Die neue Gefahr: Immer häufiger beeinträchtigen Drohnen auch den deutschen Flugverkehr, hier am Flughafen in Stuttgart. © Marijan Murat/dpa
München/Frankfurt – Sie tauchen auf, kreisen ein paar Stunden in der Luft, des nächtens sogar beleuchtet, damit man sie gut sieht – dann verschwinden sie so plötzlich, wie sie kamen. Am Flughafen im dänischen Aalborg legten Drohnen vergangene Woche zweimal den Flugverkehr lahm. Und am Wochenende kreisten erneut Drohnen über Dänemark, dieses Mal über militärischen Anlagen, wie die dänischen Streitkräfte am Sonntag mitteilten. Man habe Gegenmaßnahmen ergriffen, hieß es ohne weitere Details. Die Herkunft der Drohnen ist unklar. Mal wieder.
Drohnensichtungen nehmen zu. Über Flughäfen in Dänemark und Norwegen, über Polen und auch in Deutschland. In der Nacht zu Freitag überflogen mehrere Drohnen Schleswig-Holstein, das eine 67 Kilometer lange Landgrenze zu Dänemark hat. Ein Zusammenhang mit Provokationen aus Russland wird nicht ausgeschlossen – Russland selbst bestreitet bisher, Urheber der Drohnen zu sein.
Auch in Bayern gab es bereits Vorfälle. So kreisten dieses Jahr wiederholt Drohnen über der Werdenfelser Kaserne in Murnau im Kreis Garmisch-Partenkirchen sowie über dem Bundeswehrgelände in Manching im Kreis Pfaffenhofen an der Ilm. In Manching ist die Wehrtechnische Dienststelle für Luftfahrzeuge und Luftfahrtgerät stationiert. Bei keinem Vorfall konnten die Piloten der Drohnen ermittelt werden.
Offiziell gibt es zwar keine veränderte Sicherheitslage – zumindest nicht wegen militärischer Drohnen. Gleichwohl haben auch bei uns Störungen mit Drohnen an Flughäfen nach Angaben der Deutschen Flugsicherung deutlich zugenommen. Die Bundespolizei spricht von einer „zunehmenden Gefährdung des Passagierluftverkehrs“.
Laut Flugsicherung wurden im laufenden Jahr bis Ende August bereits 144 Behinderungen durch Drohnen registriert. Im Vorjahr seien es im selben Zeitraum 113, im Jahr 2023 nur 99 Vorfälle gewesen. Allein am Flughafen Frankfurt, dem größten deutschen Drehkreuz, wurden heuer bereits 35 Behinderungen gezählt, in Stuttgart und München waren es jeweils sechs. Wer die Drohnen steuerte, geht aus dem Report nicht hervor. In vielen Fällen vermutlich Hobby-Piloten.
■ Das Ziel: Ausspähen kritischer Infrastruktur
Stephan Kraschansky ist Chef des Anti-Drohnen-Spezialisten Aaronia. Über Deutschland und anderen westlichen Staaten würden noch viel mehr Drohnen kreisen als offiziell bekannt, betont er. „Die Drohnen über dänischen Flughäfen, in Oslo oder über Polen waren nur die Spitze eines Eisbergs.“ Es fehle oft die technische Ausrüstung, um die ferngesteuerten Luftgeräte überhaupt zu bemerken.
Offenkundiges Ziel dieser Flüge sei es, die verwundbaren Stellen der westlichen Infrastruktur auszukundschaften, ist sich Kraschansky sicher. Stellwerke der Bahn, Umspannwerke der Energieversorger, Raffinerien, Flughäfen, aber auch Kasernen und Truppenübungsplätze. „Alles, was mit einem funktionierenden Leben zu tun hat.“ Wer dahinterstecke, sei nicht mit hundertprozentiger Sicherheit zu sagen. Zwar deute in Kopenhagen alles auf Russland hin, aber es sei auch denkbar, dass kriminelle Trittbrettfahrer Material sammeln, um Unternehmen zu erpressen. Die Drohnen würden jedenfalls zumeist nicht in Russland, sondern auf westlichem Boden gestartet.
Laut der Deutschen Flugsicherung werden Drohnenflüge in Flughafennähe in der Regel von Piloten gemeldet, aber auch aus dem Tower des jeweiligen Flughafens beobachtet. Notfalls müssten An- und Abflüge vorsichtshalber eingestellt werden. Dies führt zu großen Problemen im internationalen Luftverkehr. Drohnenflüge sind im Umkreis von 1,5 Kilometer um Flughäfen verboten. Es drohen Haftstrafen von bis zu zehn Jahren.
Aber warum holt man die Drohnen nicht einfach vom Himmel? Grundsätzlich sei ein Abschuss rechtlich möglich, erläutert Verena Jackson, Rechtswissenschaftlerin an der Universität der Bundeswehr in München. Jedoch müsse dies verhältnismäßig sein – und berge zudem erhebliche Gefahren, etwa durch herabfallende Trümmerteile oder möglicherweise explosive Ladungen. Deshalb würden Abschüsse bisher kaum in Betracht gezogen.
■ Abwehr von Drohnen obliegt meist der Polizei
Privatpersonen dürfen Drohnen nur als Akt der Notwehr vom Himmel holen – wenn es also eine konkrete Gefahr für Leib und Leben gibt. Grundsätzlich sind für die Abwehr von Gefahren die Sicherheitsbehörden zuständig – für die Drohnenabwehr an Flughäfen ist das in der Regel die Bundespolizei, im übrigen Land die Landespolizei. Ebenfalls involviert sind an Verkehrsflughäfen die Flugsicherung, der Flugplatzbetreiber und die Landesluftsicherheitsbehörden. Die Flughäfen selbst dürfen nicht beurteilen, ob eine Drohne von einem Hobby-Piloten gesteuert wird oder ob es sich um eine hybride Bedrohung handelt.
Einfach abschießen dürfen die Drohnen aber auch Polizisten nicht. Wie Jackson dem Mitteldeutschen Rundfunk sagte, wisse man nicht, wie sich die Drohne verhalte, ob sie vielleicht Sprengstoff geladen habe, im schlimmsten Fall explodiere und dann Menschenleben gefährde oder großen Schaden anrichte. Die Sicherheitsbehörden müssten deshalb genau abwägen. Schusswaffen dürften nur eingesetzt werden, wenn unmittelbare und schwerste Gefahr etwa für Menschenleben drohe. Drohnen müssten gemeldet, Zuständigkeiten geklärt und das Gefahrenpotenzial gecheckt werden, erläutert Jackson: „Da geht sehr, sehr viel Zeit ins Land, was natürlich die Drohnenabwehr erschwert.“
Nicht involviert ist bisher die Bundeswehr. Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) will das ändern und die Bundeswehr mit Abschuss-Befugnissen ausstatten. Dafür kündigte Dobrindt am Wochenende noch für den Herbst eine Neufassung des Luftsicherheitsgesetzes an. Die Gewerkschaft der Polizei sieht Dobrindts Plan allerdings kritisch (siehe Text unten).
In der Praxis – das zeigten auch die Vorfälle in Kopenhagen – ist es alles andere als einfach, Drohnen vom Himmel zu holen. Aus einsatztaktischen Erwägungen könnten keine detaillierteren Angaben zu den eingesetzten Systemen gemacht werden, so die Bundespolizei. Möglich sind elektromagnetische Impulse, die Störung von Funkverbindungen durch sogenannte „Jammer“ oder physische Einwirkung auf Drohnen etwa durch Fangnetze. Oder eben ein Abschuss.
Der Flughafenverband ADV fordert von der Politik eine gesetzlich gesicherte, staatliche Finanzierung von Systemen zur Drohnenerkennung und -abwehr. Der Schutz der Flughäfen sei eine hoheitliche Aufgabe und bedürfe modernster Technik und klarer Strukturen.
Die Nachfrage nach technischer Ausrüstung zur Bekämpfung von Drohnen sei riesig, sagt Anti-Drohnen-Spezialist Stephan Kraschansky. Vorrangig würden aktuell europäische Staaten mit Systemen beliefert, die zivile, selbst gebaute oder militärische Drohnen entdecken und abwehren könnten. Es werde an vielen Stellen inzwischen etwas getan. Der Nachholbedarf sei immens.