MEDIZIN

Sepsis, die oft unterschätzte Gefahr

von Redaktion

Rory (12) holte sich die Blutvergiftung durch eine Verletzung beim Basketball. © privat

Berlin/Heidelberg – Sie ist nach Krebs und Herz-Kreislauf-Erkrankungen die dritthäufigste Todesursache in Deutschland. Und dennoch kennen sich weder Bürger noch Fachkräfte genügend mit der Früherkennung aus. Nur ein kleiner Kratzer kann sie schon auslösen: eine Blutvergiftung.

So war es 2012 beim zwölfjährigen Rory aus den USA, der sich beim Basketball nur leicht verletzte. Vier Tage später war er tot – gestorben an einer in der Notaufnahme nicht erkannten Blutvergiftung. Dieser Fall löste in den USA eine mediale Debatte aus. Daraufhin wurden die sogenannten „Rory‘s Regulations“ in New York eingeführt. Die damit einhergehenden Maßnahmen zur Erkennung und Behandlung von Sepsis haben funktioniert. Die Sepsis-Sterblichkeit ging um ein Drittel zurück.

Für mehr Aufmerksamkeit und wirksame Maßnahmen auch in Deutschland will der Intensivmediziner Konrad Reinhart sorgen. Er ist Vorsitzender der Sepsis-Stiftung Deutschland und setzt sich seit 40 Jahren dafür ein. Denn dass das Schicksal von Rory kein Einzelfall ist, zeigt ein Blick auf die Zahlen. Jedes Jahr sind eine halbe Million Menschen in Deutschland von einer Sepsis betroffen, 140 000 sterben daran. Das macht die Blutvergiftung zur dritthäufigsten Todesursache. In Ländern wie Australien, Norwegen, Finnland, der Schweiz oder Dänemark sei die Sterblichkeitsquote deutlich niedriger – was belege, dass die Mehrzahl der Sepsis-Todesfälle vermeidbar sei, ist Reinhart überzeugt.

Reinhart und andere Fachleute fordern deswegen die Politik zum Handeln auf. Nötig sei eine nationale Infektionsmanagement-Strategie. Dazu gehöre etwa, die Allgemeinbevölkerung besser aufzuklären und bereits an den Schulen damit anzusetzen – etwa nach dem Vorbild der erfolgreichen Aufklärung über AIDS und HIV, schlagen sie vor.

Denn viele Menschen wüssten nicht, dass eine Sepsis nicht nur durch Verletzungen, sondern auch durch Infektionen ausgelöst werden könne. Meist sind Lungenentzündungen der Auslöser, oft auch Harnwegsinfektionen, sagt Reinhart. „Ausreichender Impfschutz gegen Lungenentzündung, Grippe und Corona ist deshalb für die Prävention äußerst wichtig“, erklärt der Mediziner. Sepsis-Überlebende hätten zudem oft mit Langzeitfolgen zu kämpfen.

Auch die Frühsymptome einer Sepsis seien in der Bevölkerung wenig bekannt. Dazu zählen laut Reinhart „ein nie gekanntes schweres Krankheitsgefühl, Verwirrtheit, eine schnelle Atmung und ein hoher Puls“. Dass eine Sepsis genau wie ein Schlaganfall und Herzinfarkt als Notfall behandelt werden müsse, wüssten wenige.

Auch medizinisches Personal weise oft zu geringes Wissen auf, kritisiert Reinhart. Dass das Thema bisher zu wenig Aufmerksamkeit bekommt, liegt laut dem Mediziner daran, dass dieses Spezialgebiet keine entsprechende Lobby habe.

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