April 2023: Dr. Dennis Ballwieser steuert auf sein Höchstgewicht zu. Im Januar zieht er die Reißleine. © pa
Drei Kleidergrößen ist er schon los: Dr. Dennis Ballwieser hat mit Tirzepatid bisher 20 Kilo abgenommen. © philipp nemenz
München – Dr. Dennis Ballwieser kennt sich eigentlich aus mit Ernährung. Der 45-Jährige ist Arzt und Chefredakteur der „Apotheken Umschau“. Als Geschäftsführer des Wort & Bild Verlags verantwortet er auch Magazine wie „Eltern“ oder den „Diabetes Ratgeber“. Trotzdem plagt er sich mit den Kilos – 155 davon schleppte er zuletzt herum: Adipositas. Irgendwann auf dem Weg zum Dicksein, sagt er, sei ihm das Gespür dafür abhandengekommen, wann sein Körper Nahrung brauche und wann nicht. Seit Januar ist nun vieles anders im Leben von Dennis Ballwieser. Immer freitags injiziert er sich eine Dosis seiner Abnehmspritze unter die Haut. Seitdem schrumpft sein Bauchumfang. Im Interview mit unserer Zeitung teilt der Arzt und Journalist seine Erfahrungen mit der Abnehmspritze.
Herr Dr. Ballwieser, wie geht es Ihnen heute?
Mir ist ein wenig übel, wie eigentlich immer, seitdem ich Tirzepatid spritze.
Dann wissen Sie, wie sich viele schwangere Frauen fühlen!
Exakt. Aber im Gegensatz zu Schwangeren, die vielleicht sagen: „Halt, das habe ich so nicht bestellt“, sehe ich die Übelkeit nicht als unerwünschte Nebenwirkung, sondern als Anzeichen, dass das Medikament wirkt. Am Faszinierendsten war von Anfang an, dass sich mein Denken über das Essen komplett verändert hat: Ich habe grundsätzlich weniger Appetit, spüre erstmals seit Jahrzehnten wieder, wenn ich Hunger habe oder satt bin. Mir reichen kleinere Portionen. Früher habe ich einfach gegessen, wenn etwas verfügbar war. Heute kann ich an einer Currywurst-Bude vorbeigehen, mir reichen drei Stückchen Schokolade oder fünf Chips. Das sind ganz neue Erfahrungen.
Wie schwer waren Sie denn?
Ich habe 155 Kilo bei einer Körpergröße von 1,78 Metern gewogen. 20 Kilo sind jetzt runter.
Haben Sie vor der Behandlung den Beipackzettel gelesen, der ja ziemlich furchterregend klingt?
Mein Nachteil ist, dass ich als Arzt mehr darüber weiß, als mir lieb ist. Doch ich kenne eben auch die Nebenwirkungen meines Übergewichts, das mich statistisch zwischen zehn und 20 Lebensjahre kosten kann. Aber man muss die Risiken des Medikaments natürlich gut im Auge behalten.
Es gibt Berichte über Gallenblasen- und sogar Bauchspeicheldrüsen-Entzündungen! Schreckt Sie das nicht ab?
Daher sollte die Behandlung nie ohne ärztliche Begleitung erfolgen. Gemeinsam mit meiner Hausärztin sind wir zu dem Schluss gekommen, dass ich es ausprobieren sollte. Beim letzten Checkup hat sie mich darauf angesprochen, dass ich noch körperlich und organisch gesund sei, dass bei meinem Gewicht aber absehbar sei, dass sich dies mit dem Alter ändern wird.
Vermutlich haben Sie in Ihrem Leben viele Diäten ausprobiert?
Wie alle dicken Menschen habe ich von dem Zeitpunkt an, wo es zu einem persönlichen Problem für mich wurde, alles ausprobiert, bei dem ich für mich als Arzt einen halbwegs wissenschaftlichen Zusammenhang erkennen konnte. Das funktionierte einige Wochen, aber das Scheitern war vorprogrammiert. Auch weil wir in einer Umgebung leben, die mit ihren Versuchungen darauf ausgelegt ist, immer mehr zu essen, als man sollte. Im Supermarkt gibt es Obst und Gemüse nur an einem Platz, aber Chips, Schokolade und Limo an jeder Ecke. Wir schaffen es ja nicht mal, ein Werbeverbot für ungesunde Lebensmittel an unter 14-Jährige gesetzlich durchzusetzen, obwohl die Mehrheit der Bevölkerung und sämtliche Fachgesellschaften dies befürworten.
Wie haben Sie sich als dicker Mann gefühlt?
Viele Menschen denken, sie verstehen die Krankheit Adipositas: Jemand isst einfach zu viel und bewegt sich zu wenig, weil er das für sich entschieden hat. Das ist gefährlicher Quatsch. Menschen mit Bluthochdruck bekommen ja auch nicht zu hören, sie hätten sich dafür entschieden. Auch bei Bluthochdruck können eine Umstellung der Ernährung und Sport Wunder bewirken, trotzdem bekommen diese Menschen Medikamente. Übergewichtigen verweigert man in der Regel Medikamente. Ich kenne die Blicke beim Bäcker, wenn ich etwas bestelle. In München kann ich nur in einem einzigen Modegeschäft einkaufen.
Haben Sie ein Zielgewicht, das Sie erreichen möchten?
Man muss realistisch bleiben. Mein Ziel ist es, möglichst lange gesund zu sein, damit ich viel Zeit mit meiner Frau und meinen Kindern verbringen kann. Es kann sein, dass ich bald ein Plateau erreiche und nicht weiter abnehme. Wir werden es sehen.
Was ist Ihre Strategie für die Zukunft, es heißt ja, dass man wieder zunimmt, wenn man die Spritze absetzt?
Ich setze darauf, dass ich mir jetzt Zeit erkaufe, in der sich die Medizin so rasant weiterentwickelt wie in den letzten Jahrzehnten. Und dass ich in ein paar Jahren weiß, wie ich weitermachen kann. Warum ich trotzdem schon mit dem Spritzen angefangen habe? Mit Mitte 40 konnte ich eben nicht mehr länger zuwarten.
Haben Sie sich schon neue Kleidung gekauft?
Zunächst habe ich sehr stolz viel zu große Klamotten getragen. Erfreulicherweise konnte ich mich inzwischen neu einkleiden, drei Größen kleiner als zuvor! Das ist natürlich ein sehr schönes Gefühl.
Die Medikamente
Derzeit gibt es zwei Präparate: Wegovy ist die höher dosierte Adipositas-Variante des Medikaments Ozempic, das für Diabetiker entwickelt wurde. Das zweite heißt Mounjaro. Beide Präparate enthalten Substanzen, die Sättigungshormone imitieren. In Wegovy steckt der Wirkstoff Semaglutid, in Mounjaro der Wirkstoff Tirzepatid.