Hier steht die Lederhose noch für Tradition

von Redaktion

Mit flüssigem Gummi wird ein Muster aufgezeichnet und dann aufgestickt. © Wochinger

Fertig ist das gute Stück: Der künftige Träger musste lange darauf warten. © Wochinger

Die Stickereien sind ein Bekenntnis zur Region. Eichenlaub mit drei Gamsen zum Beispiel wird in der Jachenau getragen. © wo

Die gute alte Nähmaschine hat bei Lederhosen Bammer in Lenggries noch einen sicheren Arbeitsplatz. © Max Wochinger

Hier hat das Handwerk noch eine Heimat: Chefin Susanne Schöffmann legt Hand an eine maßgeschneiderte Lederhose, die gerade in Arbeit ist. © Max Wochinger

Lengggries – Rund 4000 Lederhosen hat Susanne Schöffmann in ihrem Leben schon hergestellt – jede ein handgefertigtes Unikat. Kurze Hosen, Lederhosen aus Elefantenhaut oder mit Kampfspuren des Hirschs. Jedes Stück erzählt eine Geschichte: über den Träger, die Herkunft des Leders, bayerische Tradition. „Die Tracht ist ein Stück Heimat“, sagt die Lederhosenmacherin.

Wer die Tür zu „Lederhosen Bammer” in Lenggries im Kreis Bad Tölz-Wolfratshausen öffnet, dem weht der typische ledrig-fischige Geruch entgegen. Der entsteht bei der Gerbung. „Für unsere maßgeschneiderten Lederhosen verwenden wir ausschließlich sämisch naturgegerbtes Hirschleder“, sagt Susanne Schöffmann. Dabei wird Fischtran verwendet. Das macht das Leder besonders weich und reißfest – riecht aber ein bisserl strenger.

Rund 3000 Hosen hat Schöffmann im Laden. Die stammen jedoch von anderen Herstellern. Die wahren Schätze in ihrem Trachtenladen sind die maßgeschneiderten Lederhosen; im ersten Stock hört man die Nähmaschine rattern. In der gemütlichen Werkstatt arbeiten drei junge Frauen an neuen Einzelstücken. Eine bestickt ein Lederstück gerade per Hand mit einem grünen Faden, die andere schneidet einen Lederriemen zurecht. „Mit Lehrling sind wir sechs Säckler“, sagt Schöffmann, die selbst Säcklermeisterin ist.

Säckler ist der Begriff für das Handwerk der handgemachten Lederhosen. Offiziell gibt es die Berufsbezeichnung nicht mehr. Sie wurde ins Sattler- und Feintäschner-Handwerk integriert. Susanne Schöffmann schätzt, dass es noch so 35 Säckler in Bayern gibt.

In ihrer kleinen Werkstatt entstehen 100 bis 120 Modelle pro Jahr. Die Werkstatt gibt es schon 65 Jahre, Schöffmann hat den Laden von ihrem Vater übernommen. Fußballstars, Schauspieler, der Handwerker aus der Gemeinde: Sie alle kaufen bei ihr ein. Die Lederhosen-Saison startet im April und endet mit dem Oktoberfest. Eineinhalb Jahre müssen Kunden auf eine maßgeschneiderte Bammer-Lederhose warten.

Bis zu 45 Stunden stecken in einer Hose. Am Anfang steht die Auswahl des Leders. „Unsere Kunden haben ganz verschiedene Wünsche: Manche mögen dunkles Leder, manche ein dickeres.“ Die meisten Hirsche stammen aus Tschechien oder Neuseeland. Das Gerben finde überwiegend in der Nähe von Dresden statt, sagt Schöffmann. Ob das Leder von einem europäischen Hirsch oder aus Übersee kommt, sieht sie sofort. „Man kann das an den kleinen Narben im Leder erkennen. Bei uns gibt es kleine Fliegen, die ihre Larven im Fell der Hirsche ablegen.“ Das kann später zu kleinen Löchern in der Haut führen. In Neuseeland gebe es solche Fliegen nicht. Das Leder ist narbenfrei.

Leder aus Bayern ist selten. Der Bedarf wäre auch zu groß, rechnet Schöffmann vor: Allein aufs Oktoberfest kommen pro Tag bis zu einer halben Million Gäste. Würden 100 000 davon eine Hirschlederne tragen, bräuchte es dafür 50 000 Hirsche. „So viele Hirsche gibt es in Bayern gar nicht.“

Nach der sechs- bis neunmonatigen Gerbung landet das Leder auf ihrem Tisch. Je nach Größe des Trägers benötige eine Hose rund zwei Quadratmeter Lederhaut, sagt die Chefin. Die Häute werden zugeschnitten und dann miteinander vernäht. „Die reine Machzeit für die Hose ist acht bis zehn Stunden“, sagt Schöffmann.

Das Aufwendigste ist das händische Besticken. Die Muster werden mit einer Naturfeder aufs Leder gezeichnet. Dafür nutzt Schöffmann eine flüssige Gummilösung. „Wenn die getrocknet ist, sticken wir das Muster nach.“ Die Gummireste verschwinden später wieder. Nach dem Besticken werden die Lederteile zusammengenäht, noch Knöpfe und Löcher – und fertig ist die Lederhose.

Der Preis? Zwischen 1500 und 1900 Euro. Dafür hält die Hose Jahrzehnte. Ein Exemplar, das sie zur Reparatur im Laden hat, wurde kurz nach dem Zweiten Weltkrieg hergestellt, schätzt sie. Das Leder wird mit der Zeit dünn und ausgeblichen – doch nach ein paar Reparaturen kann sie wieder getragen werden. „Bei unseren Trachtlern hält die Lederhose bis zu sieben Jahre – aber die tragen sie auch fünf bis sieben Mal pro Woche.“ Für Schöffmann ist die Lederhose Heimat und Tradition. „Richtige Tracht besteht aus wertvollen Materialien und traditionellen Schnitten und Farben.“

Wichtig sind die Stickereien. Sie sind das Bekenntnis zur eigenen Region. Eine eingeschlossene Gams steht für die Gegend um den Schlier- und Tegernsee, während Eichenlaub mit drei Gamsen in der Jachenau getragen wird.

„Tracht darf sich verändern”, sagt Schöffmann, „aber sie darf nicht verkitscht und ausverkauft werden.” Ein eingestickter Totenkopf oder eine rosa eingefärbte Lederhose, das gehe gar nicht. „Die verwenden unsere traditionellen Schnitte, aber mit Tradition hat das nichts zu tun. So geht ein Stück Heimat verloren.“ Da seien ihr die Plastikverkleidungen, die während der Wiesn rund um den Münchner Hauptbahnhof verkauft werden, fast schon lieber. „Das sind Kostüme, die sind so weit weg von der richtigen Tracht.“

Tracht, sagt Schöffmann, hört da auf, wo Mode anfängt – und die fange an, wo der Bezug zur Region fehlt. Bei Traditionen kennt sie kein Pardon. Vor einigen Jahren wollte ein Kunde das Stadtwappen von Starnberg auf seine Lederhose gestickt bekommen. „Mach i ned“, brummt Schöffmann. „Tracht darf ihren Wert nicht verlieren.“ Oder der Scheich, der an den Tegernsee zog und drei Tage vor dem Anstich eine Lederhose wollte. „Ich habe ihm gesagt, dass er warten muss wie jeder andere auch“, erzählt Susanne Schöffmann. „Da ist er stinksauer geworden und wollte das Doppelte zahlen. Na, habe ich gesagt, des mach i ned.”

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