Im Paulaner-Festzelt auf dem Oktoberfest gibt es 6385 Plätze, im Aussenbereich zusätzliche 2000. © Achim Frank Schmidt
Extra angereist: Isaak Martinez (li.) aus Kreta und das Paar Christina (Mitte) und Victoria Szondy aus Neapel. © A. Schmidt
15 Uhr: Links fünf Freunde aus Hamburg – rechts zwei Italiener. Die Hamburger trinken weniger, essen dafür viel. © A. Schmidt
Prost: Abends feiern hier Mike Craig, Brad Simpson, Rene Seipt und Ted Nielsen (v.l.) ihre 50. Geburtstage. © Privat
Ein eher ruhiger Wiesn-Dienstag: Der Tisch im roten Kreis ist unser Testtisch. © Achim Frank Schmidt
München – Es ist Dienstag, 10.15 Uhr. Das Paulaner-Festzelt hat gerade aufgemacht – wer jetzt da ist, kann sich seinen Sitzplatz noch in aller Ruhe aussuchen. Die US-Soldaten Isaak Martinez, Christina und Victoria „Tory“ Szondy besetzen den dritten Tisch links am Mittelgang. Die alten Freunde treffen sich auf dem Oktoberfest, dafür sind sie extra von ihren Navy-Stützpunkten in Neapel und Kreta nach München angereist.
Erste Frage an den Kellner: „Kann man mit Karte bezahlen?“ Kann man nicht. Die drei haben je 100 Euro in bar dabei. Nach einer Stunde hebt Isaak am Automaten weitere 300 Euro ab. „Ich habe gerne Bares bei mir“, sagt er achselzuckend. 15,40 Euro für eine Mass finden sie nicht teuer. „In Kalifornien würde ein Liter 20 Dollar kosten, sagt Christina. Umgerechnet sind das rund 17 Euro. Die erste Tisch-Bilanz um 13 Uhr: drei Helle, fünf Radler, ein Alkoholfreies für insgesamt 138,60 Euro. Dazu drei Paar Weißwürste (34,50 Euro), eine Riesenbrezn für 7,50 Euro und ein Obazda für 17,80 Euro.
1. Zwischensaldo: 198,40 Euro
Gegen 13 Uhr verlassen Isaak, Christina und Tory den Tisch. Drei Studenten aus Rom (alle 21) setzen sich hin. Drei Tage wollen sie auf der Wiesn feiern. „Wir haben kein Budget, sondern schauen einfach spontan, wie viel es wird“, sagt Alexander Maoloni. Er und seine Freunde Gabriele Santoro und Giuseppe Femia trinken je zwei Mass. Gabriele kauft sich noch eine Käsebrezn. Um 14.30 Uhr gehen sie raus, um Achterbahn zu fahren.
Jetzt besetzen sechs Kanadier aus Quebec City den Tisch. Die Familie Giguére feiert den 60. Geburtstag des Onkels – erst mal mit angezogener Handbremse: Die sechs bestellen sich zusammen nur zwei Mass, schließlich soll es ein langer Tag auf dem Oktoberfest werden. Die Stimmung ist trotzdem ausgelassen, die Mutter der Familie tanzt voller Freude zu Klassikern wie „Take Me Home, Country Roads“. Dann gehen sie.
Es kommen ein italienisches Pärchen und fünf Hamburger. Die Italiener bestellen jeder eine Mass. Die Hamburger genehmigen sich lieber Radler (jeweils 15,40 Euro), prüfen kurz das Budget und ordern dann ordentlich zu essen. Eine Brasilianerin und ihr Vater setzen sich zur ruhigen Runde dazu und teilen sich einen Kaiserschmarrn.
Von den drei Italienern bis zu den beiden Brasilianern gehen im Laufe der Zeit elf Mass über den Tisch, dazu drei Radler-Mass und ein Liter Alkoholfreies. Gegessen wird dreimal vegane Currywurst (je 19,90 Euro), eine Gulaschsuppe (13,90 Euro), Käsespätzle (20,50 Euro), ein Rehgulasch (30,90 Euro), ein Kaiserschmarrn (21 Euro) und eine Käsebrezn (5,20 Euro). Die ist zwar strenggenommen aus dem Bauchladen einer mobilen Verkäuferin, aber wir rechnen das mal großzügig mit ein. Was soll der Geiz.
2. Zwischensaldo: 382,20 Euro
Um 17 Uhr hat der Tisch erst 580,60 Euro eingebracht. Doch jetzt füllt sich das Zelt, das Licht wird schummrig, die Stimmung steigt, ebenso der Bierkonsum. Dabei helfen vier Kanadier kräftig mit: Mike Craig, Ted Nielsen, Brad Simpson und Rene Seipt aus Toronto sind alle 50 geworden und feiern ihren Geburtstag zu Füßen der Bavaria. Vier Tage Wiesn-Wahnsinn, Geld spielt keine Rolle. Allein die Hotelzimmer kosten 600 Euro die Nacht, erzählt Brad, der daheim in Übersee für das Umweltministerium arbeitet. Laut Ted rechnet jeder mit 200 Euro für Essen und Trinken. Pro Tag, versteht sich.
Das Geld landet fast komplett auf der Wiesn, denn Mike, Ted, Brad und Rene, alles gestandene Holzfäller-Typen, verbringen quasi den gesamten Tag auf dem Festgelände. „Wir sind am Samstag in München gelandet und noch am selben Tag um 14 Uhr schon aufs Oktoberfest gegangen”, erzählt Rene. Pro Tag besuchen sie „zwei, drei Bierzelte“. Mittags waren sie an diesem Tag aber mal am Marienplatz beim Mittagessen. Ende der Woche kommt Renes Familie nach – dann geht‘s noch mal mit der Frau und den drei Teenager-Töchtern auf die Wiesn und einen Tag nach Neuschwanstein.
3. Zwischensaldo: 1329,90 Euro
An diesem Abend aber investieren die Kanadier und ihre Tischnachbarn aus Asien den Großteil ihres Geldes in Bier: Bis zum Schankschluss um 22.30 Uhr zählen wir 44 Mass, vier Radler und zwei Spezi (jeweils 6,70 Euro). Zu essen gibt‘s an diesem Tisch nur eine einzige Riesenbrezn. Diesen kleinen Snack teilen sich die vier Mannsbilder aus Kanada, als sie schon auf den Bänken tanzen.
Doch die 44 Mass sind beileibe nicht die einzigen Getränke, die hier umgesetzt werden. Die Bedienungen verkaufen ab dem Reservierungswechsel um 17 Uhr insgesamt 37 Mass an Personen, die im voll besetzten Gang gleich neben dem Tisch stehen – und setzen allein damit 569,80 Euro um.
Der Endbetrag: 1910,50 Euro
1910,50 Euro – so viel brachten 109 Mass und Essen also an diesem einen Tag ein. Somit generierten die zehn Plätze am Tisch im Schnitt jeder 191 Euro. Auf die 6385 Plätze im Inneren des Paulaner-Festzeltes hochgerechnet, ergibt sich ein Mindestumsatz von ungefähr 1,22 Millionen Euro – an nur einem Tag.
Die knapp 2000 Plätze im Außenbereich sind da noch gar nicht eingerechnet. An unserem Zähltag kommt dort eh nicht viel zusammen. Es ist bewölkt, windig und kalt, vormittags und am späten Abend fällt Regen. Die Biergärten sind fast leer, an den Tischen sitzen frierende, schlecht gelaunte Bedienungen. Großes Geld wird heute nur im Zelt gemacht.
Bei den 1,22 Millionen Euro sind die Kosten und Steuern noch nicht abgezogen. Und korrekterweise muss man bei Speis und Trank auch noch die rund zehn Prozent Bedienungsgeld abziehen.
Ein stattliches Sümmchen ist es dennoch. Und das Oktoberfest dauert heuer 16 Tage. Wirtin Arabella Schörghuber kann bei ihrer letzten Wiesn also mit einem geschätzten Mindestumsatz von 19,5 Millionen Euro rechnen – nach unserer Hochrechnung von einem eher durchschnittlichen Wiesn-Dienstag nur im Zelt.
Alexandra Schörghuber gibt das Paulaner-Festzelt nach dieser Wiesn nach 21 Jahren ab, Nachfolger werden Christine und Lorenz Stiftl vom Volkssängerzelt Schützenlisl auf der Oiden Wiesn.