Seit 1978 ist Kalle mit seiner Martina verheiratet. © imago (3)
Ein bitterer Tag: Die DFB-Elf verliert in Madrid mit Rummenigge 1982 das WM-Endspiel gegen Italien mit 1:3. © IMAGO
Unsere Sportredakteurin Hanna Raif interviewte Karl-Heinz Rummenigge zum 70. Geburtstag.
Weltstars unter sich: Diego Maradona (damals beim SSC Neapel) und Karl-Heinz Rummenigge. © imago
Das Dreigestirn des FC Bayern: Uli Hoeneß, Franz Beckenbauer und Karl-Heinz Rummenigge im Jahr 2010. © imago
Ein Ball für den Papst: Rummenigge 2014 bei Franziskus.
Pokalsieg 1984: Kalle Arm in Arm mit Klaus Augenthaler.
Ein Knipser: 217 Tore schoss Karl-Heinz Rummenigge für den FC Bayern München. In der Nationalmannschaft traf er 45 Mal. Das Foto zeigt ihn in der Saison 1979/1980. © Werner Otto/P. Alliance
München – Am morgigen Donnerstag wird Karl-Heinz Rummenigge 70 Jahre alt. Zum Geburtstags-Interview erscheint er in bester Laune. Warum auch nicht? Wer nach sieben Jahrzehnten so zufrieden auf Tore, Titel und Transfers zurückblicken kann, der hat vieles richtig gemacht im Leben.
Herr Rummenigge, schauen Sie gerne zurück?
Ich schaue gerne zurück, weil ich zufrieden bin und glücklicherweise auch noch ein sehr gutes Gedächtnis habe. Außerdem finde ich es wichtig zu reflektieren. Für mich ist das Entscheidende im Leben, keinen Fehler zu wiederholen. Das ist mir weitgehend gelungen.
Haben Sie Probleme mit „Runden“ – oder ist für Sie jedes gelebte Jahrzehnt mehr Erfahrung?
Altersweise und altersmilde bin ich geworden (lacht). Und ich lache nicht mehr, wenn mir jemand zum Geburtstag „gute Gesundheit“ wünscht. Trotzdem kann ich überzeugt sagen: Mir geht’s gut! Ich habe kein Problem mit dem Älterwerden.
Welcher „Runde“ war denn der wildeste?
Die schönsten Partys habe ich mit Bayern München nach großen Siegen gefeiert. 2013 in London, 2020 in Lissabon. Aber dieses Jahr feiere ich gemeinsam mit meiner Enkelin Nala, die am 24. September 16 wird. Das macht mich stolz!
Helge Schneider ist auch 70 geworden – und sagt: „Man hat die Chance, ein Leben lang cooler zu werden.“ Stimmt das?
Man wird im Alter etwas ruhiger, außer man heißt Uli Hoeneß, dann wird man unruhiger (lacht). Aber Spaß beiseite, auch zu ihm habe ich heute, nach 50 gemeinsamen Jahren, das beste Verhältnis, das wir je hatten.
Weil es gewachsen ist?
Ja. Und weil ich ihn verstehe. Wir haben uns zwischendurch sehr gefetzt. Aber er will nur eins: einen erfolgreichen FC Bayern, der solide seriös finanziert ist und Freude macht. Dabei muss man ihn unterstützen. Das hat er sich mit seiner Lebensleistung verdient. Uli ist anders, als viele in der Öffentlichkeit denken, und extrem hilfsbereit.
Er äußert seine Bedenken aber auf andere Art, als Sie es tun. Offensiver.
Das stimmt. Er scheut die Öffentlichkeit nicht, wenn man so will. Aber er wird mir manchmal zu Unrecht kritisiert. Jede seiner Aussagen wird auf die Goldwaage gelegt, um zu polarisieren und zu polemisieren. Ich habe nie einen Menschen erlebt, der mehr geleistet hat für den FC Bayern als Uli.
Was ist mit Ihnen?
Ich möchte mich nicht hervorheben, sondern lieber die ganze Truppe um Franz (Beckenbauer; Anmerkung der Redaktion), Karl (Hopfner), Uli und mich. Dieses Gespann war einmalig, ein verschworener Haufen. Selbst wenn wir unterschiedliche Interessen hatten, wurde so lange diskutiert, bis eine Entscheidung da war. Nie, wirklich nie, hat sich hinterher einer hingestellt und gesagt: „Ich habe es euch doch gleich gesagt.“
Also steht und fällt der Erfolg mit dem Teamgeist der Macher?
In den vergangenen 20 Jahren haben wir jede Krise gemeinsam gemeistert – und dabei lernt man die Menschen kennen, auf die man sich wirklich verlassen kann: Franz Beckenbauer, Uli Hoeneß, Karl Hopfner, später Herbert Hainer oder Jan-Christian Dreesen. Sie alle sind loyal und standen bereit, wenn es darauf ankam.
Fehlt ein Franz?
Nicht ein Franz, sondern DER Franz. Diese Lockerheit, diese Lässigkeit. Wenn es Streit gab, hat Franz gesagt: „Genug jetzt! Jetzt spielen wir Karten!“ Dann wurde Weißbier getrunken, dann wurden Ulis Würstel gegessen, dann war’s wieder gut. Da sage selbst ich als alter Ostwestfale: Besser ging’s nicht. Auch, was er manchmal nach Spielen gesagt hat: Man hat’s ihm nie übel genommen. Heute wäre das völlig anders.
Weil sich Typen oder Zeiten geändert haben?
Beides. Die Medienwelt hat sich durch Social Media enorm verändert. Ich frage mich: Was soll daran eigentlich sozial sein? Diese Geschwindigkeit hat zu einer Oberflächlichkeit geführt, die ich sehr bedauere.
Kann man sich frei machen vom Gedanken „früher war alles besser“?
Ja! Denn es war nicht alles besser, es war nur anders. Was mir nicht gefällt: Alles hat sich ein Stück weit radikalisiert. Alle meckern mehr – ob im Sport oder in der Gesellschaft. Das werden wir aber nicht ändern, auch wenn wir schimpfen. Man muss sich anpassen.
Viele Gleichaltrige sagen: 70 ist das neue 50.
Mit 50 war ich auf jeden Fall fitter (lacht). Und morgens, wenn ich aufstehe, fühlt sich die Muskulatur nicht mehr so an wie früher. Auf Anraten von Jupp Heynckes mache ich drei Mal pro Woche Stabilitäts-Übungen. Dazu fahre ich Fahrrad. Ohne E, wohlgemerkt! Aber es ist schon etwas dran: Wir altern anders als unsere Eltern.
Die Liste Ihrer Mit-Jubilare ist lang: Fangen wir an mit Kevin Costner.
Ein guter Typ und einer meiner Lieblings-Schauspieler. Außerdem sieht er gut aus!
Papst Leo XIV.
Obwohl er auch 70 ist: Ein junger Papst! Ich traue ihm zu, die verkrusteten Strukturen aufzulockern.
Marianne Rosenberg.
Sie war ja schon sehr jung erfolgreich, und ich erinnere mich: Mein Vater und ich sind zu einem Fußballspiel mit nach Schalke genommen worden, da war ich fast noch ein Kind. Der Fahrer hatte eine Marianne-Rosenberg-Kassette. Ich fand sie gut, aber nach eineinhalb Stunden Fahrtzeit konnte ich es nicht mehr hören (lacht).
Was hat Sie eigentlich mehr geprägt: Die Beatles – oder die Rolling Stones?
Die Beatles, die fand ich eleganter. Diese langen Haare! Neulich habe ich ein Foto von mir von damals gesehen und mich gefragt, ob ich den Friseur im Nachhinein verklagen kann.
Vorbild Johan Cruyff – oder Franz Beckenbauer?
Menschlich Franz, fußballerisch Johan. Ich wollte ihn sogar mal zu Bayern holen. 1996. Er hat geschmunzelt und gesagt: „Ihr kommt ein bisschen zu spät.“ Schade!
Harmonie – oder Streit?
Beides. Harmonie ist gut. Aber Streitkultur ist auch ein wichtiges Gut. Als ich mit Uli gestritten habe, musste sogar einmal der Schreiner kommen und den Türrahmen neu einsetzen. Aber es war immer zum Wohle des Vereins. Nie, weil wir Probleme miteinander hatten.
Können Sie besser ruhig bleiben?
Ich bin stur, Uli auch, Herbert Hainer ebenso. Ich lese zwar Zeitung, blättere aber weiter – und denke: Jetzt leben wir mal in den Tag hinein. Man muss da entspannt bleiben. Das ist auch mein Rat an jüngere Kollegen.
Das hört sich so leicht an.
Ich habe es so gehalten, und als ich aufgehört habe, schien die Sonne auch hell. Danach haben wir – das muss man selbstkritisch sagen – etwas zu viel Geld ausgegeben. Als ich vor zwei Jahren zurückkam, habe ich mich beim Blick auf die Finanzen ehrlich gesagt ein bisschen erschrocken und gesagt: „Leute, wenn wir so weitermachen, laufen wir in ein finanzielles Problem hinein.“
Ihr Wort wurde erhört.
Unsere neue Philosophie beinhaltet auch Sparen. Wir dürfen nicht den Fehler machen, uns von den Engländern auf dem Transfermarkt treiben zu lassen. Und im Übrigen auch nicht von den Medien. Wir haben unsere DNA! Und die kann man nicht kaufen! Wir machen den Irrsinn nicht mit!
Zulasten des Erfolges?
Ich bin überzeugt, dass wir weiterhin Erfolg haben werden. Wenn ich mir die erste Elf anschaue, muss ich sagen: Wir haben keinen Schwachpunkt! Dass der Kader kleiner geworden ist, sehe ich als Vorteil. Wenn ich einen Jungen wie Lennart Karl sehe, macht mir das einfach Spaß. Warum soll ich dem für 80 Mio. Euro jemanden vor die Nase setzen?
Was wären Sie heute wert?
Ich habe mal gelesen: 150 Mio. Euro. Da musste ich schlucken. Vielleicht stimmt es in der Relation, aber das ist natürlich eine Spielerei.
Andere Zeiten. Sie hatten nach der Karriere auch noch nicht ausgesorgt.
Deshalb ist es auch schwieriger, die neue Generation für einen Job im Club zu begeistern. Ich weiß nicht, wie viele Stunden ich neben Karl Hopfner gesessen habe, um zu lernen. Man muss dazu bereit sein, das Herzblut haben. Ich setze Hoffnung in Thomas Müller. Der ist ein Typ, der kann das schaffen.
Es heißt, Sie ziehen sich zurück, wenn das „richtige Team“ gefunden ist.
Der FC Bayern war immer am erfolgreichsten, wenn es in der Führungsetage Kontinuität gab. Der operative Bereich muss laufen. Bei Max Eberl ist wichtig, dass er sich mit den Ratschlägen, die er hin und wieder von Uli oder auch von mir bekommt, positiv auseinandersetzt. Es ist noch nicht alles erledigt, aber wir sind wieder auf einem guten, richtigen Weg angelangt.
Wird der Moment kommen, bis Sie 80 sind?
Davon gehe ich aus. Ob er bei Uli und mir gleichzeitig kommt, weiß ich nicht. Aber irgendwann werden wir sagen: Hier sind die Schlüssel, jetzt muss jemand anderes das Tor aufsperren.
Was soll noch passieren?
Dank meiner Frau habe ich eine wunderbare Familie. Und die will ich genießen. Es gibt ja nichts Besseres, als Opa zu sein. Spielen, fernsehen, Schnitzel, Eis. Dann sagen sie: „Bei Opa ist’s am besten.“