Sie soll die Bahn auf Kurs bringen

von Redaktion

Die Hoffnungsträgerin: Evelyn Palla gestern mit Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder (CDU). © TOBIAS SCHWARZ/AFP

Berlin/München – Es ist ein Neustart mit erheblichen Nebengeräuschen. Noch während Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder (CDU) am Montagvormittag die Südtirolerin Evelyn Palla als designierte neue Chefin der Deutschen Bahn vorstellt, probt die Gewerkschaft den Aufstand: Die Eisenbahnergewerkschaft EVG torpediert den Personalwechsel bei der Bahn und kündigt an, der Neubesetzung an der Spitze der DB AG nicht zuzustimmen.

Dabei richtet sich der Ärger eigentlich nicht gegen die Neuberufung von Evelyn Palla. Im Gegenteil: Es gibt lagerübergreifend viel Zuspruch für die blonde 51-Jährige aus Bozen, die nach Stationen bei der österreichischen ÖBB oder zuletzt als Chefin von DB Regio nun ganz an die Spitze der Deutschen Bahn rücken soll.

Aufstand gegen Schnieders zweite große Personalie

Am Montag sitzt sie neben Schnieder in der Bundespressekonferenz in Berlin und verliert sich nicht im Klein-Klein. „Wir räumen auf“, kündigt sie an. Sie verspricht „weniger Papiere, mehr Macher“ und eine Bahn „als Lebensader dieses Landes“. Schnieder nickt. „Sie hat bewiesen, wie Erfolg funktioniert“, lobt er die designierte DB-Chefin. Vor allem, dass sie im vergangenen Jahr quasi nebenbei den Lokführerschein machte, kommt positiv an. Das klingt nach nicht abgehoben – eine Einstellung, die vielen Managern im Berliner DB-Tower abgeht. Auch die Kritiker von Pro Bahn loben sie, Bayerns Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU) ohnehin: Sie habe „Betrieb, Infrastruktur und Finanzen in ihrer DNA“.

Nur die EVG stellt sich quer. Und der eigentliche Grund sitzt in der Bundespressekonferenz neben Palla: Dirk Rompf ist zwar ein Eisenbahnfachmann, aber eher einer vom alten Schlag, der unter Pallas Vorgängern im Konzern Karriere machte. Er soll nun die DB InfraGo übernehmen – jene DB-Tochter, die Sanierung und Ausbau der Schiene managt. Das bringt EVG-Boss Martin Burkert in Rage: „Der Weg nach vorne kann niemals durch die Vergangenheit führen“, sagt der knorrige Gewerkschafter und ehemalige SPD-Politiker am Montagmittag in einer eigens anberaumten Pressekonferenz. „Professor Rompf war sechs Jahre lang Vorstandsvorsitzender der DB Netz und ist mit seinem Sparwahn mit schuld an der heutigen Situation.“

Rumms. Entgleist die Bahnreform, ehe sie begonnen hat? Die EVG hat in den Aufsichtsräten Sitz und Stimme. Es ist völlig unklar, ob das Gremium der DB InfraGo Rompf bestätigen wird. Womöglich wackelt sogar Palla – auch wenn sich Schnieder zumindest bei ihr ziemlich sicher scheint. Er erwarte, dass der Aufsichtsrat Palla zustimmen werde, betont Schnieder. Rompf erwähnt er dabei nicht.

Die Aufsichtsratssitzungen der DB heute und morgen dürften jedenfalls spannend werden – und Schnieders Reformansätze bei der Deutschen Bahn in den Hintergrund drängen. „Agenda für zufriedene Kunden auf der Schiene“, lautet die Überschrift seines Reformpapiers, das er am Montag vorstellt. „Heute drücken wir auf Neustart“, so beginnt Schnieder seine Ausführungen in Berlin. Pünktlicher, sauberer und sicherer soll die Bahn werden, flankiert von einer internen Organisationsreform. Alle „Geschäftsfelder“ – Fernverkehr, Regio, Güterverkehr – sollen bis Ende 2028, Cargo aufgrund von EU-Vorgaben sogar schon 2026, dauerhaft wirtschaftlich werden, ohne das „Gemeinwohl“ aus den Augen zu verlieren. Im Einzelnen:

■ Pünktlichkeit

Unpünktliche ICE-Züge sind ein Dauerproblem der Bahn. Im Juni/Juli dieses Jahres lag die Pünktlichkeit des Fernverkehrs „erstmals in der Geschichte der DB“ (Schnieder) drei Tage in Folge bei unter 40 Prozent. „Pünktlich wie die Bahn – das war einmal“, sagt Schnieder. Er macht keinen Hehl daraus, dass er sich hier deutliche Verbesserungen erwartet. Aber: Er schraubt die Ziele erst einmal deutlich zurück: Statt schon 2026 soll der Fernverkehr jetzt erst 2029 wieder eine stabile Pünktlichkeit von im Schnitt 70 Prozent erreichen. Schon das sei „eine Riesenherausforderung“, behauptet Schnieder. Es gibt viele Kritiker dieses Schritts, im Kloster Banz bei der CSU-Klausurtagung äußert sogar Fraktionschef Klaus Holetschek sein Unverständnis.

■ Sanierung der Schiene

Am Konzept der Korridorsanierung, an dem es auch in Bayern viel Kritik gibt, wird nicht gerüttelt, stellt Schnieder klar. Das bedeutet: Bis 2030 werden weitere 24 Hochleistungsstrecken saniert, bis 2036 insgesamt 42. Aktuell ist die Strecke Hamburg–Berlin komplett gesperrt, um sie zu ertüchtigen. 2026 ist Passau–Nürnberg in zwei Abschnitten dran, 2027 Rosenheim–Freilassing. Neue Akzente sollen bei Bahnhöfen gesetzt werden. Ein Job für Dirk Rompf. „Mindestens“ 500 Bahnhöfe sollen bis 2030 saniert werden. Das sind 100 im Jahr, „zwei pro Woche“, wie Rompf sagt.

■ Sofortprogramme

Bauen dauert – Schnieder will aber, dass die Fahrgäste möglichst schnell etwas von der Bahnreform spüren. Daher verspricht er „drei Sofortprogramme für ein besseres Reiseerlebnis“. Palla spricht von einem „Komfortprogramm“. Neben mehr Sicherheit und Sauberkeit an Bahnhöfen soll der Fokus auf die Toiletten in den Zügen und das Angebot im Bordbistro gelegt werden. Schon 2026 sollen hier Verbesserungen spürbar sein.

■ Reform des DB-Konzerns

Die Bahn soll an der Spitze schlanker werden, zwei der acht Vorstandsposten fallen weg. Langjährige Bahnmanager müssen gehen, nicht nur DB-Chef Richard Lutz und seine Referenten, sondern auch der bisherige Vorstand für Infrastruktur, Berthold Huber, ein langjähriger DB-Manager aus Weilheim, der zuletzt im Untersuchungsausschuss zur 2. Stammstrecke in München unangenehme Fragen zur Kostenexplosion beantworten musste. Er soll den Konzern verlassen, der Vorstandsposten wird schlicht eingespart, ebenso der eines Konzernbeauftragten Gemeinwohlorientierte Infrastruktur. Das macht Sinn, da für Infrastruktur allein die DB InfraGo zuständig sein soll.

Mit vielen Organisationsänderungen soll sichergestellt werden, dass die Deutsche Bahn den Schienen-Sanierern von der DB InfraGo nicht mehr reinreden kann – und auch nicht durch Quersubventionierung Geld entzogen wird. Entflechtung nennt sich dieser Vorgang. Ganz abgekoppelt von der DB AG wird die InfraGo indes nicht, auch wenn manche in der Union das gerne hätten. Dies wurde qua Koalitionsvertrag, mutmaßlich auf Druck der EVG, verhindert.

Gesucht: Neuer Job für den bisherigen InfraGo-Chef

Auch ein eigenständiges Technik-Ressort gibt es nicht mehr, die Aufgaben werden auf bisherige Vorstände verteilt. Gehen als Chef von DB InfraGo muss Philipp Nagl, ein Österreicher, der als sachkundig, aber zu detailverliebt gilt. „Herr Nagl wird im Konzern bleiben“, kündigte Palla an. Seine bisherige Position soll aber Rompf übernehmen – wenn die Gremien zustimmen. Für Pallas bisherige Position als Vorstand von DB Regio wird noch Ersatz gesucht. Auch die über 200 Beteiligungen der DB AG sollen reduziert werden – hier soll aber erst 2026 ein Konzept stehen.

„Es ist ein ganz, ganz weiter Weg“

Viele Fahrgäste dürfte weniger Personalrochaden interessieren, sondern eher, dass ihr Zug pünktlich kommt.

Schon bevor Patrick Schnieder am Montag seinen Auftritt hat, kommen Chaos-Nachrichten im XXL-Format. Die Bahnstrecke Hamburg–Berlin, die zum Wochenstart tausende Beamte auf dem Weg in die Regierungshauptstadt nutzen, wird durch einen Oberleitungsschaden den ganzen Tag über lahmgelegt. Dabei ist die Hauptstrecke infolge der Generalsanierung ohnehin gerade nicht benutzbar. Jetzt funktioniert nicht einmal mehr die Umleitstrecke über Uelzen. Als hätte er es geahnt, stapelt Schnieder in der Pressekonferenz tief: Bis der Fernverkehr zu 90 Prozent pünktlich sein werde, sei es „ein ganz, ganz weiter Weg“, sagt der Minister.

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