INTERVIEW

„Es könnte ihm ergehen wie einer offenen Cola“

von Redaktion

USA-Kenner Stephan Bierling sieht andere Demokraten in einer stärkeren Position als Gavin Newsom

München – Stephan Bierling leitet die Professur für Internationale Politik an der Universität Regensburg. In seinen Büchern „Die Unvereinigten Staaten. Das politische System der USA und die Zukunft der Demokratie“ und „America First. Donald Trump im Weißen Haus“ blickt er auf ein tief zerstrittenes Land und einen Präsidenten, den es so noch nie gab.

Herr Bierling, wer ist Gavin Newsom und kann er der nächste US-Präsident werden?

Gavin Newsom ist eine der Größen in der demokratischen Partei. Er war Bürgermeister von San Francisco und ist seit vielen Jahren Gouverneur von Kalifornien, dem größten US-Bundesstaat. Das alleine sorgt dafür, dass er wahrgenommen wird. Genau das ist aber gleichzeitig auch sein Problem. Denn Politiker aus Kalifornien gelten in den USA als sehr linksgerichtet, woke, dem Zeitgeist verpflichtet – was nicht überall im Land gut ankommt. Deshalb haben kalifornische Gouverneure eigentlich keine so guten Chancen, als demokratische Präsidentschaftskandidaten nominiert zu werden. Newsom versucht nun dieses – durchaus begründete – Vorurteil auszuhebeln, indem er sich sehr früh vor der nächsten Präsidentschaftswahl 2028 als Gegenspieler von Donald Trump produzieren will.

Die richtige Strategie?

Für ihn wahrscheinlich schon. Denn die Schwergewichte seiner eigenen Partei werden ihren Hut voraussichtlich erst nach den Zwischenwahlen im November 2026 in den Ring werfen, bei denen die Demokraten höchstwahrscheinlich das Repräsentantenhaus gewinnen werden – das gibt Rückenwind für die Zielgerade der parteiinternen Nominierung 2027. Doch mit seinem Vorsprung kann Newsom nun schon Bekanntheit aufbauen, bevor die sehr starken Kandidaten wie Josh Shapiro oder Gretchen Whitmer ins Rennen einsteigen.

Worin liegt deren Stärke?

Shapiro und Whitmer sind Gouverneure der sogenannten Swing States Pennsylvania und Michigan, in denen die Mehrheitsverhältnisse nicht schon im Vorhinein klar für eine der beiden Parteien sprechen. Wenn die Demokraten klug sind, schicken sie jemanden ins Rennen, der nicht zu links ist, nicht von einer Küste stammt und gezeigt hat, dass er einen solchen Swing State gewinnen kann.

Und Newsom?

Dass jetzt überhaupt jemand Trump so herausfordert, wie er es tut, ist für die Demokraten schon ein Mehrwert. Denn mit der einmal von Michelle Obama formulierten Strategie „When they go low, we go high“ (etwa: wenn sie unter die Gürtellinie schlagen, tun wir es erst recht nicht, d. Red.) sind die Demokraten an Trump gescheitert, der die Medien mit seinen ständigen Abstrusitäten meisterhaft dominiert. Weil er jeden Tag neue Säue durchs Dorf treibt, sind die Demokraten – aber auch die Medien, die Gerichte und die Öffentlichkeit – immer zwei Schritte hinter Trump, der thematisch ja schon längst wieder in die nächste Zirkusmanege weitergezogen ist. Es ist so kaum möglich, ihn wirkungsvoll zu attackieren. Insofern ist Newsoms Versuch, überhaupt wieder Aufmerksamkeit für die Demokraten zu schaffen, prinzipiell gar nicht so schlecht gelungen.

Doch am Ende wird es für ihn nicht reichen?

Als Kalifornier ist er wie geschildert ohnehin schon schwer vermittelbar. Und ich bezweifle auch, dass er seine jetzige Strategie lang genug durchhalten kann. Es könnte ihm damit auch ergehen, wie einer offenen Cola, die immer mehr von ihrem Prickeln verliert. Dazu kommt, dass die Demokraten letzten Endes auch jemanden als Präsidentschaftskandidaten brauchen, der Seriosität und Berechenbarkeit ausstrahlt. Joe Biden konnte Trump schlagen, weil er neben ihm wie der Erwachsene im Raum wirkte. Wenn sich die Demokraten nun plötzlich auch als Polit-Punker gerieren wollen, laufen sie Gefahr, am Ende als Leichtgewichte wahrgenommen zu werden. Was kurzfristig Aufmerksamkeit bringt, kann der Partei und auch Newsom selbst also langfristig sogar schaden.

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