Wiggerl Hagn und der schwanzlose Löwe. © Archiv
Günter Steinberg rollt das Paulaner-Fass ins Hofbräu-Zelt. Das kleine Bild zeigt ihn heute. © Schlaf (Repro)/Bodmer
Anja Berger benötigte einen Immun-Booster. © Schmidt
Karl-Heinz Knoll hat Probleme mit dem Vorglühen. © Schlaf
Maggy Prijak musste Liebe zur Unzeit verhindern. © Verlag
Toni Winklhofer und der neue Gurkenmann Andi Erb. © mg
Pfarrer Rainer Maria Schießler ging „tischfremd“, gab aber brav die Biermarke an seinen Kollegen ab. © Klaus Haag
Braumeister Christian Dahncke mit einem Fass Paulaner-Bier. 2022 hatte er das Anzapf-Fassl „verlegt“. © Achim Schmidt
Toni Roiderer, hier mit Sohn Thomas, erinnert sich schmunzelnd an seinen Mitarbeiter Ronny. © Michael Westermann
Cedric Schwarze, Kellner im Schottenhamel, hatte auf dem Männer-Pissoir ein wenig genussvolles Erlebnis, das er so schnell nicht vergessen wird. © Achim Schmidt
Franziska Kohlpaintner und Bräurosl-Wirt Peter Reichert verlobten sich beim Einzug der Wiesn-Wirte. © Privat
■ Der verlorene Schwanz
Moment – da fehlt doch was! An einem Wiesn-Sonntag 2014 bemerkt Löwenbräu-Wirt Wiggerl Hagn, dass sein stattlicher Löwe zwar noch brüllt und mit Bier winkt, aber eben nicht mehr mit dem Schwanzerl wedelt. Das zweitbeste Stück? Futsch! „Es war zum Glück nur abgefallen und nicht geklaut“, sagt Hagn. Der Schwanz lag neben dem Löwen und musste neu verschraubt werden. Der Pappmaché-Löwe, Jahrgang 1949, steht jetzt im Haus der Bayerischen Geschichte in Regensburg und wurde durch einen neueren aus Plastik ersetzt. Und noch eine Sache hat sich bei Hagn eingebrannt. „Die Wiesn-Chefin Gabi Weishäupl wollte mal durchsetzen, dass die Wirte dafür zuständig sind, die Pferdeäpfel der Brauereirösser zu entsorgen“, erzählt der 85-Jährige und lacht. „Getan habe ich das aber nur einmal – für ein Foto.“
■ Campieren im Zelt
Thomas Roiderer schüttelt den Kopf und grinst. „An die zehn Jahre lang hatten wir keine Ahnung, dass unser Mitarbeiter jede Nacht im Zelt schläft“, erzählt der Wirt des Hacker-Festzelts. Ronny ist inzwischen verstorben, war aber lange ein fester Teil vom Hacker-Team. Zu einer Zeit, in der sich noch nicht externe Firmen um die Reinigung kümmerten, spülte Ronny jede Nacht alles sauber, was vom Tage übrig blieb – und legte sich dann auf der Empore unter dem Himmel der Bayern im Schlafsack aufs Ohr. Erst mit der Frühschicht tauschte Ronny die Bank gegen ein echtes Bett – das eines Spezls, der tagsüber Dienst hatte.
■ Das Pissrinnenhendl
Zum vierten Mal hat Cedric Schwarze vergangenes Jahr im Mittelschiff des Schottenhamel-Festzelts bedient. Der 29-Jährige aus Paderborn liebt die Wiesn, die Menschen, die Begegnungen. Die Geschichte vom „Pissrinnenhendl“ kann Schwarze aber nicht verdrängen. Da pinkelte ein ziemlich betrunkener Mann ins Urinal, in dem ein angebissenes halbes Grillhendl lag – und köderte einen noch Besoffeneren: „Zehn Euro, wenn du reinbeißt!“ Der kam der Aufforderung nach. Nur damit nicht genug. „Er hat direkt durch den Pinkelstrahl des anderen gefasst“, erzählt Schwarze und schüttelt sich.
■ Die Gurkenmann-Suche
Die Geschmacksgrenze wurde heuer auch bei Toni Winklhofer überschritten. Der Wirt des Festzelts Tradition hatte zum großen Gurkenverkäufer-Casting geladen. Eine Aufgabe der Bewerber: ein ganz individueller Verkaufsspruch für die Gurken auf der Oiden Wiesn. Von den rund 30 Bewerbern musste der Wirt einige schnell aussortieren: „Da waren recht anstößige Ideen dabei, so eine Gurke anzupreisen“, erzählt er. Einer der noch harmloseren Sprüche unter der Gürtellinie: „Gurke lang und krumm, haut die Weiber um.“
■ Als das Bier ausging
Im Hofbräu-Zelt gab‘s im Jahr 1983 ein paar Minuten lang Paulaner-Bier – und keiner hat‘s gemerkt. „Eine halbe Stunde vor Schankschluss ist an Schänke 2 das Bier ausgegangen“, berichtet Wirt Günter Steinberg. Heute kann der 86-Jährige über seine liebste Anekdote lachen. An Schänke 7 hätten damals zwar noch einige volle Hofbräu-Fassl gestanden. Doch die um 22.30 Uhr quer durchs proppenvolle Zelt zu bugsieren, wäre Irrsinn gewesen. Nachbar Richard Süßmeier wurde zum Retter. Aus dessen Armbrustschützenzelt bekam Steinberg 200 Liter Paulaner. „Wir haben den Hirschen im Dunklen rübergerollt und wollten ihn über eine Holzleiter auf die Schankfläche bugsieren“, erinnert sich Steinberg an die Sisyphusarbeit. Denn die Leiter brach, der Hirsch musste per Hand gewuchtet werden.
■ Liebe zur Unzeit
Maggy Prijak kellnert seit über 35 Jahren auf der Wiesn. Und sie hat darüber ein Buch geschrieben: „Skurrile Geschichten und Überlebenstipps für die 5. Münchner Jahreszeit“. Die ganz große Beichte legt die Augustiner-Bedienung aber erst an dieser Stelle ab. „Sex auf der Wiesn passiert öfter, als man glaubt“, sagt sie. Nicht nur in Toiletten-Kabinen oder nach Schankschluss in dunklen Ecken. Nein. „Das Dirndl ist schnell raufgeschoben und die Lederhose aufgeknöpft. Dann geht‘s los, selbst am helllichten Tag im Biergarten.“ Das zu unterbinden, koste Überwindung. Und das Beseitigen auch. Gummihandschuhe, sagt die Bedienung, gehören zur Standardausstattung.
■ Immun-Booster
Der Anzapf-Samstag 2023 wäre für Wiesn-Stadträtin Anja Berger fast flachgefallen: „Ich hatte kein Corona, war aber auf der Beschicker-Versammlung zwei Tage zuvor schon unglaublich heiser.“ Verkühlt hatte sie sich beim Metzgersprung im Regen. „Aber Schausteller wissen immer Rat. Sie haben mich zu ihrem Arzt geschickt: Ein Immun-Booster per Infusion im Museumszelt hat mich damals gerettet.“
■ So aufgeregt wie nie
„So aufgeregt wie vergangenes Jahr bin ich bisher auf der Wiesn noch nie gewesen“, sagt Bräurosl-Wirt Peter Reichert.Auf der Kutschfahrt beim Einzug der Wiesn-Wirte wog seine Sakko-Tasche zentnerschwer. Darin war ja ein Ring für Franziska Kohlpaintner versteckt. „Ich wusste, es war Tag X und Stunde X“, erzählt Reichert. „Aber erst, als der Umzug mal ins Stocken kam, hab ich die Gelegenheit ergriffen und sie gefragt, ob sie mich heiraten will.“ Das Wirtspaar beichtet weiter: Gheirat werd erst nächstes Jahr im Juli.
■ Anzapf-Fassl gesucht
An diese 15 Minuten Herzklopfen erinnert sich Paulaner-Braumeister Christian Dahncke noch gut. 2022 war das Anzapf-Fassl nicht auffindbar. „Da war ich ziemlich angespannt“, gesteht Dahncke. Zum Glück fiel das schon eine Stunde vor dem Anstich auf. Eine Viertelstunde lang wurden die Schänken und Kühlungen durchsucht – dann die Erleichterung! Das Fassl stand in der Kühlung, nur eben nicht in der üblichen Schänke. Seitdem wird schon früh am Morgen geschaut, wo genau das Anzapf-Fassl steht.
■ Besoffene Kutschen-Gäste
Beim Wirte-Einzug und dem Trachten- und Schützenumzug am ersten Sonntag wirken tausende Menschen mit. Klar, dass da nicht immer alles glattläuft. Karl-Heinz Knoll, Präsident des Festring-Vereins, der die Umzüge organisiert, gesteht: „Manche übertreiben es etwas mit der Vorfreude. Wir müssen manchmal Gäste, die schon vor dem Start betrunken auf dem Wagen sind, bitten, den Wagen zu verlassen. Auch betrunkene Kutscher gab es schon.“ Eine Anekdote ist Knoll besonders im Gedächtnis geblieben. Vor ein paar Jahren hätten sich Gegner der 3. Flughafen-Startbahn während des Trachtenumzugs am Odeonsplatz auf die Straße gelegt. „Genau auf unserer Strecke.“ Also Pferde-Gespanne aus dem Zug lösen und warten, bis die Strecke wieder frei ist. „In der Zwischenzeit sind nur noch Fußgänger im Zug mitgelaufen.“
■ Der Tisch-Fremdgänger
Münchens bekanntester Pfarrer Rainer Maria Schießler hat mehrere Jahre auf der Wiesn gekellnert. Jetzt beichtet er: „Ich habe einmal am Tisch eines Kollegen bedient – obwohl das absolut tabu ist.“ Die Geschichte zur Entlastung: „Damals im Biergarten hatte jeder acht Tische. An den Nachbartischen hatte ich einen Kollegen, der öfter mal verschwand.“ Als ein Pärchen an einem seiner Tische lange warten musste, habe der Mann zur Frau gesagt: „Ruf doch dem anderen Kellner mal zu, dass du ein Kind von ihm willst! Vielleicht bringt er dir dann a Mass. Daraufhin hat ein Bekannter von mir an diesem Tisch gerufen: Des wird nix bringen – des is a Pfarrer!“ Nach dieser lustigen Begebenheit habe er einfach nicht anders gekonnt, als der Frau eine Mass zu bringen. „Aber ich hab meinem Kollegen danach ganz brav die Biermarke gegeben.“
DIE WIESN-ZEITEN
Das Oktoberfest hat montags bis donnerstags von 10 bis 23.30 Uhr geöffnet, freitags und am Donnerstag, 2. Oktober, bis 24 Uhr. Samstags ist von 9 bis 24 Uhr und sonntags von 9 bis 23.30 Uhr geöffnet.
Die Zeiten der „Oiden Wiesn“: Sonntag bis Donnerstag: 10 bis 23.30 Uhr; Freitag und Samstag: 10 bis 24 Uhr.
Die großen Bierzelte haben Musik- und Ausschankschluss um 22.30 Uhr, die kleinen um 23 Uhr. Die Käfer-Wiesn-Schänke und Kufflers Weinzelt haben bis 1 Uhr geöffnet, die letzten Getränke gibt es hier um 0.30 Uhr.