Max Enders von Tytan Technologie am Prototyp einer Counter-Drohne mit Beobachtungskopf. © Thedens
Soll zum Schrecken von Drohnen werden: ein Laser-Gefechtskopf von Sky Laser Defence. © Sky Laser Defence
Die Paulaner-Limo hat ein Loch: Antony Zhou von Sky Laser Defence zeigt ein Testergebnis. © Yannick Thedens
Eine Abwehr-Drohne von Alpine Eagle im Feldversuch. Das Münchner Start-up testet bereits in Erding. © Alpine Eagle
Erding – Der Feind ist eine Spezi-Dose. Gut sieht sie nicht mehr aus, sie ist schwarz verkohlt. Treffer! Die noch junge Münchner Firma Sky Laser Defence hätte lieber echte Drohnen, auf die sie Testschüsse abfeuern kann. Aber es fehlt an einem abgeschirmten Testplatz für lange Distanzen. Die Gründer Raphael Rotstein und Antony Zhou können bislang also nur im Labor ausprobieren, woran sie arbeiten: Ein Boden-Abwehrlaser, der ganze Drohnenschwärme eliminiert.
Das Münchner Start-up würde gerne in das Defence Lab in Erding im Nordosten von München einziehen, ein Innovationszentrum, das auf dem Gelände des ehemaligen Fliegerhorsts geplant ist. Dort, wo bis vor einem Jahrzehnt Militärflieger abhoben, sollen militärische und zivile Kräfte gebündelt werden, als Forschungsspielplatz für Firmen, Hochschulprojekte, Einrichtungen der Bundeswehr. Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) kündigte das Projekt im Februar auf der Münchner Sicherheitskonferenz an.
Seitdem hat man wenig gehört. Bei Verteidigungsthemen herrscht Diskretion. Ein paar Informationen sind durchgesickert. So berichtet das Portal defence-network.com von einer „überhohen Lagerhalle“ gleich neben dem Erdinger Wehrwissenschaftlichen Institut für Werk- und Betriebsstoffe (WIWeB). Hier würden „Stahlträger eingezogen, Plattformen, Labors und Abstellkammern eingerichtet. Indoor-Drohnenflüge sollen möglich sein“. Ein Hangar soll im alten Fliegerhorst zum Kernstück des neuen Zentrums werden. Firmen sollen sich dort für Experiment- und Testflug-Zeiten einmieten sowie Büros nutzen können. Das nebenan gelegene WIWeB soll federführend sein. Wer hier Zugang hat, profitiert von der engen Zusammenarbeit vor Ort. „Unternehmen können direkte Kontakte zu militärischen Nutzern, anderen Unternehmen und Forschungseinrichtungen knüpfen“, sagt ein Sprecher des Verteidigungsministeriums.
Ein Lichtvorhang zur Drohnen-Abwehr
Das Hauptaugenmerk liegt dabei auf Drohnen, den neuen Soldaten der Lüfte. Das betonte auch Pistorius bei seiner Ankündigung: „Drohnen werden immer präziser und effizienter. Wir müssen sie besser aufspüren und bekämpfen können.“
Das deckt sich mit den Zielen von Sky Laser Defence. „Unser Laser ist so konzipiert, dass er vom Boden aus bis zu 35 Drohnen gleichzeitig abwehren kann“, erklärt Antony Zhou. Die Waffe soll so schnell im Bogen feuern, dass sie „einen Lichtvorhang erzeugt, ein richtiggehendes Verletzungsnetz“. Und das auf 150 bis 1000 Meter Entfernung. Die Abwehr-Laser der großen Verteidigungsfirmen, sagt Zhou, „treffen auf große Distanzen nur einzelne Drohnen“. Laut Zhou und Rotstein gibt es für so einen flächigen Abwehr-Laser auf der Welt nur zwei Patente – ein chinesisches und ein russisches.
Im Mai hat Sky Laser Defence ein eigenes Patent angemeldet, innerhalb von 18 Monaten will das Europäische Patentamt darüber entscheiden. Jetzt heißt es warten – und weiter entwickeln: Die Metallschneide-Laser, mit denen das Duo bisher in anderen Bereichen gearbeitet hat, müssen gebündelt, auf lange Distanzen exakt justiert und vor allem auch günstig hergestellt werden.
Dazu stehen die Gründer mit der wehrtechnischen Dienststelle für Luftfahrzeuge der Bundeswehr (WTD 61) in Manching in Kontakt. Im Münchner Labor bleibt nur die Ultrakurzdistanz zum Test mit Spezi-Dosen. Mehr Platz ist nötig. Aber Manching ist weit, etwa eine Autostunde entfernt liegt es kurz vor Ingolstadt. Besser sei da der Standort Erding, sagt Rotstein. „Das wäre näher an unserem Labor im Münchner Norden, hätte eine Forschungsinfrastruktur und wir hätten mehr Testzeiten.“
Aufklärungs-Drohnen von Alpine Eagle
Sky Laser Defence will möglichst schnell an den Markt, doch in Erding ist noch vieles unklar – auch, wer einziehen darf. Ein Ministeriumssprecher beschreibt den aktuellen Stand auf Anfrage so: „Es werden gegenwärtig erste Challenges für Start-ups in Kooperation mit Innovationseinheiten der Bundeswehr ausgeplant.“
Ein Münchner Start-up, das bereits in Erding testet, ist Alpine Eagle. Die Gründer Jan-Hendrik Boelens und Timo Breuer haben sich 2023 zusammengetan, um Aufklärungsdrohnen herzustellen. Ihre Flugkörper ziehen in Gruppen los – zu viert, zu fünft, auf Wunsch auch zu Hunderten, um aus der Luft kritische Infrastrukturen zu sichern. Die Drohnen verfügen über Sensoren, die nicht nur die eigene Position erfassen, sondern auch die der gegnerischen Drohnen. „Gehen diese Daten an einen Boden-Operator, kann dieser zum Beispiel mit Störsignalen die Feinddrohnen außer Gefecht setzen“, erklärt Boelens. Polizei und Militär sind bereits Kunden bei Alpine Eagle.
Alpine Eagle absolviert in Erding schon regelmäßig Testflüge. Zum Beispiel mit 1,5 Kilogramm leichten Abfang-Drohnen, die unten an den Aufklärungs-Drohnen hängen. „Diese können die Feinddrohnen mit 150 km/h rammen und zum Absturz bringen, oder sie mit einem Netz einfangen“, sagt Boelens. Das Defence-Lab-Projekt hält er für wichtig. „Nicht nur für uns, sondern für das ganze Verteidigungs-Ökosystem in München und Bayern. Als Anlaufstelle für Start-ups ist es international einzigartig.“
Counter-Drohnen von Tytan Technologies
Ebenfalls in München sitzt Tytan Technologies. Das Unternehmen stellt Counter-Drohnen her – Drohnen, die gegnerische Fluggeräte verfolgen, rammen und per Sprengladung zerstören. Auch dieses Start-up ist bereits auf dem ehemaligen Fliegerhorst aktiv. „Derzeit entwickeln und erproben wir eine neue Version unseres klassischen Interceptor-Modells“, sagt Entwicklungsmanager Max Enders. Die neue Drohne hat einen Suchkopf, der per Wärmekamera und Künstlicher Intelligenz das Ziel erfasst. An Bord hat sie ein Kilogramm Sprengstoff.
Der Interceptor II ist vergleichsweise günstig, denn Tytan Technologies produziert die Hüllen im 3D-Drucker selbst. Im Druckerpark mit derzeit sechs Geräten entsteht ein Modell der Reihe eins in 15 Stunden. „Ziel sind 1000 Stück am Tag“, sagt Enders. Der Preis für einen Interceptor? „Günstiger als das, was wir abschießen“, sagt Enders. Shahed-Drohnen aus russischer Produktion belaufen sich auf 40 000 bis 80 000 Dollar pro Stück. Man werde „deutlich darunter liegen“. Auch den Preis eines Quadrocopters, ein Fluggerät mit vier Propellern, das 25 000 bis 40 000 Dollar kostet, wolle man „perspektivisch“ erheblich unterbieten.
Mit günstigen Preisen argumentiert auch Sky Laser Defence – nur, dass die Dimensionen andere sind. „Für einen Abschuss-Laser zahlt man derzeit um die acht Millionen Euro“, sagt Raphael Rotstein. „Wir wollen für diesen Preis sechs bis acht Laser anbieten.“
Manches, was in Erding geplant wird, ist bereits in der Ukraine im Einsatz. Der Interceptor I wird sogar schon dort hergestellt. Das Start-up erfüllt damit eine wesentliche Vorgabe von Verteidigungsminister Boris Pistorius, der Fortschritt werde heute „in Wochen und Monaten gemessen, nicht in Jahrzehnten“. In der Ukraine, sagte Pistorius bei einem Besuch in Bayerns Landeshauptstadt München, würden neue Systeme „innerhalb von Stunden oder Tagen auf dem Schlachtfeld integriert“.
Das Verteidigungsministerium, die Universität und das Innovationszentrum der Bundeswehr wollen sich dann auch nicht mehr viel Zeit lassen mit ihrem Konzept für das Innovationszentrum Defence Lab. „Nach der Sommerpause“, sagt ein Universitätssprecher, „sollte alles so weit sein.“