München – Wie gehe ich mit einem Menschen um, der an Demenz erkrankt ist? Diese Frage stellen sich viele Angehörige und Freunde. Expertinnen des Marion von Tessin Memory-Zentrums geben Tipps und Tricks für den Umgang mit Menschen mit Demenz.
■ Hilfe holen
Dr. Lina Riedl ist Doppelfachärztin für Neurologie und Psychiatrie. Sie rät dazu, Tagebuch zu schreiben: „Einerseits, um den Überblick zu behalten, was wann von wem diagnostiziert wurde, andererseits dazu, um festzuhalten, ob ein neues Medikament oder eine Therapie geholfen hat oder nicht. Zudem kann man immer kurz aufschreiben, was gut klappt, und so vermeiden, dass man nur die Probleme und Schwierigkeiten sieht und nicht auch die positiven Dinge.“
Ihren zweiten Tipp hat sich die Expertin abgeschaut – von Emma Heming-Willis, Ehefrau des an Frontotemporaler Demenz erkrankten Kinohelden Bruce Willis. Bei dieser seltenen Form der Demenz sterben Nervenzellen im Stirn- und Schläfenbereich des Gehirns ab: „Sie hat auf die Frage, welchen Tipp sie Angehörigen geben würde, die am Anfang des diagnostischen Prozesses stehen, geantwortet: wenn Ihnen der Arzt nicht zuhört, gehen Sie! Sie hat recht. Suchen Sie sich einen Arzt, mit dem Sie gut klarkommen.“
Sich Hilfe zu holen, ist für Angehörige sehr wichtig, betont Riedl: „Das ist wie bei der Kindererziehung: Nur wenn es den Eltern gut geht, geht es auch dem Kind gut.“ Die Balance zwischen Fürsorge und Selbstfürsorge sei sehr wichtig, betont die Demenz-Expertin. Hilfe gibt es beispielsweise bei der Alzheimer Gesellschaft, der Stiftung Desideria care oder in Alten- und Servicezentren der Stadt und anderen Beratungsstellen. Für die Erkrankten ist es eine prima Gedächtnisstütze, wenn man Erinnerungsnotizen an gut sichtbaren Stellen im Haushalt anbringt.
■ Gelassenheit trainieren
„Fragt ein Mensch mit Demenz mehrmals hintereinander dasselbe, dann rate ich, einfach abzulenken und das Thema zu wechseln“, sagt Dr. Johanne Neuse, ebenfalls Fachärztin für Neurologie und für Psychiatrie und Psychotherapie. Bei angespannten Situationen rät sie, kurz Abstand zu suchen, um die Situation zu entschärfen. „Trainieren Sie Gelassenheit und das Loslassen“, rät Neuse und fügt an: „Erinnern Sie sich immer daran, dass es eine Krankheit ist: Viele Angehörige tun sich schwer, den zuvor selbstständigen Menschen in einem völlig anderen Zustand zu sehen, und nehmen wahnhafte Ideen, Vergesslichkeit oder Unfähigkeit persönlich.“ In Kontakt zu kommen, geht auch ohne Sprache: „Tanzen Sie zusammen, bewegen Sie sich, singen Sie gemeinsam, oder führen Sie ein Erinnerungstagebuch, in das Sie Fotos von gemeinsamen Erlebnissen kleben.“ Schaffen Sie ein vertrautes Umfeld mit einem geregelten Tagesablauf und festen Bezugspersonen.
■ Positiv bleiben
Bevor man mit einem Menschen mit Demenz eine Kommunikation beginnt, sollte man Augenkontakt herstellen, rät Sprachtherapeutin Dr. Anja Staiger. Tonfall, Gesten und Mimik können auch Menschen mit Demenz in der Regel gut verstehen. „Es ist also entscheidend, wie etwas gesagt wird“, sagt die Expertin und rät, die eigene Sprache anzupassen. Also langsam zu sprechen, und aufmerksam zuzuhören. „Nehmen Sie Äußerungen ernst, machen Sie keine Vorwürfe, und versuchen Sie, sich auf das Positive zu konzentrieren, richten Sie Ihren Blick auf das, was gut klappt.“ Sie rät auch dazu, Fragen mit „Warum“ zu vermeiden, um zu verhindern, dass sich die erkrankte Person dann gerügt, getestet oder infrage gestellt fühlt.S. SASSE