Georg Dünzl beim Schwammerlsuchen. Auch der Pilzexperte muss oft genauer hinsehen, um sich sicher zu sein. © Oliver Bodmer
München – Mit der Schwammerlsaison ist sie wieder da, die Frage: Kann man den essen? Georg Dünzl ist Pilzberater und Vorstandsmitglied des Vereins für Pilzkunde München. Ein Gespräch über ein nicht ganz ungefährliches Hobby.
Wie wird das Pilzjahr?
Das kann man nicht sagen. Das ändert sich so schnell wie das Wetter. Die Wälder waren schon so voll, dass man kaum wo hingehen konnte, ohne auf ein Schwammerl zu steigen. Eine Woche später war der Wald wieder leer. Pilze mögen es weder zu trocken noch zu nass.
Und manche wollen nicht gegessen werden. Welche Pilze sind tödlich?
Der Knollenblätterpilz ist der einzige, der wirklich tödlich giftig ist. Eine Vergiftung damit ist schwer behandelbar, weswegen noch immer viele Menschen daran sterben.
Was sind die wichtigsten Regeln für Pilzanfänger?
Nur Pilze essen, die man sicher kennt. Bei Pilzen mit gefährlichen Doppelgängern muss man unbedingt auch die Doppelgänger schon mal gesehen haben. Wer ernsthaft am Pilzesammeln interessiert ist, sollte einen Kurs besuchen. Die dauern drei, vier Tage und man lernt, Pilze zu bestimmen.
Manche sehen Pilze sofort, andere finden gar keinen.
Das ist viel Erfahrung. Es geht um Mustererkennung, so wie bei einem Rätsel, wo einer von 100 Äpfeln anders aussieht. Das kann man trainieren.
Welche Regeln gelten denn im Wald?
Es bleibt natürlich keiner auf den Wegen – sehr zum Ärger der Jäger. Aber wenn schon abseits, dann sollte man die Natur so wenig schädigen wie möglich. Keine Pilze umtreten – auch keine giftigen. Pilze haben eine Funktion im Wald. Was für uns giftig ist, ist es für die Schnecke nicht. Viele Pilze leben in Symbiose mit Bäumen, bekommen von den Bäumen Zucker und versorgen sie dafür mit Mineralien. Man sollte die Pilze auch direkt im Wald putzen, damit die Reste dortbleiben. Ich nehme ohnehin nur erstklassige Exemplare, schneide nicht jeden angefaulten Pilz ab. Sie essen doch auch keine Wurst, die schon grün angelaufen ist.
Sind alle Pilze nützlich?
Es gibt auch holzabbauende Pilze, die Totholz in Humus umwandeln. Das ist enorm wichtig für den Wald. Und es gibt Parasiten wie den Hallimasch, die den Baum schädigen können.
Wie schnell soll man Pilze verzehren?
Am besten am selben, spätestens am nächsten Tag. Auch im Kühlschrank fangen die Maden schnell zu arbeiten an.
Abschneiden? Am Stiel rausdrehen? Wie ernte ich Pilze richtig?
Das ist für das Myzel, also das Wurzelnetz der Pilze im Boden, relativ egal. Wichtig ist, die Stelle wieder mit Moos zu bedecken, damit sie nicht austrocknet. Bei vielen Pilzen, Champignons und Knollenblätterpilzen zum Beispiel, braucht man zur sicheren Bestimmung die Stielbasis. Wenn Leute dann mit abgeschnittenen Pilzen in die Beratung kommen, muss ich sie leider wegschicken.
Wie viele Pilze darf man eigentlich sammeln?
Bei uns ist das nicht genau definiert. Viele Pilze wie der Steinpilz stehen unter Artenschutz, dürfen aber zum Eigenbedarf gesammelt werden. Ein bis zwei Kilo sind die Richtgröße. Man sollte sowieso nur mitnehmen, was man essen kann. Wenn jemand zur Beratung kommt mit einem Kofferraum voller Rotfußröhrlinge, die auch noch alle verschimmelt sind, ärgert mich das. Ich zitiere da gerne Mahatma Gandhi: „Die Welt hat genug für jedermanns Bedürfnisse, aber nicht für jedermanns Gier.“ Ein universelles Zitat!
Würden Sie geschenkte Pilze annehmen?
Wenn ich weiß, von wem sie kommen und eine eigene Nachbestimmung noch möglich ist, ja. Ansonsten rate ich ab – und eine Einladung würde ich nur annehmen, wenn ich gutes Vertrauen in den Sammler habe. Ich erinnere an den Giftpilz-Mord in Australien, wo eine Frau drei Verwandte mit Knollenblätterpilzen getötet hat und jetzt wegen Mordes verurteilt wurde.
Beeinflusst der Klimawandel auch die Pilzwelt?
Ja. Tatsächlich begünstigt er bestimmte Pilze wie den Satanspilz, der Wärme liebt. Und die Ausbildung der Fruchtkörper verschiebt sich zeitlich. Für viele Pilze gibt es zudem immer weniger geeignete Bodenverhältnisse. Wir bräuchten mehr Biotopschutz.
Viele nutzen inzwischen Pilz-Apps beim Sammeln. Einverstanden?
Apps haben klar ihre Grenzen. Eine App kann nicht riechen und sieht nicht, auf welchem Boden ich mich befinde. Es kommt auch darauf an, wie ich den Pilz fotografiere. Da kann es leicht zu Fehlbestimmungen kommen. Deswegen sollte man sich nicht auf Apps verlassen. Wenn die App von 1000 mal 999 mal Recht hat, aber das eine mal eben nicht, kann das im Extremfall tödlich sein.
Sammeln, kochen, essen ist also nicht so ratsam.
Das sollte man nur bei Pilzen machen, die man wirklich sicher kennt. Ansonsten lieber vorher zum Pilzberater gehen. Und zwar zu einem zertifizierten, der eine Ausbildung hat. Denn Pilzberater ist kein geschützter Begriff.