INTERVIEW

„Wenn man Tracht trägt, geht man aufrechter“

von Redaktion

Bayerns Trachtler-Chef Günter Frey über echtes Brauchtum und den „Billig-Schmarrn“ fürs Oktoberfest

Günter Frey, Chef des Bayerischen Trachtenverbands. © BTV

München – Was ist Tracht? Günter Frey (65) kennt sich da aus. Er ist Landesvorsitzender des Bayerischen Trachtenverbands und verwurzelt im Trachtenverein D‘Hohenwaldegger Sulzschneid in Schwaben. Seit mehr als 40 Jahren beschäftigt er sich mit Lederhosen, Haferlschuhen und den richtigen Hüten. Ein Gespräch über Tradition und Mode.

Herr Frey, was bedeutet Tracht für Sie?

Tracht ist für mich ganz besondere Kleidung. Sie ist ein Stück Heimat. Das klingt jetzt vielleicht klischeehaft, aber wenn man eine Tracht trägt, dann geht man aufrechter. Sie gibt einem Haltung.

Wie viele Lederhosen haben Sie im Schrank?

Ich habe vier Kurze und eine Bundlederhose. Aber auf das kommt es nicht an: Eine Lederhose reicht im Leben.

An Ihrem Dialekt höre ich, dass Sie aus dem Allgäu kommen. Welche Tracht trägt man dort?

Ich komme aus dem Ostallgäu. Wir tragen Miesbacher Tracht.

Miesbacher? Wie das?

Im 19. Jahrhundert kamen Arbeiter aus der Miesbacher Gegend nach Füssen, sie haben ihre Lebensweisen und Tracht mitgenommen. Es gibt aber auch historische, schwäbische Trachten. Für die Gebirgstracht ist jedoch die Miesbacher Tracht die Grundtracht.

Was heißt das?

Die Miesbacher Tracht hat großen Einfluss. In Bayrischzell wurde 1883 der erste Trachtenverein gegründet. Danach entstanden entlang der Alpenkette viele weitere Trachtenvereine. Der erste Verein in Bayrischzell besteht bis heute. Die Anfänge der Trachtenbewegung waren nicht nur die bäuerliche, sondern die arbeitende Bevölkerung. Es ist ein Irrglaube, dass Trachten nur von Bauern getragen wurden.

Wie hat sich die Tracht verändert?

Die Tracht hat sich nicht verändert – der Zuspruch zur Tracht hat sich verändert. Die Oktoberfest-Bekleidung würde ich nicht als Tracht bezeichnen.

Was ist Tracht, was nicht?

Jeder hat da seine eigene Meinung. Für mich ist Tracht eine regionale Bekleidung, die Zusammengehörigkeit fördert. Aber die Billigware, das ist Schmarrn. Die hat mit Tracht nichts zu tun. Die Oktoberfest-Bekleidung vermittelt für eine gewisse Zeit ein gewisses Gefühl. Das ist jedoch ein anderes als das, welches man hat, wenn man echte Tracht trägt.

Wo kann ich noch echte Tracht kaufen?

Richtige Tracht gibt es nicht, wo große Schaufenster sind, sondern da, wo es kleine Handwerkerfenster gibt. Tracht ist nichts von der Stange, sie ist handgemacht und erzeugt regionale Wertschöpfung. Das hat natürlich seinen Preis.

Was gehört für uns Männer zur Grundausstattung?

Man braucht weder Gamsbart noch Charivari. Einen Hutschmuck trägt man ohnehin nur an Festtagen. Auch eine maßgefertigte Hirschlederne für 2000 Euro ist nicht notwendig. Zum bayerischen Gewand gehören eine kurze Lederhose, ein weißes oder gestreiftes Hemd, Strümpfe und Haferlschuhe. Turnschuhe sollten es nicht sein. Aber das muss jeder Mensch ja selbst wissen. Wer ein Gespür hat und in sich hineinhört, der weiß, was getragen wird.

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