wolfram Weimer. © dpa

Auch Michael „Bully“ Herbig hat sein Büro in der Bavaria Filmstadt. © babirad

Seriendauerbrenner: Seit 20 Jahren wird „Sturm der Liebe“ in den Bavaria Filmstudios produziert. © Valentin Leicht/ABR-Pictures

Die beliebteste Attraktion in den Bavaria Filmstudios: Fuchur, der Glücksdrache, aus der Verfilmung von Michael Endes „Die unendliche Geschichte“ von 1984. Klaus Doldinger, der hier so fröhlich auf dem Fabelwesen reitet, schrieb damals die Filmmusik. © Marcus Schlaf

Geiselgasteig – Vielleicht fliegt Fuchur, der Glücksdrache, bald bei Netflix. Eine Neuverfilmung des Michael-Ende-Klassikers bei dem US-amerikanischen Streaminganbieter? Das muss keine Fantasterei wie aus der „Unendlichen Geschichte“ bleiben. Denn wie unsere Zeitung exklusiv erfahren hat, will Netflix bei den Bavaria Filmstudios in Geiselgasteig in Grünwald (Kreis München) mit einsteigen. Aus dem Ministerium von Wolfram Weimer, Staatsminister für Kultur und Medien, heißt es, die Gespräche mit den Eigentümern seien „vielversprechend“ verlaufen; es gebe inzwischen eine grundsätzliche Bereitschaft, die Studios für private Investoren zu öffnen. Ein möglicher Interessent: Netflix. Der Streaming-Riese erwäge laut Branchenkreisen, die Bavaria teilweise zu übernehmen. Mehr noch: Es steht im Raum, Netflix wolle seine Europa-Zentrale in München ansiedeln. Das wäre ein Coup. Denn die Filmbranche ist ja nicht bloß Unterhaltung – sie ist eine Unterhaltungsindustrie. Und damit ein wesentlicher Wirtschaftsfaktor.

Weimer arbeitet an Gesetzentwurf

Seit Jahren verhandeln daher deutsche Filmproduzenten mit den politischen Entscheidungsträgern darüber, wie Deutschland als Dreh-Standort wieder attraktiver wird. „Es gibt verschiedene Modelle. Neben der klassischen Filmförderung könnte man allen, die im eigenen Land drehen, dafür mit steuerlichen Vergünstigungen entgegenkommen“, erklärte kürzlich Constantin-Chef Oliver Berben im Gespräch mit unserer Zeitung. Und verwies auf Länder wie Frankreich, in denen es außerdem üblich sei, dass ausländische TV- und Streaminganbieter einen bestimmten Betrag ihres Umsatzes im Land reinvestieren müssen.

Die Gespräche mit der Politik scheinen Wirkung gezeigt zu haben. Kulturstaatsminister Weimer will die schwächelnde deutsche Filmbranche insgesamt deutlich stärken. Nachdem er Ende Juli im Bundeskabinett die Verdopplung der Filmfördergelder auf 250 Millionen Euro durchgesetzt hat, arbeitet sein Haus derzeit an einem Gesetzentwurf, der Unternehmen wie Netflix, Amazon Prime oder Disney zu Investitionen in deutsche Produktionen verpflichtet. Nach Informationen aus Regierungskreisen könnte die Investitionspflicht bei rund zehn Prozent der deutschen Umsätze der Anbieter liegen. Auch Investitionen in die Film-Infrastruktur könnten anerkannt werden, um den Produktionsstandort Deutschland zu stärken.

Und damit sind wir wieder bei Netflix und der Bavaria. Und es wird ein bisschen kompliziert. Denn die Bavaria Film GmbH, zu der auch die Bavaria Filmstadt gehört, ist ein Unternehmen mit verschiedenen Gesellschaftern, darunter öffentlich-rechtliche Sender wie WDR Mediagroup GmbH (33,35 Prozent), SWR Media Services GmbH (16,67 Prozent), MDR Media GmbH (16,64 Prozent), Bavaria Filmkunst GmbH (16,67 Prozent) und LfA Gesellschaft für Vermögensverwaltung mbH (16,67 Prozent), letztere ist eine Gesellschaft des Freistaates Bayern. Um die Privatisierung zu ermöglichen, hat die Bavaria Film GmbH, wie Insider gegenüber unserer Zeitung sagten, eine Aufspaltung ihres Unternehmens in zwei eigenständige Einheiten eingeleitet: ein Produktionsgeschäft und ein Studio- und Immobiliengeschäft. Diese strategische Entscheidung zielt darauf ab, Investoren den Einstieg in das Studio- und Immobiliengeschäft zu erleichtern. Allein der Wert der Immobilien soll bei mehr als 200 Millionen Euro liegen.

„Die Bavaria Filmstudios sind ein Symbol der deutschen Filmgeschichte – und sie sollen ein Motor für das Kino der Zukunft werden“, sagt Weimer auf Anfrage. Dafür brauche es moderne Strukturen und strategische Investoren. „Wenn es gelingt, die Bavaria als Leuchtturmprojekt einer Public-Private-Partnership weiterzuentwickeln, kann München international Maßstäbe setzen und wieder als kreatives Zentrum auf der Weltkarte des Films glänzen.“

Vor rund drei Wochen hatte der Kulturstaatsminister die internationalen Streaming-Konzerne zu einem „Streamer-Gipfel“ ins Kanzleramt eingeladen. Dort machte er deutlich: „Wer in Deutschland erfolgreich Geschäfte macht, vom deutschen Markt und steuerfinanzierter Förderung profitiert, soll auch vermehrt in deutsche Filmproduktionen investieren.“ Er will die großen Streamer stärker in die Verantwortung nehmen: „Wer hier Milliarden verdient, soll auch in unsere Geschichten, unsere Arbeitsplätze und unsere Zukunft investieren.“

Das ist, was auch Oliver Berben seit Langem fordert. „Auf jeden Euro, der in den Filmstandort Deutschland investiert wird, kommt ein Vielfaches zurück. Das zahlt direkt aufs Bruttoinlandsprodukt ein.“ Denn wo eine Crew ihr Set aufbaut, da werden Caterer benötigt, Fahrer und technisches Equipment, Hotels für die Schauspieler und Leute hinter der Kamera. Die gehen nach dem Drehtag auch mal essen, einkaufen, in die Bar. Und ganz nebenbei sorgt die ins rechte Licht gerückte Heimat für mehr Tourismus. Der Serienhit „Sturm der Liebe“ etwa macht Fans Lust auf Urlaub in oder um München, um einmal durch die Originalkulissen in der Bavaria Filmstadt zu wandeln. „Die Politik muss verstehen: Wer die Filmbranche unterstützt, betreibt keine Subventionierung“, formulierte es Berben. Es scheint: Die Politik hat verstanden.

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